Pink Floyd / London 1966-1967
London 1966-1967
Aus der untersten Ecke der Mottenkiste kommt hier eine DVD zum Vorschein, die sich anschickt, die Anfänge der späteren Supergroup Pink Floyd zu zeigen und darüberhinaus auch das Lebensgefühl des 'Swingin' London' der Sixties darzustellen.
Der junge Filmemacher Peter Whitehead ermöglichte seinen alten Kumpels aus Cambridge ihren ersten Studiotermin im Sound Techniques Studio im Januar 1967. Er war gerade dabei, einen Film namens "Tonite let's all make Love in London" abzudrehen, der die Stimmung der Jugend in der britischen Hauptstadt einfangen sollte und dafür waren die Soundcollagen der frühen Pink Floyd wohl geradezu ideal.
Zum Zeitpunkt der Aufnahmen hatte die Band noch keinen Plattenvertrag, war aber lokal in ihrer Heimatstadt schon bekannt, angetrieben vom genialen Syd Barrett (der unter den bekannten - unschönen - Umständen die Formation 1968 verließ). "Interstellar Overdrive", hier in einer fast 17-minüten Fassung aus dem Studio mit Einsprengseln aus dem UFO Night Club dient als akustische Psychountermalung der Eindrücke, die die Kamera auf Zelluloid bannt.
Hektische, nervöse Einstellungen und Überblendungen in grellen Farben in Verbindung mit dem Sound als optisch-akustischer LSD-Trip ist sicher nicht jedermann's Sache. Und ebenso sicher ist: Das war es auch 1967 nicht! Die Mehrzahl der Rezensenten ist da wohl meiner Meinung...
Die Musik von Pink Floyd auf diesen Aufnahmen ist ungeschliffen und grobschlächtig - und hat damit fast überhaupt nichts mit den überlegenen, fast kalkuliert gesetzten Klängen zu tun, die ab 1970 den Siegeszug rund um Welt antraten. "Interstellar Overdrive" wurde dann auch folgerichtig in einer 'entschärften' Version für das erste Album "The Piper At The Gates Of Dawn" nochmals eingespielt.
Der zweite Track hier, das bisher unveröffentlichte "Nick's Boogie" als Live-Jam im Studio gibt einem Kunsthappening im Alexandra Palace in London seinen Rahmen. Wiederum die ungewohnte, fast panische Kameraführung, viele schwarz-weiß Sequenzen, eingeblendete Schnipsel aus Tageszeitungen über den Minirock oder auch Swingers in der Stadt, ein Typ schneidet einer 'Happening-Künstlerin' vorne den BH auf - dies hatte zu seiner Zeit sicher Seltenheitswert, aber ob dies die tatsächliche Stimmung von 'Swingin' London' beschreibt? Das darf doch angezweifelt werden. Gezeigt wird eine Kunstausstellung von und mit Yoko Ono, und man sieht den scheinbar von irgendwelchen Hilfsmittelchen angetörnten John Lennon mehrmals durchs Bild wandeln, zu einem Zeitpunkt, als er seine Yoko noch nicht kannte.
Es gibt im allgemeinen Durcheinander der Kameraschnitte natürlich auch Einblicke auf die vier jungen Musiker und ihre Arbeit im Studio, die im Gegensatz zum "Happening" in Farbe gedreht sind, aber das Bildstakkato rauscht nur so am Betrachter vorbei. Schade eigentlich, vielleicht war die Erwartungshaltung, einen 'richtigen' Studiobetrieb a lá "One plus One" von Jean-Luc Godard vorgesetzt zu bekommen, einfach zu groß.
Das Feature "Peter Whitehead's 60's Experience", das man im Interviewteil findet, kommt dann der wirklichen Szene und des Lebensgefühls der Sixties wesentlich näher. Paraden der Wache der Queen, Demonstrationen auf dem Trafalgar Square, Frauen und Mädchen im typischen Modeoutfit der Zeit, Bilder von den Straßen der Stadt und nicht in einer pseudoelitären Umgebung - diese Eindrücke, natürlich wieder mit Musik von Pink Floyd untermalt, erfüllen wenigstens teilweise den Anspruch, den man sich gesetzt hat, mit knapp viereinhalb Minuten allerdings nur recht kurz.
Die Interviews stammen alle aus 1967 und wurden mit Whitehead selbst, mit einem, man möchte fast sagen - borniertem - Mick Jagger, der sich über Gewalt und Gegengewalt auslässt, der Schauspielerin Julie Christie, ihrem Kollegen Michael Caine und dem Pop-Art Künstler David Hockney geführt.
Alle Interviews gibt es nur in (englischer) Originalsprache ohne Übersetzungen im Untertitel. Die sind auch nicht so recht interessant bis auf die Statements von Mr. Caine, der sich darüber aufregt, dass die Pubs um 23 Uhr schließen, um damit die Arbeiter auszusperren, während andere, exklusive Clubs die ganze Nacht geöffnet sind.
Seiner Ansicht nach will das Establishment sicherstellen, dass die Leute morgens nüchtern zur Arbeit kommen. So kann man das natürlich auch sehen. Seine Meinung zu der von ihm empfundenen britischen Doppelmoral ist auch dazu angetan, zustimmend mit dem Kopf zu nicken und das scheint heute 38 Jahre später immer noch aktuell zu sein...
Insgesamt ist diese DVD wohl nur für Pink Floyd die-hards interessant, die ja alles von der Band haben wollen. Als Dokumentation über 'Swingin' London' kommt hier viel zu wenig rüber. Andere, auf dieses Thema spezialisierte DVDs, die diese Zeit eben nicht durch die Scheuklappen nur einer Band einfangen, bieten wesentlich mehr. Klangtechnisch werden bei dieser DVD Dolby 5.1 Surround und Mono unterstützt.


Spielzeit: knapp 35 Min + Interviews, Medium: DVD
1. Interstellar Overdrive 2. Nick´s Boogie 3. Whitehead's 60's Experience
Manni Hüther, 25.9.2005