Parzival / BaRock
BaRock Spielzeit: 41:14
Medium: LP
Label: Sireena Records, 2011 (1973)
Stil: Prog Folk


Review vom 14.11.2011


Steve Braun
Der kreative 'Urknall' des Progressive Folk Ende der sechziger Jahre, ausgehend von innovativen Vorreitern wie Jethro Tull, manifestierte sich in Deutschland in Bands wie Parzival. Allerdings verglühte dieser neu entstandene Stern bereits, bevor sein Licht die Musikwelt erreicht hatte. Warum dieser überaus ambitionierten Band bereits nach nicht einmal drei Jahren die Luft ausging, lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Das tut dem hohen Marktwert der beiden Original-LPs allerdings keinen Abbruch. Sireena Records hat nun eine Marktlücke geschlossen und binnen Jahresfrist auch die zweite und letzte Platte der Bremer Formation veröffentlicht - noch dazu in einem neu gestalteten Klappcover mit allen Texten.
Unbekannt war mir, dass mit Lothar Siems und Walter Quintus zwei Musiker, die 1977 in einem anderen Zusammenhang in mein Blickfeld gerieten, maßgebliche Parzvial-Mitglieder waren. Diese hatten mit bekannten Kollegen wie Adrian Askew und Jean-Jacques Kravetz seinerzeit mit "Der Führer" eine Rockoper vorgelegt, die bereits kurz nach dem Erscheinen auf den berüchtigten 'Index' kam und nur noch im Untergrund (zumeist als Cassette) gehandelt werden konnte. Ja, so war das in den Siebzigern, als die Sensibilität für musikalische Ironie noch unterentwickelt und zudem staatliche Verwaltung und Justiz mit fröhlichen Mitläufern des 'Tausendjährigen Reiches' verseucht waren.
Was gegenüber dem Debütalbum Legend auffällt, ist der musikalische Reifungsprozess Parzivals. Das Spektrum erweiterte sich und die Arrangements wurden ausgefeilter - da ist es besonders schade, dass sich die musikalischen Wege nach "BaRock" trennten.
Gleich der 'Opener' "Stories" überrascht als lupenreiner Country-Song, den man von Parzival jetzt erstmal nicht erwartet hätte. Aber gleich im Anschluss führt der "Black Train" eine Kehrtwendung in bekanntere Klänge der Bremer durch. Progressiver Folk der Marke 'uralte Jethro Tull' wird auf achteinhalb Minuten zelebriert, was in stürmischen Improvisationen und einem wilden Querflöten-Jam in Anderson'scher Manier gipfelt. Mit "Mrs. Virigin" folgt ein sehr harmonischer Folksong, der an die Fairport Convention oder ihre deutschen Pendants auf dem ehemaligen FolkFreak-Label, wie Sterntaler und Konsorten, erinnert. Ausgefeilte, opulente - nahezu "BaRock(e)" Streicher- und Flötenarrangements sorgen zudem für gezielte Klassik-Tupfer. Die bizarre Szene einer lateinischen Begräbnisrede am Ende des Stücks leitet auf den obligatorischen Leichenschmaus in Form von "Frank Supper" (ein Schelm, wer da nicht sofort an Frank Zappa denkt) über. Die Trauer um "Mrs. Virgin" scheint vergessen - fröhlich klappert das Geschirr im Speisezimmer einer freakigen WG zu den Klängen gezupfter Violinen und einer lustig trällernden Querflöte.
Mit "Scarlet Horses" beginnt die B-Seite des schweren 180g Vinyls und er ist in seiner Komplexität exemplarisch für die drei Longtracks von "BaRock". Hier ähneln die Strukturen zunächst etwas denen Ougenweides, in Songs wie "Ich bin ein Folkfreak" beispielsweise. Jedoch beendet ein recht deutlicher Bruch nach etwa zwei Minuten die fröhliche Szenerie. Der Song nimmt zunächst dramatische Züge an, bevor eine wilde Violinenschlacht das Electric Light Orchestra zu zitieren scheint. Ein erneuter Break stimmt geradezu feierliche British Folk-Klänge an, mit denen "Scarlet Horses" ausklingt. Zugegeben: Das ist in der Komplexität der Komposition erstmal schwer verdaulicher Stoff, was keineswegs durch den Umstand erleichtert wird, dass mit "It's A Pity" ein erfrischend lebendiger, kompakter Folksong nachgeschoben wird.
Dass der deutsche 'Produzenten-Guru' Conny Plank in seinem Bonner Studio ganze Arbeit geleistet hatte, beweisen die beiden raffinierten, epischen Progressive-Rocker zum Ausklang dieser LP. Das Instrumental "Thought" spannt gekonnt einen ganz großen Bogen zwischen Jethro Tull, Steeleye Span und der Fairport Covention und gleitet übergangslos in das abschließende "Paradise", einem weit über achtminütigen Hörgenuss, hinüber.
Fazit: "BaRock" ist gegenüber dem gewiss nicht schlechten Vorgänger eine deutliche Steigerung. Es ist eine Schande, dass eine derart ambitionierte Band wie Parzival nahezu vergessen ist!
Erwähnenswert ist noch, dass es von "BaRock" eine CD-Edition gibt, der die einzige Single - "Souls Married To The Wind" (1972) - vorangestellt wird, das stark von Peter, Paul & Mary beeinflusst scheint. Die beiden Songs aus den 1970er Anfangstagen der Band, "Party Bird" und "Veronique", sind nie auf LP erschienen - gerade das letztgenannte Stück, das etwas an die Beatles zu "Sgt. Pepper...."-Zeiten erinnert, hätte es verdient gehabt.
Ich denke, dass beide Editionen - das vorliegende Vinyl wie auch die CD - in den Plattenschrank eines Folk- und/oder Krautrock-Freaks gehören!
Line-up:
Lothar Siems (Gitarre, Gesang)
Walter Quintus (Violine, Klavier, Orgel)
Thomas Olivier (Schlagzeug, Gesang)
Walter von Seydlitz (Cello)

Gastmusiker:
Matthias Müller-Menckens (Flöte, Klavier, Orgel)
Harald Konietzko (Bass, Gesang)
Tracklist
01:Stories (1:55)
02:Black Train (8:34)
03:Mrs. Virgin (4:28)
04:Frank Supper (2:22)
05:Scarlet Horses (6:26)
06:It's A Pity (2:59)
07:Thought (5:58)
08:Paradise (8:26)
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