The Pogues / Waiting For Herb
Waiting For Herb Spielzeit: 46:35
Medium: CD
Label: Wea Int. (Warner Music Group), 1993
Stil: World Music


Review vom 31.01.2008


Markus Kerren
The Pogues und Shane MacGowan hatten im Jahr 1991 nach einem desaströsen Konzert in Japan beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Für die bereits gebuchten Tourneen rund um den Erdball für den Rest dieses Jahres und 1992 konnte als Ersatz Joe Strummer (R.I.P., Ex-The Clash) gewonnen werden, der auch das letzte Studio-Album "Hell's Ditch" produziert hatte. The Pogues wollten Strummer gerne behalten und das nächste Studio-Album mit ihm einspielen, was dieser aber aus diversen, teilweise offensichtlichen Gründen ablehnte und gegen Ende 1992 wieder seinen Hut nahm.
Das Dilemma war groß und nach ausschweifenden Diskussionen entschlossen sich die verbliebenen Mitglieder schließlich, keinen neuen Mann von 'außen' rein zu nehmen, sondern dem bisherigen Flõtisten Spider Stacy (der für den absenten oder zu 'verhinderten' MacGowan schon des Öfteren mal eingesprungen war) die Rolle als Vollzeit-Sänger anzubieten, die Stacy auch gerne annahm. Wenn zu diesem Zeitpunkt auch ohne zu wissen, welche dramatischen gesundheitlichen Folgen dies mit sich bringen sollte.
Man machte sich also auf, das erste Album ohne den Hauptsongwriter, charismatischen Mittelpunkt und Poeten, Bandgründer sowie Visionär MacGowan aufzunehmen. Im Jahr 1993 erschien dann schließlich das Album "Waiting For Herb". Selbstverständlich konnte es für dieses Projekt nur die Devise geben, eine neue Richtung einzuschlagen und die 'amputierte' Band neu zu gebären. "Tuesday Morning" ist ein lockerer, toller Pop-Song, der in den englischen Charts bis zur Nummer 12 vorpreschte und bis heute (als einziger Song aus der 'Ohne-Shane-Ära') immer noch live gespielt wird. Dennoch macht sich unmittelbar bemerkbar, dass diese gewisse Tiefe, die offensichtliche Authentizität und die Inbrünstigkeit, die nur ein Shane MacGowan bei den Pogues vermitteln kann, einfach nicht rüber gebracht werden kann.
"Smell Of Petroleum" zieht tempomäßig deutlich an, hat durchaus seine Qualitäten und verliert dennoch ungemein durch die wässrige und drucklose Produktion. The Pogues wollten aus der Not der fehlenden MacGowan-Songs eine Tugend machen und so brachte sich fast jedes Mitglied dazu ein. Dabei kommt Terry Woods mit seinem "Haunting" dem Bandfeeling der vorhergehenden Jahre noch am nächsten. "Once Upon A Time" und "Sitting On Top Of The World" können ebenfalls durchaus gefallen, wenn auch spätestens hier klar wird, dass mit Shane MacGowan das Herz und die Seele, oder einfacher gesagt die starke emotionale Verbindung, die der Fan mit den Pogues aufgebaut hat, aus der Band herausgerissen worden war. Irgendwie kommt das schale Gefühl auf, eine Suppe ohne Salz, bzw. einen Cola/Rum ohne Rum vorgesetzt zu bekommen.
Mit "Drunken Boat", "Modern World" und "Big City" gibt es weitere gut gemeinte, aber sich weit im Abseits befindlichen Versuche, die Spannung zu halten. Ganz schlimm wird es für meine Ohren bei "Girl From The Wadi Hammamat" (Belanglos-Pop mit orientalischen Einflüssen) und "Pachinko" (gut geeignet für den Kindergeburtstag einer/s 4-jährigen), die irgendwo im Niemandsland aufschlagen und bei mir nur ratloses Schulterzucken erzeug(t)en. Die beiden letzten Songs "My Baby's Gone" (inbrünstig von Drummer Andrew Ranken als Nachwirkung zum plötzlichen Tod seiner Frau intoniert) und "Small Hours" versöhnen am Schluss dann noch ein wenig.
Am Ende führt jedoch kein Weg an der Tatsache vorbei, dass "Waiting For Herb" damals eine dicke Enttäuschung war und heute immer noch ist. Spider Stacys Gesang ist zwar besser, als er von der Presse immer gemacht wurde, aber gegen den überlebensgroßen Schatten, den Shane MacGowan in der Dekade zuvor geworfen hatte, konnte er natürlich nur verlieren. Wobei zu Stacys Trost angemerkt werden sollte, dass diese Lücke wohl auch von niemand anderem hätte gefüllt werden können.
Mann kann natürlich auch ganz anders an die Sache herangehen und "Waiting For Herb" als das Debüt einer neuen Band und losgelöst von der Vergangenheit der Pogues betrachten, aber auch dann kommt die Scheibe wegen der blutleeren Produktion, des puren Pop-Appeals und aufgrund der nur sechs oder sieben besseren Tracks über gut gemeinte 5 RockTimes-Uhren nicht hinaus. Auch die damaligen Bandmitglieder schauen heute nicht unbedingt mit Stolz auf das Album zurück und wenige Monate nach dem Erscheinen verließen innerhalb kurzer Zeit Terry Woods, James Fearnley und Philip Chevron das Camp.
Die Band taumelte am Abgrund und auch wenn die nächste Veröffentlichung "Pogue Mahone" ihre letzte sein sollte, so war der Schwanengesang dennoch wieder ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte…
Line-up:
Spider Stacy (lead vocals, tin whistle)
Jem Finer (banjo, guitars)
Terry Woods (cittern, mandolin, lead vocals on #3)
Philip Chevron (guitars)
Darryl Hunt (bass)
Andrew Ranken (drums, lead vocals on #11)
Tracklist
01:Tuesday Morning
02:Smell Of Petroleum
03:Haunting
04:Once Upon A Time
05:Sitting On Top Of The World
06:Drunken Boat
07:Big City
08:Girl From The Wadi Hammamat
09:Modern World
10:Pachinko
11:My Baby's Gone
12:Small Hours
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