Poobah / U.S. Rock
U.S. Rock Spielzeit: 57:22
Medium: CD
Label: Ripple Music, 2014 (1976)
Stil: Classic Rock


Review vom 20.04.2014


Steve Braun
Durch unser Forum geistert ein bemerkenswerter Musikfreak, der zwar hoffnungslos in den Siebzigern verstrickt scheint, aber immer wieder auf Perlen dieses überaus kreativen Jahrzehnts aufmerksam macht, die unsereins im Leben noch nicht gehört hat. Poobah? Irgendwas aus dem "Dschungelbuch"?? Nööö, eine richtig geile Band aus den 'Staaten', die es vornehmlich in persona von Mastermind Jim Gustafson - mit Unterbrechungen - bis in heutige Tage gibt. Alle zwölf Alben wurden nun wiederveröffentlicht; uns liegt das zweite Album mit dem wegweisenden Titel "U.S. Rock" zur Besprechung vor.
Ob der Bandname von der Figur Pooh-Bah alias Lord High Everything Else aus der Komischen Oper in zwei Akten "The Mikado" inspiriert wurde, ist reine Spekulation. Keine Hypothese ist dagegen, dass die 1976 erschienene Scheibe einen Rundumschlag durch den US-Rock dieser Dekade vollzieht. Tonnenschwerer, bluesinspirierter Psychedelic Rock der Marke Hendrix & Konsorten, Heavy Boogie à la Foghat samt Komplizen und eine gehörige Portion US-Glam jener Tage, bei der einem wegen der omnipräsenten Hammond spontan die (leider) weitgehend vergessene Band Angel in den Sinn kommt. Aus dem gleichen Grund keimen auch Assoziationen zu den frühen Deep Purple auf. Allesamt Gründe genug, jetzt verdammt hellhörig zu werden!!
Zuvorderst muss hier erwähnt werden, dass Poobah gleich über drei erstklassige Leadsänger verfügt, die nahezu jede Klangfärbung und Tonlage bis zum Falsett abdecken. Vorwiegend sind dies Jim Gustafson und Ken Smetzer, beide derart gut 'bei Stimme', dass mir die Beurteilung, wer nun 'besser' ist, unmöglich ist. Obendrein sorgen auf diese Weise großartige Chöre in nahezu allen Takes für Abwechslung.
Ebenfalls sollte vorweggeschickt werden, dass Jim Gustafson, der nebenbei auch (fast) alle Songs im Alleingang geschrieben hat, reichlich Gitarrenspuren auf der Bandmaschine verewigt hat - munter duelliert er mit sich selbst, ob rhythmisch oder solistisch. Der zweite soundprägende Mann ist eindeutig Ken Smetzer, der sich vorwiegend an der Hammond austobt, aber auch - wie in "Let's Rock" - ein gepflegtes Rock'n'Roll-Piano zu spielen versteht.
Die Rhythmusabteilung erscheint dagegen zwar weitaus weniger spektakulär, aber ein genaueres Hinhören empfiehlt sich hier dringend. Phil Jones, Co-Autor von "Keep On Rollin'", spielt einen überaus finessenreichen Fretless, wozu Gene Procopio - dem Zeitgeist gemäß - ziemlich rumpelig und trocken trommelt.
"Flesh Fantasies" und "Pullin' Me Down" eröffnen ziemlich bluesig-psychedelisch, wie man dies seinerzeit ziemlich häufig von US-Bands geboten bekam. Eine instrumentelle wie stimmliche Orgie stellt "Watch Me" dar - eine richtig tolle Nummer, die viereinhalb Minuten lang keinen Atemzug ermöglicht. Einzig albern sind die schrillen Publikumsovationen aus der Tonkonserve, die an die mindestens ebenso größenwahnsinnig-infantile Live-Kulisse von "Coliseum Rock", Starz (1978), erinnern. Hier wird dem 'Stadionrock', der ein paar Jahre später aufkommen sollte, vorweg gegriffen.
Heavy Blues Rock ("Coast To Coast") und klassischer Rock'n'Roll ("Let's Rock") folgen - beide nett, aber auch nicht mehr. Da ist die Single aus dem Album, "Thru These Eyes", schon eine ganz andere Marke: ein gewaltiges Heavy-Riff, eine gurgelnde Hammond, hypnotischer Groove, geschmeidige Hooks - ein Mördersong!! "Crazy" und "Keep On Rollin'" ziehen durch die genau gleiche Furche, nur nicht ganz so eingängig. "Right Out Of The Night" klingt durch das 'prähistorische' Solina String Ensemble in heutigen Zeiten vielleicht etwas zuckrig, aber die Ballade erinnert an feinste psychedelische Pendants aus den Spätsechzigern. Das enorm in Purple-Manier hardrockende "Out Of You" beendete seinerzeit den 'vinylen' Longplayer.
Die vier Bonustakes beginnen mit zwei Outtakes - in zweierlei Hinsicht eine gute Wahl: erstens, die beiden Songs nicht auf der Original-LP zu veröffentlichen, und zweitens, dies mit dieser CD-Edition nachzuholen! "Your Way, My Way" stellt eine weitere psychedelische Ballade, "Cold Blooded Lover" einen knackigen Arschtrittrocker dar. "Enjoy What You Have" ist ein überaus hörenswerter Alternativ-Mix der Nummer aus dem Debütalbum der Band ("Let Me In" aus dem Jahr 1972), mit einem anderen Line-up eingespielt. Abschließend wird noch ein Live-Take, "Steamroller" vom gleichnamigen 1979er Album, gebracht. Hier war Organist Ken Smetzer zugunsten eines zweiten Gitarrisen (Gus Thofilos) ersetzt worden, was Poobah hörbar alles andere als gut bekam - trotzdem ein hübscher Einblick in die Bühnenpräsenz der Jungs.
Das Booklet zu "U.S. Rock" bietet neben einigen uralten Fotos aus den Bandarchiven alle Texte, allerdings in einer Größe, die eine Leselupe notwendig erscheinen lässt.
Freunden der angesprochenen Stilrichtungen und einer spürbaren Schlagseite zur 'guten alten Zeit' sollten unbedingt einmal in dieses Kronjuwel reinhören. Das 'Netz' bietet sogar die Gelegenheit, mal die komplette "U.S. Rock" anzutesten. Poobah war - jedenfalls für mich - eine richtig tolle Überraschung, die eindeutig Appetit auf mehr geweckt hat...
Line-up:
Ken Smetzer (lead and background vocals, Hammond, piano, string synthesizer)
Jim Gustafson (lead and background vocals, guitars)
Phil Jones (lead and background vocals, fretless bass)
Gene Procopio (drums)
Tracklist
01:Flesh Fantasies(3:03)
02:Pullin' Me Down (3:14)
03:Watch Me (4:36)
04:Coast To Coast (2:12)
05:Let's Rock (2:48)
06:Thru These Eyes (3:05)
07:Crazy (4:07)
08:Keep On Rollin' (4:19)
09:Right Out Of The Night (4:55)
10:Out Of You (3:14)
Bonustracks:
11:Your Way, My Way (3:47)
12:Cold Blooded Lover (2:09)
13:Enjoy What You Have (6:35)
14:Steamroller [live] (9:08)
Externe Links: