Nits / Urk
Urk Spielzeit: 64:21 (CD 1), 58:53 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: Grammofoonplaten/CBS Records, 1989
Stil: Avantgarde


Review vom 02.06.2009


Joachim 'Joe' Brookes
An und für sich kommt es bei RockTimes aufgrund des Avalanche Quartets, also quasi durch die Hintertür zu einem ersten Review der niederländischen Band The Nits, die irgendwann den Artikel im Bandnamen wegließ.
Die Nits, bereits 1974 gegründet – hey, die feiern ja 35-jähriges Jubiläum – ist Kunst der besonderen Art. Ein Genuss, den man sich, auch mit älteren Platten immer wieder geben kann.
Zeitlos eben!
Natürlich gab es Besetzungsveränderungen. Allerdings vollzogen sich diese in einem beschränkten Rahmen.
Von Beginn an sind als Zentrum des musikalischen Geschehens Henk Hofstede als auch Rob Kloet geblieben.
In den Kinderschuhen der Band steckten die bereits gerade genannten Künstler sowie Michiel Peters und Alex Roelofs. New Wave beziehungsweise Punk war angesagt. Ihr erste Single hatte den Titel "Yes Or No" und 1978 war man mit der Debüt-LP "The Nits" am Start.
Ein Jahr später erschien das zweite Album ("Tent") und zeitgleich begann eine sehr lange Liaison mit Columbia Records.
Nicht von der Hand zu weisen und von unschätzbarem Vorteil für die Musik der Nits ist die Tatsache, dass Hofstede Kunst studierte.
Dieses wird nicht nur durch so manchen Text deutlich oder in Platten- respektive Songtiteln offensichtlich.
Diese Verquickung mündete zum Beispiel in dem Album "Ting", einer akustischen Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Bildhauer Arthur Schneiter und dem ebenfalls aus der Schweiz stammenden Schlagzeuger Fritz Hauser. Für die kammermusikalische CD gebrauchten beide Künstler Steine, die durch den Einsatz eines Hammers zum Klingen gebracht wurden. Bei "Ting" verzichtete man gänzlich auf Gitarren wie auch Drums. Hofstede und Stips spielten Piano, Kloet Percussion.
Zur Jahrtausendwende erschien "Wool".
Mit einer ganzen Phalanx an Gästen, unter anderem dem ZAPP! String Quartet und den Stylus Horns nahm Nits die Witterung des Jazz auf.
Haben sie in ihrer langen Karriere durchaus verschiedene Genres gestreift oder vertieft, sind ein wesentliches Markenzeichen ihrer Musik die unwiderstehlichen Melodien und Arrangements.
Aus zwei Gründen fand das Doppelalbum "Urk" den Weg auf des Rezensenten Schreibtisch.
Erstens, weil es, mit dem damaligen Erscheinungsdatum, nach fünfzehn Jahren Band-Bestehen die erste Live-Platte war und der Doppeldecker zweitens einen vortrefflichen Querschnitt durch ihr Karriere offeriert. Einige Tracks werfen den Blick zurück bis in ihre New Wave/Punk-Zeiten.
Von daher spiegelt "Urk" eine beeindruckende Werkschau der Niederländer. Der Erfolg von "In The Dutch Mountains" mit anschließender Tournee führte die Nits bis nach Russland und die Doppel-CD wurde in Amsterdam, Utrecht sowie Moskau mitgeschnitten. Der Album-Titel hat folglich wenig mit den Austragungsorten zutun. Urk ist ein beschauliches Städtchen am IJsselmeer.
Nun aber zur Musik.
Welche Klasse diese Band hatte/hat, verdeutlicht ein ums andere Mal, Song für Song nicht nur der hervorragende Sound sondern auch die Tatsache, dass Nits in der Lage war, ihre Studio-Arrangements live, wohlgemerkt, im Quartett, perfekt umzusetzen wusste.
Auch wenn man sich mit dem Amsterdam Saxophone Quartet ab und an unter die Arme greifen ließ, ist "Urk" Nits. Da gerade die Holzbläser genannt wurden, sollte man sich die herrlich gestaltete Einleitung zu "Mask", einem Song aus "Adieu, Sweet Bahnhof" anhören und genießen. Piano, Saxofone, ein wenig Keyboards und Hofstedes Stimme. Fertig ist ein tolles Stück Nits-Geschichte.
Aus diversen Zutaten formt man ein avantgardistisch experimentelles "Port Of Amsterdam". Beeindruckend steht dieses Stück für Kunst und Musik. Die Ideenschmiede eines Hofstede ist möge nie erkalten.
Sehr perkussiv, mit schwebenden Keyboards kommt "Bike In Head" daher. Neben Hofstedes Gesang glänzen Bandmitglieder immer wieder auch durch perfekte Backing Vocals. Besonders ist die Bassistin Joke Geraets als Gengenstück zu nennen. Sie musste die Gruppe nach der Tour aus gesundheitlichen Gründen verlassen.
Von "Omsk" stammt eines der wenigen Instrumentals der Gruppe: "Walter & Connie" ist mit treibenden Beats, Keyboards, die Vibrafon-Klänge erzeugen, einem sanften, aber akzentuierten Bass und einer minimalistisch-effektiv gespielten E-Gitarre Großstadt-Hektik pur.
Mit dem obskuren Titel "Under A Canoe" stellt man ein beklemmendes Stück vom Album "Henk" vor.
Wenn es am Ende von Disc 2 zu "Slip Of The Tongue", dem Harp-Einsatz in "Red Shoes" kommt, begibt sich der Vierer auf New Wave-/Post Punk-Pfade und Vergleiche mit XTC sind nicht von der Hand zu weisen.
Selbstredend dürfen Exzerpts aus "In The Dutch Mountains", inklusive des Hits nicht fehlen. Alles hervorragend stimmungsvolle Kompositionen.
Allerdings sollten auch Stücke wie der Opener des Ganzen, das luftige "The Train" aus der Platte "Hats" und das so Nits-typische, niederländich-groovende "Adieu, Sweet Bahnhof" nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Bei einem meiner Lieblinge aus dem Fundus der Band bekomme ich auch heute noch eine Gänshaut: "Sketches Of Spain" gehört zu den Klassikern, zumindest aus meiner Sicht. Opulent vorgetragenes Theater mit seinen wenigen, aber punktierten Kongas.
Großes Kino ist immer noch der Hit mit dem, für die Heimat der Band, abwegig-schrägen Titel über die 'niederländischen Berge', gemeint sind natürlich »buildings«.
Bevor ich bei dieser Doppel-CD zum x-ten Mal dahinschmelze, muss ich Schluss machen.
Ohne Wenn und Aber: ein Meisterwerk, auch was die Bühnendekoration angeht!
Line-up:
Henk Hofstede (vocals, guitar, harp)
Robert Jan Stips (keyboards)
Joke Geraets (double bass, backing vocals)
Rob Kloet (drums)

With:
Amsterdam Saxophone Quartet
Tracklist
CD 1:
01:The Train (3:04)
02:Adieu Sweet Bahnhof (4:58)
03:J.O.S. Days (3:18)
04:Sketches Of Spain (5:00)
05:In The Dutch Mountains (3:35)
06:The Dream (4:24)
07:The Swimmer (5:10)
08:The House (4:00)
09:Two Skaters (7:33)
10:Cabins (3:19)
11:Nescio (5:56)
12:Pelican & Penguin (4:32)
13:Telephone Song (2:37)
14:Dapperstreet (4:58)
CD 2:
01:Port Of Amsterdam (4:18)
02:Bike In Head (4:39)
03:Mountain Jan (4:36)
04:Walter & Connie (3:32)
05:A Touch Of Henry Moore (3:37)
06:The Bauhaus Chair (3:05)
07:Under A Canoe (4:11)
08:Shadow Of A Doubt (3:16)
09:Mask (5:51)
10:Home Before Dark (3:25)
11:The Panorama Man (3:59)
12:Slip Of The Tongue (3:52)
13:An Eating House (4:40)
14:Red Tape (2:18)
15:Tons Of Ink (3:40)
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