Jennifer Rush / Now Is The Hour
Now Is The Hour Spielzeit: 55:12
Medium: CD
Label: Sony/Ariola, 2010
Stil: Pop

Review vom 26.03.2010


Wolfgang Giese
Ein Name, mit dem man erfolgreiche Popmusik verbindet. Lange hat man von der Dame nichts gehört, und nun ein Lebenszeichen.
Ich war schon neugierig, was da auf mich zukommen sollte, man hat schließlich eine Erwartungshaltung - einerseits voreingenommen, dass das sowieso nur ein laues Popalbum wird, andererseits angesichts dessen, dass die Sängerin eine sehr gute und ausdrucksstarke Stimme hat, die stille und leise Hoffnung, Musik der besseren Art hören zu können.
Irgendwie ist es beides geworden.
Heidi Stern, so heißt sie wirklich, wurde am 29.9.1960 in New York City geboren. Der Vater war Opernsänger und die Mutter Pianistin, beste Voraussetzungen also für eine musikalische Karriere.
In ihrer Heimat blieb sie jedoch relativ unbekannt und 'der Stern' sollte in Europa aufgehen, wohin die Familie auch umsiedelte. Und zwar nach Deutschland, als Klein Jennifer 9 Jahre alt war. Nach kurzer Rückkehr in die Staaten, blieb sie ab 1982 in Deutschland. Der Name wurde nun in Jennifer Rush geändert und sie startete voll durch, mit viel Erfolg im Popgeschäft. Wer erinnert sich nicht an den Riesenhit "The Power Of Love"? Das war 1985.
In gewisser Weise knüpft die Musik auf diesem Comeback-Album an jene Zeit der Achtziger an, auch teilweise, was den Aufbau der Titel betrifft. Typische Diskoklänge jener Jahre also, die durch die programmierten Rhythmen entsprechend wirken. Einwandfrei und 'ungelitten' nach wie vor ihre sehr kraftvolle und ausdrucksvolle Stimme, die erneut gerade bei den Balladen voll zum Tragen kommt. Das sind die Momente, denen man sich nicht entziehen kann, es sei denn, man hätte grundsätzlich keinen Zugang zu dieser Art von Popmusik. Denn Pop in reiner Form ist das hier auf jeden Fall.
Gleich mit dem Starter, "Dream Awake", fühlt man sich in selige Disko-Zeiten zurück versetzt. Wer da damals mitgemacht hat, dürfte hier frohlocken. Das Ganze ist natürlich technisch in die Jetztzeit versetzt worden, aber die programmierten Rhythmen treiben das tanzbare Stück voran. Mit spanischem Flamenco-Flair geht es weiter, locker und flockig werden die Tanzbeine weiter gefordert, aber eher in Richtung Shakira, inklusiver leicht orientalischer Anklänge, das hat aus meiner Sicht Potential für einen Hit ("Betcha Never")!
Und nun die erste Ballade, "Windows", ein schönes Liebeslied mit melodischen Streicherarrangements, ein auf seine Art bewegendes Stück. Das fein perlende Piano rundet das Ganze ab, bis wieder ein echter 'Diskostampfer' kommt, mit allem, was dazu gehört: "Down On My Knees", hier lotet Rush ihre Stimme auch mal in die unteren Tonlagen ab, OK - man muss das mögen - aber es ist, unabhängig davon, gut gemacht, lebt aber im wesentlichen von der sehr kraftvollen Stimme der Sängerin.
Im Großen und Ganzen geht es in etwa so weiter, mit dem einen oder anderen Höhepunkt, so wie ich sie sehe. Mein persönlicher Favorit folgt mit Track 6, "I Never Asked For An Angel". Das ist eine Ballade, wie ich sie hinsichtlich ihrer Dramatik grundsätzlich mag, aber eigentlich so richtig, weil hier eine Sängerin am Werk ist, die sich 'voll reinkniet', mit Leidenschaft und Gefühl, was man nicht oft in dieser Art zu hören bekommt (»When I was lost, you were always here for me, I felt your breath, and I could breathe again, I found the road leading back to life«). Eine schöne Liebeserklärung, sollte auf eine der nächsten Kuschelrock-CDs.
Aber bereits "Echoes Of Love" mit dem quietschigen Synthiesound und den knatternden Drums empfinde ich als nervig. Nun gut, wer tanzen möchte, kann sich gleich den nächsten Disco-Fox-Schritten widmen (Eins-Zwei-Drei-Vier, Eins-Zwei-Drei-Vier ...).
So halten sich, meiner persönlichen Einschätzung nach, 'gut und schlecht' in etwa die Waage. Unabhängig davon denke ich, ist Jennifer Rush hier ein gutes Comeback gelungen. Ich würde ihr jedoch hinsichtlich ihres Sangestalents doch sehr wünschen, die nächste Platte in den Vereinigten Staaten in einem Studio mit dortigen Profis einzuspielen, und ich hoffe, die Plattenfirma wird diese Investition vornehmen, denn ich glaube, das würde die Musik von ihrem bisweilen sterilen Charakter befreien und dem Talent Rechnung tragen. Zu wünschen wäre das der Künstlerin!
Als der wohl im Sinne von 'schwülstig' bewegendste Song mit einer Tragik im Ausdruck, die einem "Amazing Grace" gleichkommt, ist der Titelsong. Vielleicht etwas dick aufgetragen, aber es kann schon mitreißen. Ebenfalls auf der 'Positivseite' findet sich noch "Before The Dawn", und auch hier ist festzustellen, dass Balladen ganz einfach das Metier der Sängerin sind. Möglicherweise kommen hier des Papas Gene zum Vorschein, denn es hat mitunter schon einen Hauch von Oper. Etwas 'außerhalb' im Stil, die leicht rockende Nummer "Eyes Of A Woman", die sicher mit einer fetzigen Rockband an Fahrt gewinnen könnte, im Ansatz für mich ein gutes Stück! Als Songschreiber hat man sich einiger aktueller Komponisten bedient, die für Celine Dion oder Leona Lewis Songs geschrieben haben ...
Fazit: für Jennifers Fans unverzichtbar. Mit Sicherheit für alle, die kraftvoll und dramatisch interpretierte Balladen mögen, eine zur Hälfte starke Platte, die andere Hälfte für Liebhaber von zeitgemäßen Diskoklängen. Mit anderen Worten: Geschmackssache. Aber beileibe kein schlechtes Comeback! Aber - das mit den Lippen hätte sie lassen sollen ...
Line-up:
Jennifer Rush (vocals)
Mitch Kelly (background vocals)
Elena Boyadjiyeva (background vocals)
Claudia Uhle (background vocals)
C.G. Kayna (background vocals)
Golo Schulz (piano)
Ingo Politz (keyboards, programming, percussion)
Bernd Wendtlandt (keyboards, programming, percussion)
Jörg Weißelberg (guitars)
Felix. M. Lehmann (drums)
Phil Schardt (bass)
Rainer Oleak (orchestra arrangements, strings - #6)
Tracklist
01:Dream Awake (James/Evans/Schjoldan) 3:38
02:Betcha Never (Ross/James/Bedingfield) 3:09
03:Windows (Elofsson/Rodrigues/Branden) 4:06
04:Down On My Knees (Scarlett/Schjoldan) 3:14
05:Head Above Water (Efraimsson/Gemandt) 3:53
06:I Never Asked For An Angel (Elofsson/Chinn/Westerlund) 4:20
07:Echoes Love (Svendsen/Wik) 3:36
08:I'm Not Dreaming Anymore (Elofsson/Rodrigues/Westerlund) 3:23
09:Now Is The Hour (Vaughn/Falk/Lindhjem) 3:26
10:Like I Would For You (Irving/McKillip/Dexter) 3:35
11:Before The Dawn (Swain/Roberts) 3:48
12:Eyes Of A Woman (Lee/Bromham/Saggese) 3:50
13:Just This Way (Schjoldan/Evans) 3:53
14:Ain't Loved You Long Enough (Lee/Anderson/Woodcock) 2:55
15:Still (Frisch/Galatis) 4:06
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