Ben Fong-Torres
Gram Parsons - Hickory Wind
Hickory Wind Ben Fong-Torres
Gram Parsons - Hickory Wind
269 Seiten, Paperback
Medium: Buch
Erschienen im JSV Jens Seeling Verlag, 2007
ISBN: 978-3-938973-02-8, EUR 16,80

Review vom 09.08.2007


Markus Kerren
»Hey, schon mal von Gram Parsons gehört?« Als Antwort auf diese Frage bekommt man auch heute in der Regel noch ein zögerliches »Aah…Graham…wer???« erwidert.
Ein typisches Beispiel dafür, wie es dem guten Gram außerhalb von Musikerkreisen auch schon zu Lebzeiten sehr häufig widerfahren war. Parsons ist definitv einer jener Künstler, denen erst nach ihrem Tod die Wertschätzung und Ehrerbietung erwiesen wurde, die ihnen schon zu der Zeit ihres aktiven Schaffens zu wünschen gewesen wäre. Bestes Exempel hierfür ist "Hickory Wind", die erste deutschsprachige Biografie über Gram Parsons, für deren Veröffentlichung gerade mal schlappe 34 Jahre seit seinem Tod ins Land ziehen mussten, bis sie endlich erschien. Aber umso froher sollten wir sein, dass sie nun endlich vorliegt.
Ben Fong-Torres, lange Jahre Mitherausgeber des amerikanischen Magazins Rolling Stone, Buchautor, Radiomoderator und auch in dem Film "Almost Famous" zu Ehren gekommen, nahm sich dem kurzen Leben des musikalischen Visionärs Gram Parsons an und beleuchtete es für uns etwas eingehender.
Ingram Cecil Connor wurde am 03. November 1946 in eine der reichsten Familien Floridas hineingeboren und verbrachte eine behütete, sorgenfreie und glückliche Kindheit. Er hatte sogar die Möglichkeit, sein absolutes Idol, Elvis Presley, von dem er besessen war, nach einer dessen Shows kurz zu treffen. Glücklich war er bis zu dem Tag, an dem ihm als Elfjährigen so schonend wie möglich beigebracht wurde, dass sein Vater sich das Leben genommen hatte. Ein schwerer Schlag für den Heranwachsenden.
Die folgenden Jahre verlaufen ansonsten angenehm für Gram und er hat sowohl viele Freunde, als dass er auch beim weiblichen Geschlecht sehr hoch im Kurs steht. Bereits an vorderster Front in seinen ersten Bands aktiv, sieht eigentlich alles sehr rosig für den mittlerweile von seinem Stiefvater Bob Parsons adoptierten Teenager aus. Bis zum Morgen der Feier seiner Schulabschlussklasse, als der 16-jährige erfährt, dass seine Mutter aufgrund chronischen Alkoholmissbrauchs soeben verstorben war.
Gram macht komplett 'zu' und Freunde wundern sich, wie gelassen er scheinbar mit dem Tod seiner Mutter umgeht. Tatsächlich, und das wird beim aufmerksamen Lesen dieser Biografie deutlich, hat sich Parsons jedoch sein gesamtes restliches Leben nicht von dem Verlust seiner Eltern erholt.
Gram stürzt sich mit allem was er hat in seine Musik: Frauen, Alkohol und Drogen. Das erste ernstzunehmende, und außerdem sehr erwähnenswerte musikalische Ergebnis war das Album "Safe At Home" der International Submarine Band, das, so stark und genreübergreifend es auch war und ist, jedoch wie Blei in den Regalen der Plattenshops liegenblieb. Gram war es relativ egal, war er doch gerade brandneues Mitglied bei den Byrds geworden. Und ganz nebenbei übernahm er in der ansonsten von Roger McGuinn geführten Band innerhalb kürzester Zeit das Ruder und führte diese durch die Aufnahmen zu dem Album "Sweetheart Of The Rodeo". Der Longplayer verkaufte sich damals sehr bescheiden und war deshalb eine Katastrophe für die Byrds, wird heute aber als eines der wichtigsten Rockalben der Musikgeschichte angesehen.
Als Gram in England mit Keith Richards und Mick Jagger zusammentrifft und diese ihm auf seine Nachfrage erzählen, dass in Südafrika ein strenges Apartheitsregime herrscht, beschließt er, die Tour der Byrds in diesem Land nicht mitzumachen und stattdessen mit seinem 'Partner In Crime', Keith Richards, abzuhängen, was natürlich einem Rauswurf bei den Byrds gleichkam. Aber Gram hatte sowieso schon neue Pläne und formierte kurze Zeit später The Flying Burrito Brothers, mit denen er zwei Alben aufnahm.
"Hickory Wind" erzählt Gram Parsons Geschichte spannend und flüssig. Eine Geschichte, die mit Sex & Drugs & Rock'n'Roll vollgepackt ist, fast ein Blueprint dafür, wie man sich das Leben als Rocker so vorstellt. Über weite Teile lässt sich der Autor über die Schwächen in Parsons Charakter (Unzuverlässigkeit, Fahrigkeit, Alkohol, Drogen) aus, die schon mal das Gefühl vermitteln können, dass man es mit einem verwöhnten, arroganten und skrupellosen Sonnyboy zu tun hat. Ein Eindruck, den er gegen Schluss des Buches dann aber doch, zumindest was Grams musikalischen Gehalt und dessen Bedeutung betrifft, ganz stark revidiert.
Nichts auszusetzten hat er (außer dem tatsächlich nicht sehr gelungenen zweiten Flying Burrito Brothers-Album "Burrito De Luxe") an der Musik von Gram Parsons und rückt dessen Bedeutung am Ende dann doch ins richtige Licht. Gar keine Kritik äußert er an den beiden Solo-Alben
GP und Grievous Angel, die Parsons mit der damals völlig unbekannten Emmylou Harris als Gesangspartnerin aufnahm.
Ich will hier nicht die gesamte Geschichte vorwegnehmen, möchte aber noch erwähnen, dass das kurioseste Ereignis in Gram Parsons bunter und ereignisreicher, wie auch trauriger Geschichte, erst nach seinem Tod am 19. September 1973 in einem Motelzimmer in der Wüste Joshua Tree, stattfand. Zu dieser Nacht gibt es bis heute jede Menge offener Fragen und widersprüchliche Aussagen.
Gram Parsons wurde nach seinem Tod mit sehr vielen Preisen und Auszeichnungen bedacht, war damals seiner Zeit aber schlicht und ergreifend zu weit voraus. Das bewegendste und schönste an diesem Buch sind aber die Interviews, die Keith Richards und Emmylou Harris für diese Biografie gaben. Keith macht keinen Hehl aus der Tatsache, wieviel er von Parsons gelernt hat und Emmylou…sagen wir mal, sie hat sehr viele Jahre damit zugebracht über den Tod von Gram hinwegzukommen und sogar wenn man heutzutage Interviews mit ihr sieht und dieses Thema angesprochen wird, kann man ihr den Schmerz sprichwörtlich immer noch ansehen.
Emmylou Harris hat seit ihrem eigenen Solo-Debüt "Pieces Of The Sky" von 1975 (ein allererster Versuch vor ihrer Zeit mit Gram im Jahr 1969 war untergegangen) den erfolgreichen Versuch gestartet, Gram Parsons Musik am Leben zu erhalten und speziell bis in die frühen achtziger Jahre (und sie macht das auch heute noch) war auf fast jedem ihrer Alben mindestens ein Song, den Gram davor schonmal mit, oder ohne sie aufgenommen hatte, vertreten. Aber lest es selbst...
"Hickory Wind" ist eines dieser Bücher, bei denen man beim Lesen überhaupt nicht bemerkt, wie die Minuten und gar Stunden verfliegen. Und von dem Buch mal abgesehen, möchte ich jedem, der sich immer schon mal gefragt hat, wo der Country-Rock eigentlich herkam, die Alben "Safe At Home" der International Submarine Band, "The Gilded Palace Of Sin" von den Flying Burrito Brothers, "Sweetheart Of The Rodeo" von The Byrds und die Gram Parsons Solo-Alben "GP", "Grievous Angel" sowie "Gram Parsons And The Fallen Angels, Live 1973" ans Herz legen.
Natürlich muss man Gram Parsons und seine Musik nicht mögen, aber ich lehne mich sicher nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass, wenn die Musik und Grams Stimme mal bei einem geklickt haben, sie einen für den Rest des Lebens nicht mehr loslassen.
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