Bud Powell / Paris Sessions Jazz
Paris Sessions Spielzeit: 63:44
Medium: CD
Label: Fantasy / Pablo, 2010
Stil: Jazz

Review vom 19.06.2010


Wolfgang Giese
Earl 'Bud' Powell lebte vom 27.9.1924 bis zum 31.7.1966 und gilt als einer der wichtigsten Pianisten der Jazzgeschichte.
Vielfach ist er als Bindeglied zwischen Art Tatum und Cecil Taylor angesehen worden, also zwischen traditionellem Jazz und Avantgarde/Free Jazz.
Wie dem auch sei, geschult wurde der seit dem sechsten Lebensjahr auf dem Klavier musizierende Powell an klassischer Musik: Chopin, Bach, Debussy.
Der vorgenannte Tatum sowie James P.Johnson sollen seine Vorbilder gewesen sein, sein Lehrmeister wurde Thelonious Monk, den er in 'Minton's Playhouse', wo sich die Bebop-Szene um Charlie Parker und Dizzy Gillespie traf, kennen lernte. Die beiden wurden Freunde.
Parker und Gillespie sollten auch jene sein, mit denen Powell das oft als 'The Greatest Jazz Concert Forever' bezeichnete Konzert in der Massey Hall in Toronto am 15.5.1953 einspielte. Mit dabei waren noch der Bassist Charles Mingus und der Schlagzeuger Max Roach. Eine aus heutiger Sicht absolute Supergruppe!
Doch bereits zuvor kam es zu Schallplatteneinspielungen, ab 1944 war der Pianist regelmäßig im Studio, seine ersten Aufnahmen als Leader waren 1947, mit Curly Russell und Max Roach. In diese Zeit fallen dann auch die ersten tragischen Ereignisse, die das kurze Leben des Musikers fortan bestimmen sollten: Bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei wurden Powell schwere Kopfverletzungen zugefügt, die ihn fortan belasten sollten, Drogen- und Alkoholexzesse brachten ihm Einweisungen in Krankenhäuser und Nervenheilanstalten. Dort vorgenommene Elektroschocktherapien waren letztlich nicht dienlich, sondern eher verschlimmernd.
So nehmen viele Jazzkritiker auch etwa das Jahr 1954 als Wendepunkt in der Kreativität des Pianisten an, und Aufnahmen vor diesem Zeitpunkt werden allgemein als die besseren betrachtet. Dennoch erbrachte eine Übersiedelung nach Paris im Jahr 1959, wo er bis 1964 blieb, einen Aufschwung und bescherte viele neue Kompositionen, von denen einige auf dieser Kompilation dokumentiert sind. Um es gleich vorweg zu nehmen, es sind nicht die besten Aufnahmen des Musikers, auch klangtechnisch lassen einige trotz Masterings für den Hi-Fi-Liebhaber einiges zu wünschen übrig.
Aber, so soll es 1989 der Kritiker Doug Ramsey gesagt haben, »Ob als Solist oder als Begleiter - es gibt keine unwichtigen Platten von Bud Powell, und zwar ganz einfach, weil er Bud Powell war. «
Nun denn, durch die Mithilfe eines französischen Freundes, des Künstlers Francis Paudras, sind diese Aufnahmen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Sie stammen aus dem Zeitraum von 1957 bis 1964, aufgenommen entweder im Studio oder in Pariser Jazclubs (Club Blue Note, Club St.Germain). Dementsprechend ist halt die Klangqualität unterschiedlich.
Sein ansonsten hitziger Sound, der dem Charlie Parkers sehr nahe kam ("The Man Who Translated Charlie Parker To The Piano"), war in Paris merklich gedrosselt, und lyrische und manchmal sentimentale Elemente hielten Einzug. Lediglich auf "Be Bop", "For My Friends" und "Perdido" brannte es dann eher. So, zunächst sind es sechs Studioaufnahmen, im Februar 1963 im Trio eingespielt, die es zu hören gibt. Und tatsächlich - Powell wirkt hier sanfter und entspannter, doch im Ausdruck gibt es keine wesentlichen Einschränkungen.
Den Titel "I Got It Bad And That Ain't Good" würden böse Zungen gar als 'Barmusik' bezeichnen, ja, das Feuer des Bebop fehlt hier.
Den aggressiv-rhythmischen Anschlag früherer Tage und die funkensprühende 'Rechte' gibt es hier nicht. Subtiles und akzentuiertes Spiel steht im Vordergrund, fast meint man die Spielweise Monks wahrzunehmen in ihrem speziellen 'Auslassen', doch das vernehme ich nur ansatzweise. Auf "For My Friends" zieht die Band dann erstmalig richtig das Tempo an, mit "Perdido" geht es so weiter und langsam schienen sie sich warmgespielt zu haben.
So scheint es wohl an den Aufnahmejahren zu liegen, denn im drei Jahren älteren "Get Happy", aufgenommen am 15.6.1960 im 'Club Blue Note', klingt Bud eher so, wie man ihn kennt: spritzig und voll perlender Läufe.
Wunderbar auch immer wieder, wenn der Pianist seiner Ausbildung Rechnung zollt und Elemente der Klassik einfließen lässt - hier auf seinen oft gespielten Titel "Bud On Bach", ein flinkes Intermezzo, bevor das folgende Gillespie-Stück Richtung "Be Bop" abfährt; eine Aufnahme von 1957 aus dem 'Club St.Germain'. Schade, gerade hier ist die Klangqualität nicht die beste.
Mit dem Jahr 1964 und seiner Version des Klassikers "Body And Soul" entlässt uns Powell mit dem Eindruck, sehr gute Musik gehört zu haben, die aber doch den Wunsch laut werden lässt, zu alten Aufnahmen auf Blue Note oder Verve zu greifen. Die Version von "Body And Soul" aus dem Jahr 1950 mit Curly Russell und Max Roach hat wesentlich mehr Ausdruck, ich lausche soeben.
Und - nun muss einer der wichtigen Titel des Künstlers noch her: "Tempus Fugit" aus 1949.
Ja, ein bezeichnender Name, denn die Zeit verging viel zu schnell für Powell.
Line-up:
Bud Powell (piano)
Gilbert Rovere (bass - #1-6)
Kansas Fields (drums - #1-6)
Pierre Michelot (bass - #7-13)
Kenny Clarke (drums - #7-13)
Zoot Sims (tenor sax - #7)
Dizzy Gillespie (trumpet - #9)
Barney Wilen (tenor sax - #9)
Johnny Griffin (tenor sax - #14)
Guy Hayat (bass - #14)
Jacques Gervais (drums - #14)
Tracklist
01:Tune For Duke (Powell) 3:23
02:I Got It Bad (And That Ain't Good) (Ellington-Webster) 5:52
03:Satin Doll (Ellington) 4:42
04:For My Friends (Powell) 4:00
05:Perdido (Tizol) 4:03
06:Rue De Clichy (Powell) 3:36
07:Taking A Chance On Love (Duke-Fetter-Latouche) 9:51
08:Get Happy (Arlen-Koehler) 2:39
09:How High The Moon (Lewis-Hamilton) 3:30
10:John's Abbey (Powell) 2:16
11:Bud On Bach (Powell) 1:04
12:Be Bop (Gillespie) 7:44
13:Crossing The Channel (Powell) 2:33
14:Body And Soul (Heyman-Sour-Eyton-Green) 7:35
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