Jon Flemming Olsen / Immer wieder weiter
Immer wieder weiter Spielzeit: 44:04
Medium: CD
Label: 105 Music, 2014
Stil: Country & More


Review vom 28.01.2014


Steve Braun
Freunde der NDR-Kultserie "Dittsche" haben sich sicherlich den 31. Januar 2014 ganz dick in ihrem persönlichen Eventkalender angestrichen. Jon Flemming Olsen bringt an diesem Tag sein erstes Soloalbum heraus. Wenn man den sympathischen Hanseaten jetzt als Ingo in die Blödelecke stellen würde, wäre dies sträflicher Unfug. JFO ist ein richtig toller Musiker, was er als Gründungsmitglied eines der wenigen deutschen Country-Lichtblicke, Texas Lightning (ich sach' nur Olli Dittrich und 'Krank-Prixx'), eindrucksvoll unter Beweis stellen konnte. Als 'The Flame' war er bis zu seinem Ausstieg 2009 eines der Aushängeschilder, was ihm - man höre und staune - die Ehrenbürgerschaft des US-Bundesstaates Texas einbrachte.
Gut, ein wenig Profit schlug Jon Flemming Olsen dann doch aus seiner Rolle als TV-Wurstbrater. Mit dem "Fritten-Humboldt" präsentierte er einen 'Gourmetführer' durch die Imbissbuden der Republik und wurde damit aus heiterem Himmel zum Bestsellerautor. Aber - mit Verlaub - sehr viel glaubwürdiger scheint es, den Ingo in den Schrank zu hängen, sich wieder eine nette kleine Band zusammenzustellen und auf das zu konzentrieren, was er am besten kann: Countrymusik machen!! Und nun, liebe Leute, kommt folgerichtig mein erster Tipp des noch jungen neuen Jahres!
Jon Flemming Olsen legt mit seinem Debüt "Immer wieder weiter" ein hochpersönliches, emotionales Album vor und gewährt somit weit mehr als nur einen kurzen Blick hinter die Kunstfigur Ingo. Hälftig wurde es mit neu betexteten Coverversionen bestückt, die sich hervorragend mit den Eigenkompositionen ergänzen.
"Daydream" von Lovin' Spoonful ist eher eng am Original gehalten, während die Clash-Nummer "Soll ich bleiben oder gehn" ("Should I Stay Or Should I Go") mit ihrem Bluegrass-Touch geradezu umwerfend 'anders' ist. Zum Brüllen komisch wurde der Discohit "Blame It On The Boogie" (The Jacksons) in "Deine Mutti" umgetextet - besser als dieser Bluegrass-Stomp wurde dieser Song noch nie interpretiert! Was uneingeschränkt auch für "Morgengrauen" ("Golden Brown") gilt: Ganz zauberhaft ist dieser Stranglers-Hit im 6/8-Takt umarrangiert worden. Dem schmalzigen The Cars-Tränendrüsendrücker "Drive" pustet Jon Flemming Olsen die Spinnweben aus der Rille,
Glen Campbells Country-Evergreen "Gentle On My Mind" (hier heißt er "Das wird immer sein") ebenfalls.
Sein Meisterstück im Cover-Metier liefert Jon Flemming Olsen allerdings mit Ballroom Blitz ab. Eine spritzig-ironische Abrechnung mit allen 'Fratzenmachern' dieser Welt... »Ich bin der Karl-Heinz Schmitz!« Seit Monaten nicht mehr derart Tränen gelacht... Wie dieser Glamrocker in ein schmissiges Country-Gewand transferiert wird, ist der absolute Knüller - die natürliche Single von "Immer wieder weiter"!
Wer allerdings nach dieser fulminanten Eröffnung gedacht hatte, es würde auf "Immer wieder weiter" nun munter (immer wieder) weitergeblödelt, der hat sich hoffnungslos auf dem Holzweg verfranst. Nein, der Titel ist Programm - bloß nicht stehenbleiben, Mann!! Olsen sind Lieder vom Aufbruch zu neuen Ufern gelungen, lädt zur Einkehr in seine Gedanken- und Seelenwelten ein. Mal tut er dies verschmitzt mit dem Schalk im Nacken um die Ecke guckend, mal verträumt und gedankenverloren, mal introvertiert-distanziert, wobei allerdings zumeist die nachdenklichen Momente überwiegen. Reichlich emotionales Treibholz hat das Leben dem Küstenbewohner Olsen beschert. Tiefsinnig, aber nie grüblerisch, bilanziert er und macht sich auf den Weg... seinen Weg... immer wieder weiter...
Mal sieht man die Tränen ("Ich seh sie"), mal das Zwinkern ("Schlechte Welt") im Augenwinkel und erhält verblüffend offene Einblicke in Olsens 'kleine Welt'. Der Fingerpicker klopft sein 'musikalisches Manifest' ans schwarze Brett ("Der Picknicker") und markiert gleichzeitig seinen Abschied von Kindheitsträumen ("Nicht Amerika").
Auch wenn die humorvollen Schenkelklopfer möglicherweise - nee, ganz sicher - für die größten Brüller ("Karl-Heinz Schmitz", "Deine Mutti") sorgen werden, es sind diese persönlichen Stromschnellen, Tiefen und Untiefen der Gefühlswelt, die den Reiz von "Immer wieder weiter" ausmachen!
Wie gut dieser Schritt in eine neue musikalische Zukunft von Jon Flemming Olsen durchdacht war, lässt sich an dem ebenso liebevoll-sorgsam wie optisch ansprechend gestalteten Digipak ablesen, das mit vielen Fotos aus seinem Privatarchiv gestaltet wurde. Eine derart professionelle Pressemappe kommt einem ebenfalls nur alle Schaltjahre mal auf den Schreibtisch. Akribisch haben Olsen und sein beratendes Umfeld offenbar diesen Schritt in die Solokarriere geplant. Dabei hat man trotzdem immer das Gefühl, dass hier eine 'gewachsene' Band musiziert, derart 'dicht' ist der Sound auf allen vierzehn Songs. Olsen ist vielleicht das Aushängeschild, aber ganz offensichtlich ein teamorientierter Mannschaftsspieler.
Um die Lobeshymnen für "Immer wieder weiter" auf den Gipfel zu treiben und gleichzeitig bilanzierend auf den Punkt zu bringen: Jon Flemming Olsen setzt mit diesem Debüt ein ganz dickes Ausrufezeichen, tritt aus dem langen Schatten von Texas Lightning heraus, hängt den Ingo an den Nagel und startet sein eigenes Ding auf derart überzeugende Weise, dass es einfach nur gelingen kann. Kauft euch das Ding, Leute. Es lohnt sich!!
Line-up:
Jon Flemming Olsen (Gesang, Mandoline Akustikgitarre, Lapsteel, Kazoo, Chor, gesamte Perkussion)
Markus Schmidt (Banjo, Ukulele, Akustik- und E-Gitarre)
Laurens Kils-Hütten (Kontrabass, Chor)

Gastmusiker:
Anne de Wolff (Geige - #8)
Hagen Kuhr (Cello - #8)
Nils Tuxen (Dobro - #12)
Stephan Gade (Chor - #4,10)
Tracklist
01:Karl Heinz Schmitz [The Ballroom Blitz] (3:14)
02:Tage, da träum ich [Daydream] (2:21)
03:Soll ich bleiben oder gehen [Should I Stay Or Should I Go] (2:51)
04:Der Picknicker (3:28)
05:Deine Mutti [Blame It On The Boogie] (3:10)
06:Einfach glücklich (3:26)
07:Morgengrauen [Golden Brown] (3:04)
08:Ich seh sie [Crazy] (3:44)
09:Nicht Amerika (2:52)
10:Nicht nach Haus [Drive] (3:12)
11:Bis der Morgen das Dunkel zerbricht (3:01)
12:Schlechte Welt (2:38)
13:Das wird immer sein [Gentle On My Mind] (3:34)
14:Tanz durch den Müll (3:29)
Externe Links: