Ohrenfeindt / 24.10.2013, Colos-Saal, Aschaffenburg
Rocktimes Konzertbericht
Ohrenfeindt
Colos-Saal, Aschaffenburg
24. Oktober 2013
Konzertbericht und Interview
Stil: Deutschrock


Artikel vom 01.11.2013


Holger Schwendemann
Es ist der 24.10.13 und Ohrenfeindt wagt sich wieder in meine abendliche Reichweite. Klar, dass ich die Arbeit etwas früher beendete und mich mit einem Freund auf den Weg nach Aschaffenburg in den Colos-Saal machte. Umso mehr freute es mich, dass Chris Laut sich bereit erklärt hatte, sich vor dem Auftritt mit mir über die aktuelle Situation von Ohrenfeindt zu unterhalten.
Wie es sich für ordentliche Rocker gehört, tranken wir je eine heiße Schokolade, einen Milchkaffee und einen Früchtetee mit Honig (Chris).
RockTimes: Das neue Album Auf die Fresse ist umsonst stieg auf Platz 35 der Album-Charts. Was bedeutet das für Dich?
Chris: Ich bin wahnsinnig stolz und freue mich, dass unsere Musik den Leuten gefällt. Bisher haben wir uns immer weiter entwickelt und Platz 35 ist ein riesiger Erfolg. Ich bedanke mich bei allen Fans für die tolle Unterstützung!
RockTimes: Flash Ostrock und Dennis Henning, die ja beide schon lange bei Ohrenfeindt waren, sind nicht mehr dabei. Warum?
Chris: Ich wollte musikalisch in eine andere Richtung gehen. Flash und Dennis waren nicht bereit, diesen Weg mit mir zu gehen. So einfach ist das.
RockTimes: Das neue Album klingt wirklich anders. Ich finde es abwechslungsreicher und noch tiefsinniger als die vorangegangenen Scheiben. Die Passage »Auf die Fresse ist umsonst, den Rest muss Du bezahlen« finde ich persönlich der absolute Hammer.
Chris: Danke. Es freut mich, wenn es Dir gefällt (lacht). Der Spruch hängt in den Kneipen, in denen ich mich rumtreibe an der Wand. Klar, dass man so etwas verwenden muss. Schön, dass Dir das abwechslungreiche Material gefällt. Manche Fans werden wohl die Hau-Drauf-Nummern vermissen. Ich wollte aber bewusst zeigen, dass Ohrenfeindt mehr kann, als nur straigthen Rock. Wir klingen eben nicht nur wie eine deutsche AC/DC-Band, sondern können auch anders.
RockTimes: Das ist Euch gelungen! Kommen wir zu den Texten. Ich finde sie klasse. Du hast die Gabe, das Thema ohne viele Umschreibungen auf den Punkt zu bringen. Und noch wichtiger. Man nimmt es Dir ab. Wie kommst Du auf die Ideen für Texte?
Chris: Oha. Das ist aber ein Kompliment! Vielen Dank! Der Prozess des Schreibens ist schwer. Man setzt sich nicht einfach hin und schreibt einen tollen Text. Manchmal hat man eine Idee und kommt nicht weiter. Zwei Wochen später klappt es dann fast von alleine. Andere Texte entstehen spontan und sind innerhalb von wenigen Minuten fertig. Ich lasse mich vom Leben inspirieren.
RockTimes: Kommen wir zurück zum Personal bei Ohrenfeindt. Gibt es im Moment eine feste Besetzung? Auf der neuen Platte sind ja mehrere Musiker zu hören. U. a. der ehemalige Ohrenfeindt-Schlagzeuger Stefan Lehmann (Torfrock), Micky Wolf, Bastian Wulff, Henny Wolter und Jörg Sander. Alles nicht gerade Unbekannte in der Szene. Wie sieht die Zukunft aus?
Chris: Im Moment besteht Ohrenfeindt aus mir, Thorsten Mewes (Die Happy) und Andreas Rohde. Aber gerade heute Abend ist Thorsten nicht mit am Start. Ich darf Dir verraten, dass Henny Wolter (Nitrogods, Ex-Thunderhead, Ex- Primal Fear) einspringt. Wie sich das in Zukunft weiter entwickelt, werden wir sehen. Mit Thorsten muss man die Termine gut absprechen, damit wir uns terminlich nicht mit Die Happy überschneiden. Ich bin stolz darauf, dass mich die Musiker, die Du genannt hast, bei der neuen Platte so toll unterstützt haben. Dass ein Jörg Sander ein Solo beigesteuert hat, ehrt mich. Auch Stefan Lehmann hat sofort und problemlos seine Hilfe angeboten. Viele eingefleischte Ohrenfeindt-Fans haben beim Hören der CD Stefan schon an seiner Spielart erkannt, obwohl sie nicht wussten, dass er mitspielt.
RockTimes: Und wie kam Andi (Andreas Rohde) zur Band?
Chris: Ich habe ihn in Hamburg und Umgebung mehrmals gesehen. Wir kamen ins Gespräch und schon war es passiert. Er ist ein junger, toller Schlagzeuger. Es macht echt Spaß mit ihm. Wir schauen mal, wie wir auf Dauer zusammenpassen.
RockTimes: Davon werde ich mich jetzt überzeugen. Gleich geht es los. Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast!
Chris: Sehr gerne!
Ohrenfeindt So. Jetzt schnell den Michkaffee bzw. die heiße Schokolade, die schon nicht mehr so heiß war, hinunterstürzen und rüber in den Saal.
Zehn Minuten später geht es auch schon los. Und zwar mit dem Titelsong "Auf die Fresse ist umsonst". Mitten im Lied haut mir mein Kumpel in die Seite und zeigt mir seine beiden Arme. Und was sehe ich? Eine hammermäßige Gänsehaut! Später hat er mir gesagt, dass es mit dem ersten Akkord los ging und er eine Dauergänsehaut hatte. Wenn das mal nicht ein guter Start ist!
Die Nummer ist aber auch wirklich der Hammer!
Direkt danach der bisherige Opener "'N Job in der Bank", gefolgt von "Rock'n'Roll Mädchen" und "Mit Vollgas und Blaulicht".
Ohrenfeindt rockt! Super Sound, tolle Songauswahl und ein spielfreudiges Trio. Natürlich hört man an einigen Stellen, dass Henny Wolter noch nicht 100%ig eingespielt ist. Nach dem Konzert sagt er zu mir: »Wir haben uns nur kurz in Hamburg getroffen, um uns abzustimmen. Nun stehe ich hier und spiele das ganze Set«. Mir fällt dazu nur eins ein: Respekt und Hut ab! Zumal ich behaupte, dass den meisten die klitzekleinen Unstimmigkeiten gar nicht aufgefallen sind. Ganz die Profis, wird dies locker umspielt und zur Not reicht ein kurzer Blickkontakt, um sich abzustimmen.
Schade fand ich, dass Henny nicht so im Rampenlicht stand wie Chris. Die Soli, vor allem die bluesigen Bottleneck-Parts haben mir sehr gut gefallen!
Ohrenfeindt Weiter ging es mit "Rock'n'Roll Show" vom neuen Album und "Ein allerletztes Mal". Danach "Rock'n'Roll Sexgöttin", erneut von der aktuellen Scheibe. Die neuen Sachen passen super ins Programm.
»Doch ich geh zu St.Pauli und du zum HSV. Wir lassen Fußball Fußball sein und sind schlicht Mann und Frau«. Er hätte Diplomat werden sollen, der liebe Chris. Ein Stück zu schreiben, in dem es unter anderem um den HSV und St. Pauli geht, ist schon gewagt.
Die Songs fliegen den Fans nur so um die Ohren und der gut gefüllte Colos-Saal rockt! Nach "Kalter Kaffee" kommen der "Prokrastinations Blues" und "Alles oder nichts". Danach "Schwarz auf Weiss" und "Jetzt oder nie". Dieses Lied gefällt mir persönlich mit am besten, weil es nicht nur wahnsinnig rockt, sondern auch textlich zu meinen Favoriten gehört. Ein richtiges Motivationslied. Hut ab!
Kein Durchschnaufen, kein Ausfall, tolle, sympathische Ansagen und viel Spaß! Das macht ein Ohrenfeindt-Konzert aus. Ich habe den Eindruck, dass die restlichen Fans ähnlich denken. Denn jedes Lied wird mitgesungen und Chris muss gar nicht viel tun, um die Menschen aus der Reserve zu locken.
Auf "Motormädchen" folgt dann mein All-time Lieblingsstück: "Sie hat ihr Herz auf St.Pauli verloren". Spätestens jetzt konnte auch ich meine hammermäßige Gänsehaut präsentieren. Wer den Gänsehaut-Wettbewerb gewonnen hat, ist schwer zu sagen.Wir hatten leider kein Messgerät dabei.
Ohrenfeindt Der Brüller des Abends kam während der Ansage zu "Strom", als Chris das Publikum fragte »Was ist die Wurzel des Rock'n'Roll?«. Spontan rief jemand aus dem Publikum »Appelwoi!«. Da verlor sogar Chris die Fassung und musste lautstark lachen.
Andreas Rohde, der bisher brav die Haare zusammengebunden hatte und jedes Lied sauber mit dem nötigen Druck unterlegte, öffnete seine Mähne und ließ hinter dem Schlagzeug die Haare fliegen.
Nach dem Konzert hat er auf meine Frage, was er denn sonst noch mache geantwortet: »Ich spiele auch noch in einer Black Metal-Band (Plenty Of Nails). Zu meinen Lieblingsbands gehören: AC/DC, Judas Priest, Korpiklaani, Manowar, Blues Brothers, Hammerfall, Jethro Tull, Turisas, Ensiferum,
Adorned Brood, Steel Dragon....«

OK..... Ein richtig vielseitiger Junge!
Zurück zum Konzert:
Die Ballade "Durch die Nacht" hat absolut Hitpotential. Auch live ist das Lied ein Knaller. Es folgt "Parasit" incl. des Harp-Solos von Chris und "Zu jung, zu schnell", danach ist erstmal Pause. Doch recht schnell wird die Band vom tollen Publikum lautstark zurückgerufen.
Es folgen "Rock'n'Roll Sexgott" und "Zum Rocken geboren". Die Gitarre von Henny klingt richtig gut und das satte 'E' kommt richtig fett aus den Boxen. Wer hier nicht mitgerissen wird, dem kann man auch nicht helfen. Mit "Ohrenfeindt" wurden bisher alle Konzerte beendet, die ich besucht habe. Doch schon vor dem Auftritt, beim Interview, hat mir Chris gesagt, dass "Heim" der letzte Song sein wird.
Das hat mich zuerst überrascht. Eine Ballade, bei der sich Chris selbst mit der Gitarre begleitet, soll der Abschluss sein? Klingt gewagt. Im Nachhinein fand ich es sehr gelungen. "Heim" handelt von den Bundeswehrsoldaten, die ihren Dienst in Afghanistan leisten. Chris selbst war vor Ort im Bundeswehrlager und hat sich inspirieren lassen. Heraus kam eine sehr gefühlvolle Ballade, die letztendlich auch ein schöner, ruhiger Abschluss dieses Konzertes war.
Ohrenfeindt Alles in allem haben Ohrenfeindt 22 Stücke gespielt. Mir persönlich haben "Valerie" und "Harley-Luja" gefehlt. Aber ich bin ja nicht auf einem Wunschkonzert.
Das zeigt aber auch, dass Ohrenfeindt mittlerweile auf ganz viele, großartige Lieder zurückgreifen können. Ein Hit jagte den nächsten. Was will man als Zuschauer/Zuhörer mehr?
Mein Kumpel und ich waren total begeistert und auch nach dem Konzert hatten wir kurz die Gelegenheit mit allen drei Musikern zu sprechen.
Henny Wolter erfuhr von uns, dass wir beide ihn am 27.6.1989, damals noch als Gitarrist bei Thunderhead, im Vorprogramm von Motörhead gesehen haben. Wir drei waren uns einig, dass wir uns seitdem nicht verändert haben und immer noch so jung und gut aussehen, wie damals.
Andi Rohde genoss das Gespräch mit den Fans und er, Chris und auch Henny schrieben fleißig Autogramme, bis jeder Fan zufrieden war.
Das war Vollgasrock aus St. Pauli und wenn Ohrenfeindt erneut in meiner Homezone auftauchen, werde ich wieder in der ersten Reihe stehen.
Ich finde es klasse, dass es solche Bands wie Ohrenfeindt gibt, die auch mit deutschen Texten erfolgreich sind. Ohrenfeindt ist für mich definitiv eine der besten deutschen Bands und das Schöne an der ganzen Sache ist: Sie werden von Mal zu Mal besser! Wer bisher noch nicht auf einem Ohrenfeindt-Konzert war, hat definitiv etwas verpasst!
An dieser Stelle noch einmal vielen, herzlichen Dank an Chris Laut, Henny Wolter und Andi Rohde für die informativen Gespräche und für die Zeit, die ihr Euch genommen habt.
Line-up:
Chris Laut (bass/vocals/harp)
Henny Wolter (guitar)
Andreas Rohde (drums)
Setlist
Auf die Fresse ist umsonst
'N Job in der Bank
Rock'n'Roll Mädchen
Mit Vollgas und Blaulicht
Rock'n'Roll Show
Ein allerletztes Mal
Rock'n'Roll Sexgöttin
Kalter Kaffee
Prokrastinations Blues
Alles oder nichts
Schwarz auf Weiß
Jetzt oder nie
Motormädchen
Sie hat Ihr Herz an St. Pauli verloren
Strom
Durch die Nacht
Parasit incl. Harp Solo
Zu jung, zu schnell

Zugabe:
Rock'n'Roll Sexgott
Zum Rocken geboren
Ohrenfeindt
Heim
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