Eugene Ruffolo & V.A. / Even Santa Gets The Blues
Even Santa Gets The Blues Spielzeit: 51:04
Medium: CD
Label: Stockfisch Records, 2009
Stil: Singer/Songwriter

Review vom 23.12.2009


Jürgen Hauß
Jetzt hat auch das deutsche »Wohlklang-Label« (vgl. Review von Norbert Neugebauer) Stockfisch-Records, »das Label für Gitarrenmusik, Singer-Songwriter und audiophile Aufnahmen« (Zitat Homepage) zum ersten Mal eine Weihnachts-Produktion auf den Markt gebracht. Doch warum nur so spät?
Diese Frage bezieht sich zum einen auf das aktuelle Veröffentlichungsdatum; diesbezüglich wird im 'Waschzettel' der 1.12.2009 angegeben. Die Adventszeit hat da schon längst begonnen, aber man wollte sich wohl bewusst abheben von anderen entsprechenden Veröffentlichungen »in einer Zeit, in der Ende September die ersten Lebkuchen-Supermarktbesucher umheimeln« (Zitat 'Waschzettel'). Doch bis mir die Scheibe für die Rezension vorliegt, ist es schon so spät, dass eine Veröffentlichung des Review noch vor Weihnachten kaum gelingen wird, will man sich etwas intensiver mit dem Projekt beschäftigen.
Die o.g. Frage hat aber noch eine zweite Bedeutung. Denn das Projekt einer Weihnachts-Produktion wurde schon vor knapp zehn Jahren beim Stockfisch-Label angegangen, und die ersten Aufnahmen hierfür waren bereits im Jahr 2001 eingespielt. Dann aber verstarb einer der Initiatoren desselben, der Gitarrist Chris Jones (er ist aber immerhin mit zwei Aufnahmen auf dieser Scheibe vertreten), und die Idee ruhte, bis der zwischenzeitlich zum Stockfisch-Label gestoßene Gitarrist und Sänger Eugene Ruffolo vorschlug, weitere Titel für eine Weihnachts-CD zusammenzustellen. Diese stammen nun weitestgehend von ihm selbst (in erster Linie interpretatorisch, teilweise auch kompositorisch), und so verwundert es nicht, dass sein Name deutlich hervorgehoben auf dem Cover erscheint.
Der Titel der CD und der Hinweis der Redaktion »Weihnachtsstücke mal anders, bluesig, jazzig« veranlassten mich als alten Blueser, den vorliegenden Review zu übernehmen. Doch mein Fazit ist: Nicht nur der Weihnachtsmann bekommt den Blues, auch ich habe ihn beim Hören der CD bekommen. Denn sie enthält absolut nicht das, was ich bei den Angaben erwartet hatte: Bluesvariationen bekannter (s. Tracklisting) sowie mir überwiegend unbekannter Titel, interpretiert überwiegend von einem möglicherweise durchaus guten, nicht aber unbedingt als Blueser bekannten Gitarristen; sollte da vielleicht ein bislang unbekanntes Talent in Eugene Ruffolo schlummern?. Doch lediglich der - immerhin vom Protagonisten selbst komponierte - Titeltrack stellt sich als Blues ein.
Was aber darf man erwarten? Das Positive vorweg: Eine perfekt aufgenommene Scheibe durchweg guter Musiker (vgl. das umfangreicht Line-up), wie man sie vom Stockfisch-Label und seinem rührigen Betreiber Günter Pauler erwarten kann. Dass die CD als SACD-Hybrid-Scheibe erscheint, die auch bereits auf der normalen Anlage einen perfekten Klang wiedergibt, versteht sich dabei schon fast von selbst. Die Instrumente sind gut untereinander abgemischt, der Klang klar und transparent.
Allerdings passt der leichte Sprachfehler von Eugene Ruffolo nicht zur Perfektion der Aufnahme im Übrigen; anfangs denkt man noch, es handelt sich um technische Mängel bei der Produktion; später fällt jedoch auf, wie er versucht, diese 'Missklänge' durch 'Verschlucken' bestimmter Konsonanten zu kaschieren.
Die einzelnen Stücke sind durchaus in ihrer Art sehr unterschiedlich: reine Instrumentalstücke, A-capella-Gesang, Gitarren-Duette sowie vielfältig instrumentierte Tracks, oftmals unterlegt von Streichern. Und genau da setzt meine Kritik an: Etliche Stücke kommen Weihnachtsbäckerei-süß daher, um nicht zu sagen: schmalzig. Dazu trägt auch die weiche Stimme von Eugene Ruffolo bei, der nicht zuletzt deshalb oftmals an James Taylor erinnert. Wer so etwas mag: Bitteschön, bittersüß ist angerichtet.
Ob Eugene Ruffolo selbst allerdings der begnadete Gitarrist ist, als der er vielfach dargestellt wird, kann ich nicht beurteilen. Auf dem Video, das ihn bei seiner Interpretation von "Baby, It's Cold Outside" zusammen mit Margaret Fiellin zeigt, vermag man dies nicht festzustellen. Vielmehr glaube ich, dass das gute Gitarren-Spiel, das vielen Tracks innewohnt, von Ian Melrose stammt, der Eugene Ruffolo bei all seinen Aufnahmen begleitet (mit der verständlichen Ausnahme beim A-capella-Song "The Christmas Song") und dessen Genialität unbestritten sein dürfte.
Er ist im Übrigen auch dabei bei einem der zwei Chris Jones-Titel: "Away In A Manner", einem altertümlichen, englischen, rein instrumental vorgetragenen Weihnachtslied; dies ist im wahrsten Sinne des Wortes Gitarrenkunst pur.
Der zweite Chris Jones-Track, eine Interpretation von "Stille Nacht, heilige Nacht", gemeinsam mit dem Gitarristen Peter Ratzenbeck, klingt hingegen ein wenig nach alpenländischer Hüttenromantik; oder habe ich die Assoziation etwa nur, weil es sich bei letztgenanntem Musiker um einen Österreicher handelt - ich glaube nicht.
Dennoch: beide Tracks sind wunderschön und erinnern ein wenig an frühe Aufnahmen des New-Age-Labels Windham Hill Records, insbesondere auf den beiden CDs "A Winter's Solstice".
Ansonsten - wie gesagt - überwiegen Stücke, die man schon fast als Weihnachtslieder-CD-typisch beschreiben könnte. Manche Interpretation kann man mit ein wenig Wohlwollen durchaus als 'jazzig' bezeichnen; jedenfalls wohnt ihnen ein leicht swingender Sound inne. Dies gilt bereits für den Klassiker am Start, "Let It Snow". Doch schon mit "Here It Is Christmas" und "The Sweetest Part" geht es äußerst besinnlich (um nicht zu sagen: schnulzig) weiter.
Es folgt das nette "Baby It's Cold Outside", wiederum leicht swingend, das man allerdings angesichts der Vielzahl von Interpretationen, die dieser Song in den vergangenen 60 Jahren über sich ergehen lassen musste (selbst Willie Nelson hat sich in diesem Jahr zu einem Duett mit Norah Jones hinreißen lassen), kaum noch hören mag. Allerdings stellt die klare Stimme von Margaret Fiellin eine wohltuende Erholung dar.
Dass auf einer Weihnachts-CD das - jedenfalls für amerikanische Ohren - obligatorische "Jingle Bells" nicht fehlen darf, versteht sich schon fast von selbst. Ich befürchte schon das Schlimmste, werde aber überrascht durch eine Interpretation von der deutschen Band Front Porch Picking, die den Track im Bluegrass-Stil vorträgt. Das ist zwar stilistisch eine Abwechslung, passt aber irgendwie auch nicht in den vorliegenden Kontext, zumal eine Verbindung zum Stockfisch-Label nicht ersichtlich ist. Aber irgendwie kann man es mir heute wirklich nicht recht machen.
Anschließend der Titelsong - und tatsächlich: eine nette Blues-Nummer mit Bluesharp im klassischen 12-Takter, so hatte ich mir die ganze Scheibe vorgestellt und erhofft, doch nach 3:10 Minuten ist dieses Glücksgefühl schon wieder vorbei, und mit "One Bright Star" sowie "O Holy Night" wird wieder das übliche Schema aufgegriffen; Abwechslung bietet bei letztgenanntem Stück allein der teilweise italienische Gesang.
Musikalische Abwechslung hingegen bietet dafür "We Three Kings", nicht zuletzt wegen der diversen zum Einsatz kommenden Percussionsinstrumente, die - dem Inhalt entsprechend - dem Ganzen einen orientalischen Klang vermitteln.
Mein Fazit: Es ist schade, dass Stockfisch-Records das Projekt eines Weihnachtsalbums nicht so zu Ende geführt hat (oder führen konnte), wie es seinerzeit mit den Aufnahmen von Chris Jones begonnen worden war; das hätte wirklich etwas Besonderes werden können, mit dem man sich von anderen Veröffentlichungen deutlich hätte absetzen können. Genügend andere (als Eugene Ruffolo) Musiker hat das Label unter Vertrag. So aber ist es eine Mischung unterschiedlicher Ansprüche geworden, deren einzige Klammer das gemeinsame Label ist (und auch das nicht einmal uneingeschränkt, s.o.).
Ob die CD ihren Weg in die Regale der 'normalen' Plattengeschäfte finden wird, wage ich zu bezweifeln. Neben dem Bezug über den Online-Shop von Stockfisch ist sie bei Amazon erhältlich mit dem Hinweis: »Gewöhnlich versandfertig in 1 bis 2 Monaten«! Dann ist Weihnachten endgültig vorbei!
Line-up:
Eugene Ruffolo (vocals & guitar)
Ian Melrose (guitar, whistles, ukulele, dobro, tremolo guitar)
Peter Ratzenbeck (guitar)
Margaret Fiellin (vocals)
Lutz Möller (piano, harpsichod)
Beo Brockhausen (harpsichord, udu, duduk, tanbura, bells)
Beata Kossowska (blues harp)
Michael Kleinhans (tuba)
Sven von Samson (drums, chimes, hang)
Wojtek Bolimowski (violin & string arrangements)
Zsuzsanna Bolimowski (violin)
Oksana Labach (viola)
Lucile Chaubard (violoncello)
Dirk Heimberg (guitar)
Peter Funk (dobro)
Wolfgang Beisert (mandolin)
Klaus Hoheisel (percussion)
Raimund Brietzke (upright bass)
Martin Lillich (upright bass)
Hans-Jörg Maucksch (fretless bass)
Chris Jones(†) (guitar, dobro)
Tracklist
01:Let It Snow (2:31)
02:Here It Is Christmas (3:35)
03:The Sweetest Part (3:29)
04:Baby It's Cold Outside (3:27)
05:Christmas Time Is Here (2:33)
06:I Saw Mommy Kissing Santa Claus (1:39)
07:Away In A Manger (2:55)
08:The Christmas Song (3:08)
09:Nothing But A Child (4:01)
10:Stille Nacht (2:37)
11:Silver Bells (3:03)
12:Jingle Bells (2:07)
13:Even Santa Gets The Blues (3:08)
14:One Bright Star (2:46)
15:O Holy Night (4:34)
16:We Three Kings (5:07)
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