M's Grace / Refurnish My Heart
Refurnish My Heart Spielzeit: 62:41
Medium: CD
Label: Mokshamusic, 2011
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 21.09.2011


Jürgen Hauß
Oh Gott! Was soll man von einer CD erwarten, die von einer österreichischen Theologin unter dem Projektnamen M's Grace (was ja - unter Heranziehung ihres tatsächlichen Vornamens - auch als 'Martinas Tischgebet' übersetzt werden kann) herausgebracht wird? Eine CD, die bereits im Herbst letzten Jahres erschienen ist, die bei Amazon auf Verkaufsrang 425.246! (Stand: 12.09.2011) dahin dümpelt, und die erst kürzlich bei der RockTimes-Redaktion von der Protagonistin selbst eingereicht wurde. Am besten nichts - oder wenigstens nicht viel - dann kann man jedenfalls nicht enttäuscht werden.
Zur Vorbereitung auf das, was auf mich zukommen würde, habe ich mich zunächst über die produzierende Plattenfirma informiert. Diese bezeichnet sich selbst als »das neue unabhängige Musiklabel für anspruchsvolle, nachhaltige Popularmusik - garantiert Jazz-frei«, die von dem ebenfalls österreichischen Musiker, Schlagwerker, Sänger, Komponist, Texter Bernd Bechtloff gegründet wurde, da er in seinem Heimatland ein Forum für die spezielle Musik vermisste, die ihm »Kraft und Nahrung ist und eine gewisse 'subversive Spiritualität' ausdrückt«. Dabei will er mokshamusic nicht nur als ein Musiklabel präsentieren; vielmehr soll sich »mokshamusic ... zu einem neuen musikalischen Genre entwickeln«. Das klingt irgendwie nach New Age bzw. Esoterik. Das ist nicht unbedingt für des durchschnittlichen (falls es den überhaupt gibt) RockTimes-Lesers Ohren übliche Musik.
Wer mit dieser Einstellung an die vorliegende CD herangeht, tut der Künstlerin und ihrem Werk allerdings grobes Unrecht an. Was sich hier seit ein paar Tagen auf meinem Plattenteller dreht, gehört zwar sicherlich nicht zum regelmäßigen RockTimes-Repertoire. Der aufgeschlossene Musikliebhaber sollte aber unvoreingenommen auch mal über den eigenen (Platten-) Tellerrand hinausschauen bzw. -hören und sich jenseits seiner üblichen Hörgewohnheiten informieren. Auch dort lassen sich Perlen finden!
Was M's Grace präsentiert, ist kein Kirchengesang - weder stilistisch noch inhaltlich - sondern sind eindringliche Lieder zu Beziehungsthemen und Beziehungsproblemen, und das jenseits einer 08/15-Produktion.
Ungewöhnlich bereits der Einstieg: Akkordeon und Cello leiten "As It Is" ein, später kommen noch akustische Gitarre sowie Saxofon dazu, und eine im ersten Moment ungewöhnlich tiefe, jedoch auch große Höhen problemlos meisternde Stimme - in beiden Lagen sehr intensiv vorgetragen - intoniert einen sehr gefühlvoll dargebotenen Song. Die zeitweilige Zweistimmigkeit (mit Christine Polacek) der Interpretation rundet den positiven Eindruck ab.
Flotter kommt der Titelsong daher: Der Imperativ-Titel "Refurnish My Heart" steht im Widerspruch zum Songtext, wonach M selbst in ihrem Herzen für Ordnung sorgen will. Sehr gut passend dazu die dezente perkussive Begleitung, die dem Stück fast einen lateinamerikanischen Anstrich verleiht. Insgesamt kann man den Titel leichterdings als Popsong qualifizieren, mit teilweise fast schon rockigen Stimm-Modulationen.
Und spätestens beim dritten Track "Until" wird klar, wohin die Reise geht, bzw. wer - bei aller Eigenständigkeit des vorliegenden Werks - musikalisch sicherlich als Vorbild hergehalten hat: So kann man durchaus Tracy Chapman und Joni Mitchell heraushören, und das sind schließlich keine schlechten Wegbereiter; auch eine Eva Cassidy dürfte Martina Althuber nicht unbekannt sein (Die Tatsache, dass über diese großartigen Musikerinnen bislang kein Beitrag auf RockTimes erschienen ist, unterstreicht die auch vorliegend fragliche Zielgruppenaffinität).
Fast übergangslos - nach einem Sphärenklang zum Ende hin weiß man erst nicht, ob der nachfolgende Sprechgesang ein Abgesang oder eine Einleitung ist - folgt "Love Visit"; im Wesentlichen wiederum interpretiert durch die akustische Gitarre, ist hier erstmals auch die elektrische zu hören - quasi als Gegenstimme. Sehr schöner Kontrast!
Bei "Settle Me" tritt eingangs erstmals der Produzent Bernd Bechtloff als Schlagwerker stärker in den Vordergrund, ohne den Song zu dominieren, zu eindringlich kommt wiederum der Gesang daher. Düster - wiederum durch den Einsatz des Schlagzeuges, aber auch des Akkordeons - startet "Yap Tap"; im Gegensatz hierzu wirkt die wiederholt vorgetragene Titelzeile fast spielerisch.
"Ain't Salvation", "Move On" sowie "Even" verbindet musikalisch Kirchengeläut - tritt da wieder die Theologin in Erscheinung? Doch letztgenannter Song kommt - nach schrillem Anfang - alsbald als musikalische Ballade daher.
Nicht gerade einfach anzuhören ist "Saffron Knitted Heart": starke Hintergrundgeräusche, vereinzelt atonale Musik/Gesang-Kombinationen, teilweise - durch das ständige Wiederholen eines Wortes - klingt es, als ob eine Schallplatte 'springt'. Aber das Ganze unterstreicht nur den Inhalt des Liedes. Wie angenehm melodisch klingt demgegenüber der wiederum sehr ruhige Schlusssong "Butterfly" über die Metamorphose einer Raupe zu einem Schmetterling. Uuups! Klingt da nicht der Refrain ein wenig nach Silbermond? Egal. Martina Althuber allein mit ihrer Gitarre und ein wenig 'Natur im Hintergrund'; wirklich ein gelungener Ausklang.
Keine Frage: M's Grace hat etwas zu erzählen, ja: etwas zu sagen (ohne gleich predigen zu wollen, wie das manch andere Artgenossin auch ohne Theologiestudium praktiziert!). Und das tut sie auf recht angenehme Art, textlich wie musikalisch. Die Tatsache, dass die wenigsten Songtexte gereimt daherkommen, unterstreicht den prosaischen Ansatz, und der fehlende Zwang der Reimfindung gibt Raum für die passenden Worte. Und da passt einfach alles.
Allerdings: Hier liegen insgesamt 14 Songs vor, die - jeder für sich - wirklich stark sind, jedoch in ihrer teilweise sehr starken Melancholie wenig Abwechslung bieten. Mir wären mehr Titel à la "Refurnish My Heart" lieber gewesen, um mehr Varianz zu dokumentieren.
Nun ja, was den Projektnamen betrifft, präsentiert uns Martina Althuber hier beileibe kein 'Tischgebet'. Ich nehme lieber eine weitere Übersetzungsalternative für 'Grace' , nämlich 'Anmut'. Das trifft die Musik wesentlich besser! Das Ganze ist nahezu perfekt produziert. Und damit meine ich nicht allein die Transparenz des Klangs, sondern auch die 'Nebengeräusche', die die Themen der einzelnen Lieder jeweils gekonnt untermalen. Die CD wird begleitet von einem nett gestalteten Booklet mit sämtlichen Songtexten (wenn auch teilweise nicht besonders gut lesbar), das auch Fotos von den Aufnahmen enthält.
Mein Resümee: Die Musik von M's Grace ist von ihrem generellen Stil her gesehen ganz sicherlich nicht mein persönlicher Favorit. Aber Martina Althuber hat mich mit ihrem Debütalbum mehr als beeindruckt. Um wieviel mehr muss diese CD Freunden ambitionierter Folkmusik gefallen! Offenbar sehr, denn der aktuelle Amazon-Bestseller-Rang liegt bereits bei 16.835 (Stand: 13.9.2011). Kann man nur hoffen, dass dieser als Gradmesser für musikalischen Erfolg sich weiter nach oben entwickelt!
Abschließend noch ein Hinweis: Auf youtube gibt es - typisch Österreich - eine 'Hausmusik-Variante' des Titelsongs "Refurnish My Heart". Aufgenommen in einer Wohnküche, ist es schon erstaunlich, wie teilweise nur mithilfe von Küchenutensilien der Song ebenso professionell dargeboten wird - unbedingt anschauen!
Line-up:
Martina Althuber (vocals, acoustic guitar)
Christine Polacek (vocals, percussion)
Peter Fürhapter (electric bass, upright bass, tenor sax)
Bernd Bechtloff (drums, hang, vocals)
Svilen Angelov (keys and electronics)
Paul Hochrainer (electric guitar )
Miramis Mattitsch (cello)
Martin Sadounik (accordion)
Tracklist
01:As It Is (4:47)
02:Refurnish My Heart (3:41)
03:Until (3:57)
04:Love Visit (4:13)
05:Settle Me (5:17)
06:Yap Tap (4:56)
07:Ain't Salvation (4:21)
08:Move On (3:57)
09:Even (3:33)
10:Mmh Mmh (3:47)
11:Paint (4:56)
12:Hey Dear Mrs Filmer (4:41)
13:Saffron Knitted Heart (5:52)
14:Butterfly (4:40)
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