Wir sind alle sehr stolz auf das Teil
Tom Redecker
Wenn alte Hasen mit einem neuen Projekt debütieren, muss man einfach fragen ...

(Die Fotos im Interview wurde uns von Tom Redecker mit der Erlaubnis zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt)

Interview vom 03.06.2015


Ralf Poppe
RockTimes: Sind Sun Temple Circus die neuen Electric Family
Tom: Eigentlich weniger. Es gibt Paralellen, zum Teil sind ja Musiker dabei, die in beiden Projekten tätig sind. Harry Payuta zum Beispiel gehörte neben mir zum Gründungskern der Electric Family. Auch Jochen Schoberth war damals bei den Auftritten beim Herzberg Festival und auch bei den Schweriner Filmtagen dabei. Aber bei der Family werden die Songs im Studio entwickelt und anschließend bei den Konzerten eben umgesetzt. Das kann dann auch schon mal ausufernd werden, aber im Grunde bleibt das Songgerüst unangetastet. Sun Temple Circus ist eine Liveband, wir lieben es zu jammen, Songs auf der Bühne zu entwickeln und dann mal sehen, was passiert. Ich kann mir gerade gar nicht vorstellen, mit dem Tempel ein Studioalbum aufzunehmen. Wir sollten nur Livealben machen.
RockTimes: Ein Titel wie "Sun Madness" ist also spontan entstanden?
Tom: Ziemlich spontan. Beim Soundcheck probieren wir was aus, versuchen, uns die Akkorde zu merken und legen dann später beim Konzert los. Let it go. Marlon und Harry starten die Maschine, wir anderen steigen ein, und dann ergibt sich alles. Wann und wo ich singe, Jochen sein Solo macht oder die Gastmusiker dazukommen, es gibt keinen Plan, keine Dramturgie. Selbst etwas strukturierte Titel wie "Lighthouse" versuchen wir offen zu gestalten. Wir sind eine Jamband. Das ist ja eine Spielkultur, die eigentlich vom Jazz kommt, dann in den Sixties ihren Einstieg in die Rockmusik gefunden hat. Viel Improvisationen, kein festes Soundkorsett. Alles ergibt sich in dem Moment, wo es passiert. Unglaublich spannend. Kann natürlich auch in die Hosen gehen, wenn es aus irgendeinem Grund hakt. Aber bei diesen Musikern klappts einfach großartig.
RockTimes: Sun Temple CircusWie seid ihr denn in dieser Besetzung zusammengekommen?
Tom: Den Anstoß für den Sun Temple haben Harry und ich gegeben. Harry war ja Anfang 2014 nach mehreren Jahren in Mittelamerika wieder zurück in Deutschland und rief mich an. Wir hatten das letzte Mal - ich glaube 2007 wars - für eine Fernsehaufzeichnung mit der Electric Family zusammen auf der Bühne gestanden. Ich schlug Harry vor, ein paar befreundete Musiker zu suchen und einfach loszuziehen - rein in die Clubs, auf die Bühne und ab geht's.
Harry war sofort dabei. Der Projektname Sun Temple Circus war auch schnell gefunden, wegen Harrys Sitar - indisch sollte es sein und sonnig. Wir hatten ja Januar 2014 damals und sehnten den Frühling herbei. Jochen Schoberth kam als Gitarrist dazu. Seit 25 Jahren ein guter Freund, der bereits bei The Perc Meets The Hidden Gentleman und bei der Electric Family mitgespielt hatte. Über Jochen kamen wir auch an die Gigs in Süddeutschland, wir spielten in gemütlichen Provinzörtchen wie Dassendorf und Weidenberg, auch in Bayreuth. Für Harry und mich war das zudem eine echte Rückkehr, da wir vor 20 Jahren bereits da unten gespielt hatten und gar im selben Hotel wie damals nächtigten. Wir haben das also irgendwie auch mit Urlaub verbunden. Tagsüber Sightseeing, Museen, Burgen und Schlösser. Abends rauf auf die Bühne, war wirklich eine angenehm entspannte Zeit.
RockTimes: Marlon saß da aber nicht hinterm Schlagzeug, oder?
Tom: Bei den Gigs in Süddeutschland konnte er zeitlich nicht, aber Jochen hatte den Schlagzeuger seines Projekts Belladonna, Thomas Blumensaat, mit an Bord gebracht, der wirklich großartig mitgespielt hat. Marlon kam dann zum Finale in Bremen dazu, zusammen mit Andre Szigethy (ehemals The Dry Halleys, inzwischen als DJ Alpha eine feste DJ-Größe) und Uli Bösking an der Mandola, ehemals mit Blaine Reininger unterwegs.
RockTimes: Marlon KleinWie seid ihr an Marlon Klein gekommen, das ist ja ein wirklich international bekannter Trommler?
Tom: Marlon und ich kennen uns schon länger, und wir hatten schon öfter überlegt, etwas zusammen zu machen. Ein gemeinsames Projekt, vieleicht ein Duo oder auch was größeres. Als wir dann den Temple aus der Taufe hoben, dachte ich sofort an Marlon, und er war auch sofort dabei
RockTimes: Gibst du mir recht, dass Marlon Kleins Schlagzeugspiel gerade bei den längeren Titeln phasenweise an Jaki Liebezeit erinnert?
Tom: Durchaus möglich. Ich weiß, dass Marlon den Kollegen Liebezeit schätzt, so wie wir alle Can schätzen. Aber Marlon ist ja seit über 30 Jahren Trommler der Dissidenten, im Grunde auch eine Ethno Rock-Jamband, wo viel improvisiert wird. Da brauchts einen Trommler, der den Laden zusammenhält, und da ist Marlon absolut super für geeignet.
RockTimes: Erzähl doch bitte einmal etwas über die Songs, die es auf die Platte geschafft haben. Da muss doch noch jede Menge Material rumliegen von den Konzerten.
Tom: Nicht unbedingt. Wir haben zwar bei fast allen Konzerten mitgeschnitten, zum Teil auch gefilmt, aber pressfähige Aufnahmen sind tatsächlich nur in Bremen entstanden. Und ausgerechnet da gabs einige blöde Probleme. Wir hatten unsere Konzerte ja in drei Blöcke aufgeteilt. Es ging los mit Songs von Harry, die er erst auf Sitar und anschließend auf Gitarre bestritt - mit uns als Backingband. Schöne Songs, etwas Stranglers-mäßig. Anschließend kam ein Block mit Titeln von mir, da wechselte Harry an den Bass und danach der abschließende Jam-Teil mit kompletter Band und Gästen. Nun ist in Bremen folgendes passiert. Nach dem ersten Titel von Harry mit Sitar, "Out Of India", hat sich das Aufnahmegerät verabschiedet und zwar bis weit in den zweiten Block hinein. Selbst ein neuer eigens für dieses Projekt geschriebener Song von mir, "Slide Out, Slide In", fiel diesem Unglück zum Opfer, was ich wirklich bedaure. Wir hatten also gar nicht so viele Titel für die Platte zur Auswahl. Aber es sollte ja eh eine Vinyl-Veröffentlichung werden und kein Konzertmitschnitt in voller Länge, dafür hats locker gelangt.
RockTimes: Also wird es keinen Nachschlag in Form einer weiteren Platte geben?
Tom: Leider nicht. Ich kann mich gerade auch nur noch an eine brauchbare Version von "Rock The Widow" erinnern, aber mehr Material ist definitiv nicht vorhanden. Könnte nur eine Single werden.
RockTimes: Spannend ist die Zusammensetzung der beiden Plattenseiten. Während die A-Seite typische Payuta- bzw. Perc-Titel enthält, erscheint mir die B-Seite wie eine Würdigung der Musik von Velvet Underground und Can. Sehe ich das richtig?
Tom: Keine Absicht, ehrlich. "Et Moi, Et Moi" ist ja ein ziemlich simpler Hit, drei Akkorde und wir rocken heftig bei der Nummer. Das mag an Velvet Underground erinnern, aber wir hatten das nicht vor. Ist halt ein uralter Song von Jaques Dutronc, den ich immer schon bringen wollte. Jetzt mit dem Sun Temple hats geklappt. Mag ich sehr. "Sun Madness" wiederum ist aus einer Improvisation entstanden, sehr stark geprägt durch Harrys Bass und Marlons Drums, wir restlichen Musiker bekommen da beste Möglichkeiten uns auszutoben. Auch Can sind bekannt für ihre Improvisationen, aber das scheint mir das einzig Verbindende zu sein zwischen uns. Ich schwöre dir, wir wollten nicht wie Can klingen, hat sich einfach ergeben. Stört uns aber auch nicht, war ja ne prima Band.
RockTimes: Sun Temple CircusKeine Frage, es gibt schlechtere Vergleiche. Wie wirds denn mit dem Sun Temple Circus weitergehen?
Tom: Zur Zeit gibts keine Pläne. Wir leben ja auch nicht gerade in einer Straße, wo man sich öfter trifft und zusammen jammt. Jochen lebt in Bayreuth, Harry gar in Spanien. Um den Temple wieder auf die Bühne zu bringen, muss man also planen und rackern. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, die für alle Sinn macht, dann sind wir sofort dabei. Da bin ich mir sehr sicher. Jetzt zählt aber erst einmal unser Album, ist ja quasi ein Debütalbum. Wir sind alle sehr stolz auf das Teil und natürlich gespannt, was die Leute sagen.
RockTimes: Und dazu nur auf Vinyl und als Download. Warum keine CD?
Tom: Das Album ist ja durchaus als eine Verbeugung vor dem Westcoast-Sound der Spätsechzigerjahre zu verstehen. Wir haben ja live vor Ölfilter-Projektoren und Kaleidoskopen gespielt, dazu jede Menge Bühnennebel versprüht. Kennt man noch aus den alten Fillmore-Zeiten. Diesen Spirit kann man ja auch deutlich dem Artwork entnehmen. Aber damals gabs halt noch keine CDs, und deshalb haben wirs auch gelassen.
RockTimes: Das macht durchaus Sinn. Eine Frage noch zum Schluss. Gibts die Electric Family noch?
Tom: Du wirst es nicht glauben, aber ja es gibt sie noch. Aktivitäten mit der Family sind halt nur kein Schwerpunkt zur Zeit. Ich habe ja auch noch Sireena Records, wo eine Menge passiert.
Aber irgendwann wird auch das nächste Album der Electric Family erscheinen.
RockTimes: Ich nehm dich beim Wort und danke vielmals für Deine Zeit!
Tom: Dafür nicht. Danke schön.
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