North Mississippi Allstars
Electric Blue Watermelon
Electric Blue Watermelon Spielzeit: 60:41
Medium: CD
Label: ATO Records/Cooking Vinyl, 2006
Stil: Southern Blues Rock


Review vom 31.12.2006


Norbert Neugebauer
Das Beste zum Schluss: Mein Album des Jahres!
Im März kam bei uns das fünfte Studio-Album der North Mississippi Allstars heraus, das wiederum für einen Grammy als bestes zeitgenössisches Bluesalbum nominiert wurde. Kollege Manni hatte die Qualitäten der Band bei deren Live-Mitschnitt Hill Country Revue (Live at Bonnaroo) hinreichend gewürdigt und eine klare Kaufempfehlung dafür ausgesprochen. Das gilt genauso und von mir doppelt unterstrichen für den Nachfolger "Electric Blue Watermelon"! Was Heißeres im Bereich Rock und Anverwandtes kam mir heuer nicht in den Player.
Zwar hat sich das Line-up der NMA inzwischen auf die Dickinson-Brothers mit ihrem Basser Chris Crew reduziert, aber dank der vielen Gäste klingt das immer noch sehr jam-mäßig, aufregend, top-aktuell und über weite Strecken 'live'. Luther spielt zweifelsohne eine der aufregendsten Slidegitarren und das nicht nur der jüngeren Generation. Seine Stimme passt hervorragend dazu und auch Crew hat ein sattes Organ. Der beherrscht sämtliche Stile auf seinem Instrument, von treibendem Slap bis zur butterweichen Melodiebegleitung. Und einen kraftvolleren Drummer wie Cody, der den Rhythmus der Marching Bands mit dem Hammer von 'Bonzo' Bonham kombiniert, habe ich in diesem Jahrtausend noch nicht gehört. Dabei dürften die drei Musiker, die seit zehn Jahren zusammen spielen, dem Augenschein nach noch keine Dreißig sein. Sie selbst nennen ihren Sound »World Boogie«, der allerdings 'very southbound' ist.
Der Mississippi ist nicht nur die Heimat des Blues, hier findet auch ganz offensichtlich die Evolution statt. Während weltweit adaptiert, die Tradition gepflegt oder in den meisten Fällen eine Weiterentwicklung nur auf spieltechnischer Basis stattfindet, ist der Big Muddy weiterhin der 'Hot Spot'. Maßgeblichen Anteil daran haben die North Mississippi Allstars und ihr Umfeld, wozu auch einige junge Bands aus dem Schmelztiegel New Orleans beitragen.
"Mississippi Bollweevil", nach dem Original von Charley Patton, ist der Aufreißer mit peitschendem Rhythmus von Codys Monsterschlagzeug und Waschbrettergerassel, schwer pumpendem Bass und der Dobro als Leadinstrument. Sind schon hier bei den Refrains HipHop-Muster unverkennbar, so jumpen die NMA mit dem New Orleans-Rapper Al Kapone schnurstracks und mit politischer Aussage ("No Mo") in die Black Music-Gefilde von heute. Und die Mischung passt! Dass die Jungs auch ihre Punk-Vergangenheit noch nicht ganz abgelegt haben, zeigen sie mit "Teasin' Brown".
Mit "Moonshine" nimmt die Band das Tempo etwas raus, der Gitarrero lässt seine Slide singen und dann ist der Hörer mittendrin in der Party am Ufer des großen Stromes unter dem großen Himmelslampion, der alle kirre macht. Lucinda Williams liefert sich mit Luther auf "Hurry Up Sunrise" ein groovendes Duett und gegen Ende des Songs ist auf einmal auch Dickey Betts (im Geiste) mit von der Partie. Funk- und rapmäßig (und erneuten ABB-Klängen, gemixt mit Riffs des 'Godfathers of Soul' - RIP) geht's mit "Stompin' My Foot" weiter, bevor die NMA mit dem auf satten Rock'n'Roll getrimmten Traditional "Bang Bang Lulu" ein weiteres Fass aufmachen. "Deep Blue Sea" verbindet Gospelfeeling mit erneut feiner E-Gitarre und pulsierenden Trommelbegeleitung.
Bei "Mean Ol' Wind Died Down" gibt's erfrischende Unterstützung von den Tate County Singers, dann marschiert die Dirty Dozen Brass Band aus New Orleans auf ("Horseshoe") und gibt Luther auf seiner Dobro Geleit. Die selbstgebaute Flöte von dem mittlerweile auch verstorbenen Otha Turner läutet mit dem von ihm geschriebenen "Bounce Ball" und der Begleitung seiner Rising Star Fife and Drums das grillenzirpende Finale der US-Veröffentlichung ein. Es ist eine Aufnahme, die draußen auf der Farm der Blues-Legende Turner aufgenommen wurde und im Hintergrund sind die letzten von ihm mitgeschnittenen Worte zu hören.
Doch für den Europe-Release gibt's drei Zugaben, die erfreulicherweise noch einmal ordentlich Dampf machen. "Poor Boy" ist ein satter Bluesrocker aus der Feder des musikalischen NMA-Paten R. L. Burnside. In dem Stil geht's auch mit "A Few Little Lines" von Fred McDowell weiter. Bei "Dragonslayer" ist wohl noch mal ein 'Special Guest'- die Gastbeiträge werden nicht einzeln genannt - am Mikro und lässt die fulminante CD etwas poppiger ausklingen. Produzent von "Electric Blue Watermelon" war erneut Jim Dickinson, Vater der Brüder, selbst Musiker und eine Legende an den Reglern (u.a. Aretha Franklin, Rolling Stones, John Hiatt). Das Team hat es geschafft, die Einflüsse der alten Blues-Master der Mississippi Country Hills und ihres Southern Rock-Umfeldes in einem elektrisierenden Stil zu katalysieren, der weit in die Zukunft weist. »It's loud psychedelic southern folk rock blues«.
Genau, Jungs, das ist es - Great Stuff
Line-up:
Luther Dickinson (guitar and vocals)
Cody Dickinson (drums)
Chris Crew (bass and vocals)

Guests:
Lucinda Williams
Al Kapone
Robert Randolph
Dirty Dozen Brass Band
Otha Turner and the Rising Star Fife and Drums
The Masqueraders
Tate County Singers
and Others
Tracklist
01:Mississippi Bollweevil
02:No Mo
03:Teasin' Brown
04:Moonshine
05:Hurry Up Sunrise
06:Stompin' My Foot
07:Bang Bang Lulu
08:Deep Blue Sea
09:Mean Ol' Wind Died Down
10:Horseshoe
11:Bounce Ball
12:Poor Boy
13:A Few Little Lines
14:Dragonslayer
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