Wir wollen länger spielen als die Rolling Stones
Holger mit János Kóbor
Beständigkeit ist in unserer schnelllebigen Zeit kaum noch normal, deshalb darf sich János Kóbor auf seine stolzgeschwellte Brust klopfen, dass er es mit seiner Band Omega inzwischen auf fünfzig Jahre Bandgeschichte gebracht hat. Somit zieht das Quintett mit den Stones gleich und hat für das kommende Jahr eine kleine Überraschung mit Jagger und Co. in der Rückhand.

Foto: ©Sabine Kundmüller


Interview vom 16. April 2012


Holger Ott
Die Bands, die ich kenne und schon fast so alt sind wie ich, kann ich locker an einer Hand abzählen. Spontan fallen mir dazu nur die Beach Boys, die Rolling Stones und Omega aus Ungarn ein. Das die Fünf aus Budapest auch in diesem erlauchten Kreis sind, war mir eigentlich überhaupt nicht bewusst, denn ich bin erst Mitte der siebziger Jahre auf die Band aufmerksam geworden, als sie mit "The Hall Of Floaters In The Sky" und "Time Robber" zwei sehr erfolgreiche Alben hatten, die ich mir damals sofort zulegte. Danach wurde es leider wieder etwas ruhiger um die Ungarn. Der Eiserne Vorhang war ja noch dicht geschlossen und somit drangen ihre Projekte nur Häppchenweise in den Westen. Umso größer ist meine Freude die Band in diesem Jahr, nach sechs Jahren Abstinenz, in Berlin zu sehen, und das aus dem besonderen Anlass ihres fünfzig Jährigen Bestehens. Am 17. August werden sie in der Berliner Zitadelle Spandau in Begleitung eines klassischen Orchesters ihre größten Hits zum Besten geben und selbstverständlich wird RockTimes dabei sein.
Vorab hatte ich die Gelegenheit mich mit dem dienstältesten Mitglied, Sänger János Kóbor, in der Berliner Kulturniederlassung der Ungarn, dem Collegium-Hungaricum in Mitte, zu unterhalten. Begleitet wurde ich dabei von Sabine Kundmüller, die einmal mehr für die tollen Bilder verantwortlich ist.
János KóborDas Ambiente, in diesem nüchternen Betonklotz, ist eher schlicht. Kühle Räume, die alles Mögliche ausstrahlen, nur keine Gemütlichkeit. Wir sind in so was wie der Mensa verabredet, in der anscheinend auch mal ein Konzert stattfindet. Jedenfalls ist der Raum neben einem Tresen, sowie Tischen und Stühlen, mit einem schwarzen Flügel und einem kleinen Schlagzeug ausgestattet. Vor uns ist eine junge Dame einer großen Illustrierten an der Reihe, und zu meiner Überraschung höre ich das Gespräch in Deutsch. Natürlich wirft das spontan alle meine Vorbereitungen über den Haufen, aber um so besser, kann ich dadurch János Kóbor viel besser auf den Zahn fühlen.
RockTimes: Ich bin heute zu Gast im Collegium-Hungaricum und an meiner Seite ist János Kóbor, Sänger und ältestes Mitglied von Omega. Herzlich willkommen in Berlin. Ich freue mich, dass wir uns auf Deutsch unterhalten können. Wie kommt es, dass du die Sprache so gut sprichst?
János: Wir können uns auch gerne in Ungarisch unterhalten. Das hat eine sehr lange Zeit gedauert. Wir sind früher sehr oft in der ehemaligen DDR aufgetreten und weil wir viele Kontakte zu Deutschen hatten, musste ich irgendwann die Sprache lernen um zu verstehen was die Leute von uns wollten.
RockTimes: Ich möchte dich erst einmal zu eurem 50-jährigen Bandjubiläum beglückwünschen. Wie ich weiß, begeht ihr die Feier mit einem großen Konzert und Fest in Budapest.
János: Im Rahmen unseres Jubiläums werden wir auch in ganz Europa spielen, hauptsächlich in den Städten, in denen wir während all der Jahre besondere Erfolge hatten, oder andere Erinnerungen.
RockTimes:János Kóbor Außergewöhnlich ist es auch, dass in der Band über die lange Zeit nach wie vor die gleichen Musiker spielen. Sicherlich werdet ihr auch darauf stolz sein.
János: Natürlich sind wir stolz darauf, aber es ist auch nicht immer ganz einfach. Über die lange Zeit gibt es schon mal Probleme untereinander. Zum Glück können wir stets darüber reden und somit kommen wir immer damit klar. Wenn wir dann am Ende auf die Bühne gehen, dann ist alles wieder gut und wir haben immer noch unseren Spaß. Bei Omega ist alles ein Teamwork, da müssen auch mal verschiedenen Meinungen sein. Wir diskutieren darüber und somit können wir alle Probleme beheben.
RockTimes: Ich bin auf euch aufmerksam geworden, als ihr "Time Robber" veröffentlicht habt. Ihr seid ja eine Band aus dem Ostblock und hattet damit plötzlich einen riesigen Erfolg im Westen. Wie schwer war es für euch, hier Fuß zu fassen?
János: Das war für uns fast unmöglich. Einmal war es schwierig aus der DDR rauszukommen, und aus Ungarn war es nur ein kleines bisschen leichter, aber nicht viel. Die Politiker haben uns immer Steine in den Weg gelegt. Wir mussten immer einen Plan vorlegen, wenn wir im Westen spielen wollten und jedem hat es nicht gepasst. Wir hatten Glück, dass wir in Ungarn bereits sehr erfolgreich waren, das hat uns geholfen. Aber dann im Westen zu spielen und Erfolg zu haben, war fast unmöglich. Wir hatten hier kein Management und keine Plattenfirma. Erst 1975 haben wir mit Bellaphone eine Firma gefunden, die unsere vierte Platte zum Erfolg geführt hat und somit war es dann in Westeuropa deutlich leichter für uns. Wir durften dann auch überall in Europa spielen, wie in der Schweiz oder der Bundesrepublik. Zwar war alles nicht so groß wie bei den Stones oder anderen großen Bands, aber wir konnten schon zufrieden sein.
RockTimes: Habt ihr damals daran gedacht im Westen zu bleiben?
János: Ja, natürlich haben wir daran gedacht. Wir haben damals zusammen mit den Scorpions gespielt. Die sind ja in etwa zur selben Zeit wie wir, Anfang der Siebziger, bekannt geworden. Manchmal haben sie für uns als Vorgruppe gespielt und manchmal wir für sie. Sie waren uns gegenüber aber im Vorteil, weil sie eben aus Hannover kommen und wir aus Budapest. Sie konnten plötzlich nach Japan reisen und wir eben nicht.
RockTimes: Warum habt ihr nie versucht mal nach Amerika zu kommen, und dort eure Platten zu verkaufen? Ich denke, dass viele dort eure Musik lieben würden.
János: Zu damaliger Zeit war das unmöglich. Amerika war ja praktisch der Feind und unsere Politiker hätten es niemals erlaubt, dass wir dort spielen. In Deutschland war das anders, das war nicht so weit weg und wir konnten besser kontrolliert werden. Heute wäre es wohl ganz anders. Mit einem anderen Management wäre es bestimmt möglich auch in den USA zu spielen und Platten zu verkaufen. Aber ich denke, dafür sind wir jetzt zu alt und wir wollen das nicht mehr. Das, was wir in Europa erreicht haben, ist schon besonders genug und wir sind damit zufrieden. Wer weiß, wie es uns ergangen wäre, wenn wir in den USA gespielt hätten.
RockTimes:János Kóbor Ihr seit ebenso lange auf der Bühne wie die Rolling Stones. Habt ihr sie mal persönlich getroffen?
János: Nein, leider nicht. Wir haben mit sehr vielen Bands zusammen gespielt oder sie getroffen, nur zwei nicht, Pink Floyd und die Rolling Stones. Die Stones feiern das ja auch ganz groß und vielleicht ergibt sich im nächsten Jahr etwas Besonderes. Ein Management aus England hat die Idee, das wir nächstes Jahr mit den Stones zusammen in Berlin spielen. Wir sind zwar unterschiedlich von der Musik, und die eine Band kommt aus dem Westen, die andere aus dem Osten. Es wäre schön, wenn es klappen würde, aber im Moment wissen wir noch nichts Genaues. Es sollen wohl zwei Bühnen werden, die eine Band spielt dann in Richtung Ost und die andere Band in Richtung West. Dann treten die alten Männer mal gemeinsam auf und feiern ganz groß.
RockTimes: Die Stones haben ja schon eine Welttournee für das nächste Jahr angekündigt.
János: Ja, deswegen ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass wir zusammen in Berlin spielen.
RockTimes: Werdet ihr auf eurer Jubiläumstour Überraschungsgäste auf der Bühne haben?
János: Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Allerdings müssen wir erst unsere Tour im Frühjahr gemacht haben und das Programm dazu ist noch in Arbeit. Es ist alles sehr neu, weil wir mit einem symphonischen Orchester spielen. Im Mai sind wir zu den ersten Konzerten in Deutschland, in Dresden und Suhl, und bis dahin haben wir schon einige Konzerte in Ungarn gespielt. Und dann sitzt das Programm auch perfekt wenn wir im August in Berlin spielen.
In diesem Jahr spielen wir um die fünfzig Konzerte und das ist in unserem Alter schon eine ganze Menge. Das Hauptereignis ist dann am 23. September in Budapest. Wir spielen dort auf einem großen Platz, dem Heldenplatz, auf den 200.000 Leute passen und hoffen, dass es voll wird. Im Moment ist die wirtschaftliche Situation noch nicht ganz klar, wie das alles bezahlt werden soll, aber es wird schon klappen.
RockTimes: In Deutschland ist es im Moment sehr beliebt, dass Rockbands mit symphonischem Orchester spielen. Warum habt ihr das gemacht?
János: Das war schon immer unser Ziel. In unserer Musik war schon immer diese Monumentalität enthalten, aber wir hatten bisher keine Zeit und keine Möglichkeit und auch keine technische Ausstattung dafür. Vor zwei Jahren haben wir uns gedacht, dass wir etwas ruhiger werden wollen und das hat sich bewährt. Nach dem wir dann die ersten Schritte in diese Richtung gemacht haben, haben wir gemerkt, dass es sehr gut wird. Daraus hat sich ja die CD "Rhapsodie" entwickelt. Wenn wir jetzt auf der Tour spielen, haben wir keine Vorgruppe. Wir spielen dafür besonders lange und haben dafür auch extra Symphonien komponiert. Wir beginnen, dass nur das Orchester mit den Keyboards und dem Schlagzeug zusammen spielt und nacheinander kommen dann Gitarre, Bass und ich hinzu. Wir spielen zuerst die ganze "Rhapsodie" und anschließend alle unsere bekanntesten Stücke.
RockTimes: Ihr musstet doch alle Stücke für die Symphoniker neu arrangieren, für die Streicher und Bläser. Das macht doch eine enorme Arbeit. Wie lange habt ihr dafür gebraucht?
János: Wir haben dazu noch Hilfe von einem anderen Keyboarder bekommen, der sich damit seit zwanzig Jahren auskennt. Der hat die Stücke so geschrieben, dass jeder weiß was er spielen muss. Er ist auch studierter Musiker im klassischen Bereich und mit ihm haben wir jetzt eine große Arbeit geleistet.
RockTimes:János Kóbor Jetzt hast du ja in den vergangenen fünfzig Jahren als Musiker sehr viel erlebt. Kannst du dich an dein schönstes Erlebnis erinnern?
János: Für mich ist immer das letzte das schönste. Es ist immer gut wenn etwas fertig geworden ist. Ich bin froh, dass unser Jubiläum so schön angefangen hat. Jetzt zu Ostern machen wir mal eine Pause. Die Konzerte sind immer am Wochenende und Ostern wollten wir nicht spielen, wegen den Ferien und auch, damit wir mit unseren Familien zusammen sein können. Im Moment sind wir ja auch auf Promotion für unsere neue CD Greatest Performance, die in den nächsten Wochen erscheint. Das ist eine Best-Of-Doppel-CD mit zwei Live-Konzerten. Nach Ostern gehen dann die Konzerte los bis zur Fußball-Europameisterschaft. Dann kommen die Olympischen Spiele, und über diese beiden Veranstaltungen geben wir keine Konzerte.
RockTimes: Auf eurer neuen CD "Greatest Performances" befinden sich alle bekannten Stücke aus rund fünfzig Jahren. Wie habt ihr die Stücke ausgewählt und habt ihr die alten komplett neu eingespielt?
János: Ich finde es nicht gut wenn wir eine Best Off-CD machen und darauf so ganz alte Stücke sind mit der alten Technik. Das hatten wir schon und das hört sich nicht gut an, wenn alte mit neuen Stücken gemischt sind. Auf dieser CD haben wir zwei Live-Stadionkonzerte genommen und den Jubel der Fans zwischen den Stücken extra zugemischt. Dadurch ist nicht minutenlanges Klatschen auf der CD. Der Applaus geht immer nur kurz und die Stücke kommen dadurch besser zur Geltung. Dadurch klingen die CDs wie eine Studioaufnahme. Auf der einen CD kommen besonders die älteren Stücke in den Vordergrund, die aus den siebziger Jahren, und auf der anderen CD sind überwiegend die Stücke, die von Synthezisern geprägt worden sind.
RockTimes: Ich habe auf eurer Internetseite gesehen, dass ihr einen eigenen TV-Sender betreibt. Wie seit ihr denn dazu gekommen?
János: Den haben wir leider nicht mehr. Damals, Anfang der Neunziger, musste etwas passieren. Wir wussten ja nicht in welche Richtung es weiter geht. Im Westen haben die Musiksender wie MTV schon gute Erfolge gefeiert und wir wollten so was auch für den Osten erreichen. Dadurch, dass wir so bekannt waren, haben wir uns gedacht, es könnte etwas damit werden. Nach den ersten drei Monaten haben wir schon gemerkt, dass es sehr viel Geld kostet. Wir mussten die Künstler bezahlen, das Studio hat sehr viel Geld gekostet, der Fernsehsender hatte die Hand aufgehalten und die Zuschauer haben doch mehr die Sender aus dem Westen angesehen. Ungarn ist einfach ein zu kleines Land und dann sind auch noch die Multis aus dem Westen gekommen wie RTL und haben Stationen in Ungarn eingerichtet, und somit war es für uns erledigt, obwohl außer uns keine andere Band etwas vergleichbares gemacht hat.
RockTimes:János Kóbor Was für Pläne hast du für die nächsten fünfzig Jahre?
János: Ich weiß noch nicht, ob ich die nächsten Jahre noch erlebe. Höchstwahrscheinlich geht alles so weiter. Wir wollen länger spielen als die Rolling Stones. Wenn wir gesund bleiben, und uns unsere Fans immer noch wollen, dann sind wir dabei. Im Moment hat keiner von uns irgendwelche Probleme, alles läuft wie früher und wenn wir Glück haben, dann schaffen wir noch ein paar Jahre. Unser Drummer Ferenc zieht sich langsam etwas zurück. Aber wir haben zum Glück noch einen Ersatz in der Hinterhand und somit kann uns nichts passieren. Ich bin von allen der Älteste. Die anderen sind bis zu sieben Jahre jünger und die halten noch eine Weile durch. Eines ist sicher, dieses Jahr kämpfen wir uns durch und spielen so viel wir können, das haben unsere Fans in Europa verdient.
RockTimes: Ihr wärt doch jetzt genau die richtige Band, um die Scorpions beim Classic Open Air in Berlin abzulösen. Habt ihr darüber schon einmal nachgedacht?
János: Ja, das haben wir. Zufällig ist der zuständige Mann bei den Scorpions in den siebziger Jahren bei uns als Studiokeyboarder dabei gewesen. Vielleicht ergibt sich durch diese Bekanntschaft etwas in der Richtung.
RockTimes:János Kóbor mit Sabine Sagt deine Familie nicht langsam zu dir, dass du mit der Musik aufhören sollst, um sich mehr um sie kümmern zu können?
János: Inzwischen geht es wieder. Vor einigen Jahren haben wir noch bis zu dreihundert Konzerte im Jahr gespielt. Da war ich kaum zu Hause und habe deswegen immer Stress gehabt. Aber nun hat sich das alles entspannt, und nächstes Jahr werden es noch weniger Konzerte. Wir wollen im nächsten Jahr eine DVD produzieren, über die Jubiläumstour und das sind vorerst die einzigen konkreten Pläne.
RockTimes: Wenn du dir heute die Musik der jüngeren Bands anhörst, welche gefällt dir am Besten und was hörst du privat?
János: Auf jeden Fall höre ich nicht Omega, da würde ich nur zu viel drauf achten, was alles falsch gespielt wurde und so. Von den jüngeren Band gefällt mir leider nichts so richtig. Meine Favoriten sind U2 und danach kommt nichts mehr.
RockTimes: Vielen Dank für das sehr nette Gespräch, und wir sehen uns im August in Berlin wieder. Viel Glück für die Tour, und weiterhin viel Erfolg.
János: Ebenfalls vielen Dank, und im August trinken wir Backstage ein gepflegtes Bier zusammen.
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