My Brother The Wind / Twilight In The Crystal Cabinet
Twilight In The Crystal Cabinet Spielzeit: 59:38
Medium: CD
Label: Transubstans Records, 2010
Stil: Jam Band, Psychedelic Rock

Review vom 13.10.2010


Joachim 'Joe' Brookes
Welch ein schöner Bandname: My Brother The Wind. Die schwedische Gruppe besteht aus den beiden Gitarristen Nicklas Barker (Anekdoten) sowie Mathias Danielsson (Makajodrama,
Gösta Berlings Saga). Dazu kommt die Rhythmusabteilung mit Ronny Eriksson am Bass und Schlagzeuger Tomas Eriksson (beide von der Gruppe Magnolia).
"Twilight In The Crystal Cabinet" ist eine einstündige Jam-Session, die aus einer spontanen und ohne Probe aufgenommenen zweistündigen Sitzung zusammengestellt wurde. Am nächsten Tag wurde in entsprechender Geschwindigkeit gemixt und fertig war die Platte. Wer ein Fan dieser Richtung ist, wird hier bestens bedient, ohne am Ende der sechzig Minuten bedient zu sein. Bar eines Korsetts, wusste das Quartett wohl selber nicht, wohin die Reise geht.
Neben Tracks von zehn bis sechzehn Minuten Dauer befinden sich mittendrin auch zwei ganz kurze Stücke, die allerdings ebenfalls hörenswert sind. Beim Titelstück "Twilight In The Crystal Cabinet" ist alles in einer Psycho-Trance-Schwebe. Vielleicht wurde bei dieser Nummer noch länger gejammt, weil am Ende ausgeblendet wird. "Precious Sanity" fällt gegenüber den anderen Stücken völlig aus dem Rahmen. My Brother The Wind befindet sich auf den experimentierfreudigen Pfaden von
King Crimson.
Transformation und Flexibilität scheinen für die vier Schweden das Selbstverständlichste von der Welt zu sein. Die langen Tracks sind gespickt mit Ideereichtum und Gitarreneffekte unterliegen keinem Sparprogramm. Beide Sechssaiter sind fein säuberlich voneinander getrennt auf die zwei Kanäle verteilt, sodass der Hörer bestens in der Lage ist, jegliches Geschehen quasi hautnah mitzuverfolgen.
Ein großes Lob muss man den beiden Erikssons aussprechen. Die haben es wahrlich nicht einfach, den Vorlagen zu folgen. Sie meistern ihre Aufgabe mit Bravour, auch wenn Tomas Eriksson nicht unbedingt der ganz große Trommler vor dem Herrn der Felle ist.
Bei allen Stücken weht der Jam-Wind mit mehr oder weniger viel Beaufort aus den Lautsprechern. Die Sache mit den fließenden Tempiwechseln macht der Vierer ganz geschickt. My Brother The Wind bilden einen Schmelztiegel aus den Sechziger- beziehungsweise Siebzigerjahren und phasenweise werden die Gitarrenergüsse so sehr verfremdet, dass man meint, ein Keyboarder müsse sich doch auch im Line-up befinden.
Aus allen Titeln springt einem die Kreativität der Musiker ins Gesicht. Besonders interessant ist die Gabe, auf feinste Art und Weise alles im Fluss zu halten. Es existieren einfach keine belanglosen Längen. Dafür haben Barker sowie Danielsson einfach zu viel auf dem Kasten. Mehr Direktheit und Spontanität kann man in diesem Genre nicht verlangen und der Hörer wird bestens bedient.
Fast unvermeidlich und richtig schön ist das Abdriften der Band in den Blues Rock mit psychedelischer Prägung. Dieser Stil lässt sich gar nicht an einzelnen Songs festmachen. Wie denn auch, wenn hier frei von der Seele drauflos gejammt wird? So etwas ergibt sich eben aus der Situation heraus.
Einen der Longtracks herauszuheben funktioniert ebenfalls nicht, denn es steckt viel zu viel unterschiedliche Substanz in allen Songs. Bei aller Spielfreude steht die Freiheit der Ideen und Stimmungen an vorderster Stelle. In den ruhigeren Abschnitten sind die vier Künstler psychedelische Romantiker. Aus meiner Sicht steht My Brother The Wind als ein Synonym für frei gespielte Musik. Zu hoffen ist, dass es die Schweden nicht bei diesem einen Album belassen. Aktuelle Informationen deuten darauf hin, dass die Gruppe Anfang des Jahres 2011 wieder ins Studio gehen will. Barker hat vor, dann sein Mellotron mitzubringen. Auch gut!
My Brother The Wind beweist, dass man sehr gut mit Musik ohne vorgegebene Strukturen oder Arrangements überzeugen und unterhalten kann. Auf deren MySpace-Seite gibt es noch mehr Songs, die hier nicht enthalten sind.
Line-up:
Nicklas Barker (guitar)
Mathias Danielsson (guitar)
Ronny Eriksson (bass)
Tomas Eriksson (drums)
Tracklist
01:Karmagrinder (13:47)
02:Electric Universe (10:10)
03:Twilight In The Crystal Cabinet (3:59)
04:Precious Sanity (1:47)
05:The Mournful Howl Of Dawn (13:08)
06:Death And Beyond (16:47)
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