The Movements / Grain Of Oats
Grain Of Oats
Liebe Freunde der Musik außerhalb des gehirnvernebelnden Hitparadenkompatibilitätskleisters, ich bin wieder mal aufs Angenehmste überrascht, was uns der eigentlich doch so bunte und vielfältige, aber leider medial im Dornröschenschlaf befindliche Musikmarkt alles zu bieten hat. Allen voran die vermeintlich unabhängigen Klein- und Kleinstlabels haben uns da wahre Schätzchen für offene Ohren zu bieten.
Aktuellstes Beispiel in der Lade meines Kasperplayers: The Movements - "Grains Of Oats" ('Alleycat Productions', Göteborg, Schweden, 2005)
Dabei handelt es sich um ein schwedisches Quintett lauter Jungspunde, die irgendwann mal während ihrer (musikalischen) Sozialisation auf die Doors gestoßen sein müssen. Und darüber hinaus müssen sie diverse Psychedelic- und Spacerockplatten der Endsechziger und Anfangsiebziger des vorigen Jahrhunderts aufgesogen haben wie die Muttermilch. Zur Krönung des Ganzen entdeckten sie auch frühzeitig den Garagenpunk und solche Lärmprotagonisten wie die Stooges. Daraus bastelten sie im Proberaum (Garage?) ein feuriges Retro - Konglomerat und heraus kam diese Scheibe, nach einer EP ("Drag Me Up" von 2004) ihr erster Longplayer.
Gleich die ersten Töne von "It Starts With A Whisper" befördern uns direkt in die Zeit von Love, Peace, freier Sex, Blumenkinder und jeder Menge Substanzen, die irgendwie komische Wirkungen entfalten. Grelle und bunte Bilder wabern allerdings auch ohne diese Substanzen an meinem geistigen Auge vorbei und ich muss schmunzeln, als ich bei einer Rezension dieser Platte bei 'BiB' (Bands in Berlin) folgende Einleitung lese: "Direkt aus dem Beatclub: Schwedischer Psychedelic-Garage-Rock vom Feinsten."
Sehr treffend bemerkt außerdem Ralf Stierlen vom 'Home Of Rock': "(...) deutlich näher am Beat Club als am Rockpalast."
Ja, in der Tat, in dieser legendären Sendereihe von 'Radio Bremen' wären die fünf schwedischen Youngster hervorragend aufgehoben gewesen.
Wo aber sind heute die Plattformen für solche Klänge abseits des Mainstream? Beim Clip-Klingelton-TV etwa? Wohl kaum. Beim Radio? Vielleicht einmal in der Woche bei irgend so einer abgefahrenen Spezialsendung im Offenen Kanal. Doch wer hört das eigentlich? Tja, da müssen wohl die Kleinstclubbühnen dieser Welt herhalten und wenn The Movements dort das Feuerwerk abbrennen, was sie auf "Grains Of Oats" andeuten, dann brennt die Luft, soviel ist schon mal klar!
"Cry For You" stolpert einfach unwiderstehlich dahin, getrieben von hektischen Gesangslinien und einer ebensolchen Manzarek-Orgel, was schließlich im rockig und fast riffig ausgelegten "Looking For A Change" kulminiert. Ein erstes Highlight dieser Produktion. Dann wird's ruhiger, die psychedelischen Stones lassen grüßen ("Being").
Das folgende "Five Steps Ahead" kommt leicht Trip-mäßig daher, mit tollem Analogsound, ziemlich dicht arrangiert. Unweigerlich frage ich mich, ob hier nun gekifft oder LSD eingeschmissen wurde.
Bei "Instead Of Catching A Disease (I Caught A Thing Called Love)" treibt ein herrlicher und mit weiblichen Backgroundgesang unterstützter Refrain voran, wobei für meine Begriffe hier eine fast exemplarische Synthese aus frühen Stooges und frühen Doors erreicht wird. Definitiv das zweite Highlight.
"Image In The Mirror" versucht sich dann im Rock 'n' Roll, endet aber als enthusiastisch vorgetragener Garagenpunk(rock) mit Manzarek-Orgel.
Anschließend sind, wie sollte es auch anders sein, die psychedelischen Beatles dran ("Conceptual Love"). Dann erklingt eine Art Glockenspiel als Intro, bevor wir die rotzig raue Punkversion der Doors in Formvollendung genießen dürfen ("Circle Ain't Round"). Wie alles hier leicht angeschrägt und "garagig" rübergebracht, aber durchaus mit einigen Details im dichten Soundteppich.
Und schließlich wird's im Orgelintro sogar sakral ("Ain't Gonna Let You Mess Me Up"). Ich fühle mich an etwas in der Art frühe Atomic Rooster erinnert und in den Orgelsound mischt sich zur Abwechslung die Abteilung John Lord meets Vincent Crane. Der Song beinhaltet einen bemerkenswerten Spannungsbogen und wird vor dem Orgeloutro regelrecht dramatisch, für mich das dritte Highlight.
Die feine Scheibe endet mit dem längsten Song, nämlich "Space Autopsy", wobei der Titel Programm ist. Sicherlich der Höhepunkt für alle Spacerocker! Hier geht's nach ca. 2 Minuten wirklich ab, ein rasender Bass, manischer Drummer, es zirpt, zischt und fuzzt nur so um die Wette.
Insgesamt gesehen lebt die Platte vom frischen, enthusiastischen, fast authentischen und liebevollen Vortrag der fünf jungen Schweden, die den Sound offenbar bewusst roh, rau und unbehauen ausfallen lassen (oder ihr Produzent). Insofern ist dies natürlich nix für musikalische Feingeister und technische Kapriolen an den Instrumenten auf Weltklasseniveau dürfen auch nicht erwartet werden. Aber das Gesamtergebnis ist in sich stimmig und kann sehr wohl die Atmosphäre und Stimmung verbreiten, die vermutlich intendiert wurde. Für die Freunde des beschriebenen musikalischen Kosmos unbedingt eine Empfehlung wert!


Spielzeit: 41:43, Medium: CD, Alleycat Productions, 2005
1:It Starts With A Whisper 2:Cry For You 3:Looking For A Change 4:Being 5:Five Steps Ahead 6:Instead Of Catching A Disease (I Caught A Thing Called Love) 7:Image In The Mirror 8:Conceptual Love 9:Circle Ain't Round 10:Ain't Gonna Let You Mess Me Up 11:Space Autopsy
Olaf "Olli" Oetken, 03.02.2006