Power! Percussion - Eine unglaubliche Begegnung der rhythmischen Art - Live in Concert
Eine unglaubliche Begegnung der rhythmischen Art - Live in Concert Spielzeit: 95:00
Medium: DVD
Label: Point Music, 2009
Stil: Instrumental Percussion

Review vom 17.11.2009


Tom Machoy
Der Titel sagt bereits, was mich erwarten wird - "Eine unglaubliche Begegnung der rhythmischen Art". Und: ja, percussionistische Darbietungen jeglicher Art haben ihren ganz speziellen Reiz für mich. Ob es sich dabei um so ein abgefahrenes Schlagzeugsolo à la Jon Hiseman handelt, wo man nur noch Arme und Trommelstücke sich wild bewegen sieht, als wäre Shiva höchstpersönlich beteiligt, ob 'Nossi' sein Schlagzeug bei "Gamma Ray" von allen Seiten betrommelt, 'Mani' eigentlich nie OHNE den Percussionssack auf der Bühne erscheint, ob 'Baby' Sommer am Schlagwerk ganze Säle zum Toben bringt, jedes Mal bin ich voller Erwartung, was wieder passieren wird, jedes Mal atme ich tief durch, wenn diese Show dann vorbei ist, genüsslich-berauscht, selbstverständlich!
Und wenn ich eben noch von percussionistischer (meist) Improvisation schrieb, gibt es auch die streng durchinszenierten Drumstücke, wie von Joachim Fuchs aus dem Jahre 1979. "Drum Symphony" nennt sich das dann, nur Schlagzeug, echt wildes Zeug. Oder Dave Lombardo (irgendwann mal Doro), der unter 'Aufsicht' von Lorenzo Arruga (Dirigent) sich Vivaldi-Sonaten aus dem 18. Jahrhundert vornahm und regelrecht "zertrümmerte", na ja, das ist nichts für Zartbesaitete. Äußerst interessante Arrangements, und irgendwie irre! Strenge Regeln gibt es bei den Kodo-Trommlern aus Japan, äußerst genial strukturiert und, wie nicht anders zu erwarten, äußerst diszipliniert. Gut in Erinnerung sind mir auch Gocoo aus Japan geblieben, die im letzten Sommer beim Burg Herzberg Festival die Besucher zwei Stunden lang mit ihren Trommeln verzauberten. Ja, ich komme ins Schwelgen und so langsam schlage ich den Bogen zum Percussionieren. Und ob nun einer allein ein ganzes Schlagwerk bedient, wie das Hermann Naehring schafft (Großstadtkinder), oder ob des die 'Drummer of Burundi' sind, wo der Rhythmus förmlich aus den Lautsprecherboxen springt und die ganz laut gehört werden müssen, es ist immer faszinierend und es sehr gut, dass es so etwas gibt. In irgendeinem Jahrhundert war es die "Symphonie mit dem Paukenschlag", die das Publikum zum Toben brachte, heute tobt das Publikum bei der Blue Man Group, deren Show überaus perfekt und durchgestylt ist, Kompliment. Und dann gab/ gibt es ja auch noch die 'Mülltonnentrommler' Stomp!
Und damit zur DVD. Klassik trifft Rock und Pop und das alles trommelt. Die Namen sagen mir nichts und bisher wusste ich nichts von den Akteuren und ihrem immerhin schon jahrelangen (seit 1997 bereits) Zusammenspiel, alle Achtung. Und auch die Liste der Auftritte ist nicht schlecht; Münchner Philharmonie, Kunstfest Weimar, Braunschweig Classix Festival 2005 und 2008, Beethoven Festspiele in Bonn, Salzburger Festspiele 2005, Open Flair Festival 2004 in Eschwege oder BR Taubertal Festival 2004. Zu sehen sind Power! Percussion im 'TIPI am Kanzleramt' in Berlin (siehe auch den Tourplan der Truppe), und das seit Sommer 2006, und im letzten Jahr waren sie sogar in Asien beim Grand National Theater Beijing zu Gast. Auch sollen Power! Percussion einen spektakulären Fernsehauftritt im ZDF gehabt haben, der sie zu den 'Wettkönigen des Abends' machte. Hab ich nicht gesehen (guck ich mir auch nicht an). Dafür habe ich die DVD und die schaue ich mir an, logisch!
Kesselpauken, Gongs, Becken und jede Menge 'Beschlagbares' befinden sich bühnenseits, das Publikum sitzt brav an Tischen. In tiefes Blau ist die Bühne getaucht, Rauchschwaden ziehen einher und jeder der Akteure steuert mit seinem Schlaggerät Geräusche bei. Und da es sich dabei um "Rainmaker" handelt, ist natürlich ein sehr großes Regenholz zu hören, Klanghölzer, Rasseln, Tambourines, und wie ich immer dazu sage, eine 'Teekiste'. Langsam kommen die Kesselpauken dazu, kleine Trommeln und es braucht nicht allzu lange, da habe ich meinen Rhythmus gefunden. Es ist alles choreographiert, sehr gut choreographiert, die Abläufe harmonieren und alle vier sind miteinander in Einklang. Und das wird noch besser und akrobatischer, wenn sie sich Aluleitern ("Steps") zum Bespielen vornehmen oder Plastemülleimer ("Buckets"). Das hat dann schon etwas Akrobatisches an sich, und ein perfektes Zusammenspiel ist hier einfach Pflicht. Und das noch immer an den Tischen sitzende Publikum dankt es mit bereits tobendem Applaus. Und nun kommt die 'Teekiste' ("The Box") zum Einsatz, ein Instrument, mit dem auch schon einige Bluesbands in Zweierformation erfolgreich arbeiten. Unterdessen wieder zu fünft auf der Bühne werden nun Stomp'sche" Müllbehälter aufgereiht und wild-rhythmisch beschlagen. Hören ist gut, sehen ist mehr Genuss! Ich hätt' gern so eine Mülltonne, bitte!
Synthetische Klänge füllen den Raum, und die Zeitlupenbilder lassen erahnen, was nun kommt - "Plastixx" - Rohre werden zu einem Gebilde verkonstruiert, dem dann unzählig-verschiedene Töne in miteinander verschmelzendem Klang und Rhythmus entlockt werden. Und abschließend nehmen Power! Percussion einige Musikanleihen aus vergangener Zeit. Mit einem Rohr-Ungetüm in blauem Licht wird nicht nur das Publikum begeistert…
Jetzt geht es den Ölfässern an den Kragen, industrielle Klänge ergeben sich, gepaart mit synthetischer Musik - das ganze nennt sich "Factory". Und nach so viel Synthese klappern, schnippen und schnipsen sie völlig entspannt, auf den Fässern noch sitzend, sozusagen a capella ihren nächsten Titel. Spaßweise beziehen sie auch schon mal so ziemlich alle Körperteile in den percussionistischen Vortrag mit ein, nun ja.
"Smokey Rumble" kommt mir doch etwas bekannt vor, was aber keinesfalls den Darbietungswert schmälert. Mit einer Baby-E-Gitarre werden auch hier noch einige Anleihen genommen, es passt. Höhepunkt und Abschluss dieses Stücks ist das vierhändige Synchronbetrommeln einer kleinen Trommel. Und das sieht dann tatsächlich aus wie Shiva mit, na ja, vier Armen - ein Powerstück! Lionel Hampton spielte sein Vibraphon mit riesigem Erfolg, Rudi Bauer tut es ihm nach in "Harmony" (vielleicht nicht ganz so jazzig, aber immerhin). Die Bühne füllt sich langsam, immer mehr Klänge verschiedenster Instrumente sind zu hören, dominierend immer noch das Vibraphon, nun schon jazziger, 's ist ja auch ein anderer Sound.
Von unten bestrahlte Tonnen (Chemiefässer aus Plaste) mit Wasser auf den Deckeln, das sind Effekte, die für's Auge sind, das ist gewollt, das ist gut. Es ist sehr wässrig und heißt "Stompy". Südamerikanisches und/ oder asiatisches Feeling entwickelt sich in "Marimba Jungle", gemeinschaftliches Musikzieren wechselt mit Einzeldarbietungen, der Einzelne ist gut, die Gruppe ist stark! Das Finale ist fulminant, mal streng nach Kodo-Tradition, mal nach Laune des Dirigenten, laut, leise, kraftstrotzend, smart. Jeder trommelt sich noch mal die Seele aus den Händen. Das Publikum ist nun ebenfalls völlig entfesselt, sitzenderweise. Als Zugaben werden alle mit Handclapping gefordert - "You Clap". Dann erscheinen alle Akteure mit Bauchläden voller Eimerchen verschiedenster Größe auf der Bühne, es gibt ein Mini-Schlagzeug, aus dem auch laute Töne zu vernehmen sind und damit werden erneut ziemlich südamerikanische Rhythmen produziert. "Bell Boom Bang" bildet dann den Abschluss; ein ziemlich discoträchtiger, synthetischer Titel, der hier dann doch ein wenig aus dem bisherigen Rahmen fällt.
95 Minuten Getrommel sind schon "Eine unglaubliche Begegnung der rhythmischen Art" und so ziemlich alles, wovon ich im Vorfeld schrieb, ist eingetreten. Für die Sparte Percussion gebe ich auf der Uhr 9 Uhr 20.
Performers:
Rudi Bauer
Hannes Eitner
Jürgen Weißhaupt
Stephan Wildfeuer
Wolfram Winkel
Tracklist
01:Trailer
02:Rainmaker
03:Carmina
04:Steps
05:Buckets
06:The Box
07:Da Groove
08:Plastixx
09:Factory
10:Clap Trap
11:Smokey Rumble
12:Harmony
13:Rhythm Nature
14:Stompy
15:Marimba Jungle
16:Finale
17:You Clap
18:Rubbish
19:Bell Boom Bang
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