Popa Chubby / Stealing The Devil's Guitar
Stealing The Devil's Guitar
Der Dicke aus der Bronx hat einen 'Pferdefuß'. Als Kind hat ihn sein Vater mit in die Kneipe genommen, wo der 'Leibhaftige' eine teuflische Slide-Gitarre gespielt hat. Da hat ihn der 'Teufel' geholt und ihm beigebracht, auch teuflisch gut Gitarre zu spielen. Und weil er sich dann nicht mehr anstrengen musste, ist er so dick geworden. Damit er aber als 'Das Böse' noch ernst genommen wird, hat er sich die dicken Arme tätowieren und den Kopf rasieren lassen und macht auf seine CD-Hüllen, die Gitarren-Straps und die Poster den 'Fucker'-Finger. Und ist teuflisch böse zu den drögen Schreiberfritzen, die ihn mit ihren Interviewwünschen nerven. Deshalb verschickt er vorsichtshalber sein Interview per Promo-CD.
Ted Horowitz aka Popa Chubby aka 'The Devil' hat eine neue CD vorgelegt. Und die in ein stattliches Digipack gesteckt, das man dreimal aufklappen kann und ein 16-seitiges Booklet samt Texten enthält. Mit vielen schönen Fotos, die den Dicken meist zeigen, wie er ganz böse kuckt. Und seine geklaute Gallagher-Strat, die er mit einem höllischen Flammen-Abziehbild beklebt hat. Und wohl seine Tochter Theodora, die ihrem alten 'Hinkefuß' die Klampfe wegnehmen will; ist ja auch 'das stärkste Mädchen der Welt' (der kleine Chubby hat wohl auch Astrid Lindgren gelesen, bevor er zum 'Belzebub' wurde …).
Doch der Dicke ist nicht nur noch stärker, er zeigt dem Gör auch gleich, wie das mit dem Teufelsprügel geht. Damit das Böse in der Welt nicht ausstirbt. In der bösen Welt, in der die ganzen schönen Gitarren nicht mehr gespielt, sondern von Sammlern weggesperrt werden. Nein, Gitarren gehören nicht in Kästen, sondern an die frische Luft und sollen gespielt werden. Sagt der 'Unaussprechliche', der noch seinem Schatz Galea und den Freunden dankt, die sich drum kümmern, dass die Kohle rollt, ihn in Schwung halten und ihm helfen, im höllischen Business zu überleben. Und all den teuflischen Fans auf der ganzen Welt, die die Musik leben lassen und ohne die es keine Höllen-Show gibt. Der hofft, dass seine neue CD verstärkt teuflisch positive, heilende Energie in die harte Welt bringt. Und den Hörer mit der Musik und den Worten des 'Gottstehunsbei' glücklich macht, teuflisch glücklich natürlich. Und legt auch gleich noch ein Video in schwarz-weiß drauf, auf dem er so richtig böse "Smuggler's Game" mit seinen Kumpeln spielt. Ganz schön teuflisch teuflisch, dieser Dicke aus der Bronx mit seiner Klampfe.
Ich hab's langsam satt, mir immer den Kopf darüber zu zerbrechen, welche Retro-Stile und -Zitate ich aus den von mir zu besprechenden Alben heraushöre. Die Musik ist sowieso eine Scheibe und alles kommt wieder. Früher oder später, aber garantiert.
Und dieser Mopper, den ich bisher vorzugsweise dann aufgelegt habe, wenn's richtig krachen sollte, bringt auf seinem angeblich 'wichtigsten Album' auch nur noch Sachen, die mir alle 'irgendwie bekannt' vorkommen. Die nach gut aufbereitetem Gestern riechen und nicht nach dickem, miefigen Getto-Blues aus der Stadt der Verrückten von 2006.
Sogar der Comic-Teufel auf dem Cover sieht aus, wie 'Meister Propper' auf 'Red Bull-Doppelwodka'.
Mit dem "Smuggler's Game" fing's an. Nein, kein wüster Rap, wie von der PR-Agentur angedroht, sondern ein moderner Talking Blues mit einer verdammten Hook Line, die auf einmal in meinen Gehirnwindungen auftauchte. Dazu eine zirpende Gitarre, so was wie seinerzeit bei "In My Chair" (oder war's "Pictures of Matchstick Man"?), darüber der moderne Carlos Santana. Das Miststück saß fest. Also noch mal rein in den Player. Und das war's dann, ich saß in des Teufels Falle!
Seitdem dudelt die CD auf meiner Pole. Popa Chubby ist wirklich limitiert, was seine stimmlichen Möglichkeiten betrifft, aber ein ordentlicher Storyteller. Was er erzählt, ist mir eigentlich egal. Halt das übliche "ich wär Gängsta geworden, wenn mich nicht der R 'n' R gerettet hätte und alles, what I want, is respect, man". Den Text des einen Songs mit dem "yah wichser in Germany that's what they say" werd ich mir doch noch mal genauer anhören.
Aber mit "Stealing The Devil's Guitar" hat der Glatzkopf ein 1A-Gitarrenalbum vorgelegt, in dem er nahezu die ganze einschlägige 'Literatur' aufmarschieren lässt, einschließlich seiner eigenen. Stile, Sounds, Techniken, auf sämtlichen verfügbaren Klampfen, gezupft, geschlagen, getreten, geslidet, akustisch, verstärkt, nackt oder durch diverse elektronische Kästen gejagt, geerdet oder völlig abgehoben, Popa Chubby spielt alles und das teuflisch gut!
Steve Holley und Nicholas D'Amato an Bass und Drums sowie Backing Vocals unterstützen den Boss hervorragend, der zu seinen Gitarren auch Mandoline, Harmonika, Vibraphon, Keyboards und Percussions packt. Teilweise hat er auch die Songs komplett selbst eingespielt. Die Stilmittel passen und seine Stimme setzt er den unterschiedlichen Stücken durchaus angemessen ein. 14 Titel (und nicht 13, werte PR-Agentur!), bis auf die Hendrix-Hommage "Bold As Love" und "In This World" von Jessie Mae Hemphill von Herrn Horowitz selbst zusammengeschraubt, bieten einen Abriss über die Gitarre in der Rockmusik (abgesehen mal vom Metal-Brett). Einer besser als der andere, mit hervorragenden Arrangements, die vom Shadows-Sound bis zu feinen Jazz-Geflechten, von toughem Thunderbirds-Bluesrock über fröhlich ansteckendem Country bis zu beschwörendem Gospel reichen. Gekonnte, raffinierte Rocknummern, für Ohren und Eier gleichermaßen. Und das produktionstechnisch auf den Stand von 2006, gut auflösend, transparent und trotzdem druckvoll. Die Referenz für alles, was jetzt in dieser Richtung kommt.
Popa Chubby hat mit diesem Album seine zugemüllten Bluesrock-Häuserschluchten verlassen und sich als Gitarren-Freigeist in lichte Höhen aufgeschwungen. Und wer wem die Klampfe geklaut hat, das soll uns den Teufel interessieren!
Nur schade, dass der Dicke bei seiner Frühjahrstour (siehe Popa Chubby's Website) durch Europa diesmal Deutschland nicht heimsucht. Rockfans, die in den süd-westlichen, mittel-westlichen und nord-westlichen Randbezirken ihr Dasein fristen, haben allerdings gute Gelegenheiten, bei den jeweiligen Nachbarn der teuflischen Gitarre zu verfallen.


Spielzeit: 62:09, Medium: CD, Dixie Frogg/Bluesweb, 2006
1:Slide Devil Man Slide 2:Smuggler's Game 3:Why Can't I Have You 4:Right On 5:In This World 6:Walking With Amar 7:Stoned Again 8:Young Guns 9:Buffalo Chips 10:Bold As Love 11:Long Deep Hard And Wide 12:Virgil And Smokey 13:Preacher Man 14:The Devil's Guitar
Norbert Neugebauer, 04.03.2006