Klaus Renft
Die Bewaffnung der Nachtigall - Tagebücher von Klaus Renft 1968 bis 1997
Die Bewaffnung der Nachtigall - Tagebücher von Klaus Renft 1968 bis 1997 232 Seiten, broschiert
Medium: Buch
Erschienen bei BuschFunk, 2015
ISBN 978-3-944058-45-0, 16,95 Euro

Review vom 02.05.2015


Mario Keim
Sein Name steht für einen Mythos in der Musik - bereits zu Lebzeiten war er eine Legende: Klaus (Jentzsch) Renft. Und das nicht nur im Osten Deutschlands. Doch wer genau war dieser Klaus Renft (geboren 1942 in Jena - gestorben 2006 in Löhma)? Gilt er doch nicht nur als eine der prägendsten Gestalten des Rock in Deutschland insgesamt, er war auch maßgeblich an der Etablierung einer eigenständigen Rockmusik mit deutschen Texten beteiligt.
Eine Annäherung an den Menschen und Musiker gibt es in dessen Tagebüchern von 1968 bis 1997.
Nein, eine Gedichtsammlung ist es nicht, dennoch taugen die Tagebücher von Klaus Renft auszugsweise sehr gut als eine Sammlung feinfühliger poetischer Texte von literarischem Reiz und damit auch als Stimmungsbarometer. Das Erstaunliche daran: Textauszüge, die hier auftauchen, haben in dieser Form nie Einzug in dessen Musik gefunden.
Der Musiker und Bandleiter nimmt den Leser in sechs Bänden auf drei Jahrzehnte Zeitgeschichte mit, berichtet von Selbstzweifeln, aber auch von Existenznöten, nicht zuletzt nach seiner Ausreise 1976 in die damalige Bundesrepublik Deutschland und dem damit verbundenen Neuanfang, späteres Einreiseverbot in die DDR inklusive. Drei Spielverbote in der DDR lagen zu diesem Zeitpunkt hinter dem gerade einmal 33-jährigen Berufsmusiker. Seine spätere Lebensgefährtin, Heike Stephan aus Löhma, die den Künstler bis zu seinem Tod 2006 begleitet hat, und die Dresdner Autorin Undine Materni haben die handschriftlichen Aufzeichnungen Renfts erfasst, aufgearbeitet und damit ein zeitgeschichtliches Dokument geschaffen, das zwar mehr Fragen als Antworten bereithält, aber dennoch gut zu unterhalten weiß, weil Renft stets mit direkter Sprache seinen Alltag beschreibt.
Musiker, Gemüsehändler oder Kraftfahrer? Schon in seinem ersten Tagebucheintrag am 24. Juli 1968 meldet Renft erste Zweifel an. Spannungen in der Band bis zuletzt. Der Neuanfang in der Bundesrepublik mit dem gescheiterten Versuch, dort Musik zu machen, letztlich aber Arbeit zu haben, sind wesentliche Stationen, denen der Leser begegnet.
Renft zeigt sich als sensibler Beobachter seiner Umgebung, ganz gleich, ob im familiären Umfeld oder bei den Musikerkollegen. Seine Sätze sitzen, offenbaren Zweifel und Einsamkeit: »Ich bin ein Suchender und auf der Suche bin ich allein.«
Kritisch geht er mit seinen Kollegen um, schreibt am 22.11.1997 in West-Berlin: »Wenige deutsche Musiker sind sich ihrer Tradition bewußt. Die Mehrzahl versucht, den zweifellos höheren Standard der englischen und amerikanischen Musik zu kopieren. Deshalb konnte es seit der Marschmusik nie zu einem tragfähigen deutschen Musikerstil kommen.«
Er macht sich immer wieder Gedanken um Ost und West, fragt sich trotz seiner Ausreise und dem Berufsverbot wiederholt, warum seine DDR 1990 bei der Vereinigung beider deutscher Staaten verschwinden musste, wie die Aufzeichnungen belegen.
Seine Tagebuchnotizen haben auch philosophische Züge, lassen den Leser an seinen Lebensumständen teilhaben (»Warum verdurste ich, obwohl ich von Wasser umgeben bin«, 8.3.1981).
Obwohl der Name Renft 1994 beim Deutschen Patentamt als geschützt eingetragen wurde, gibt es fortan bald zwei Bands mit gleichem Namen. Renft dazu: »Leute, die ich nicht kenne, nennen sich heute Butlers. Karussell hat die große Absahne als Renft-Nachfolger gemacht. Leute, die ich zwar kenne, aber die gewiss nicht meine Freunde sind, nennen sich heute Renft und ich laufe durch den Wald und überlege einen neuen Anfang.«, Goslar, 10. Mai 1997).
Für den Bandleiter bedeutet die neue Zeit: »Umdenken ist neu begreifen. Andersdenken ist sich anpassen.«
Das Buch zeigt vor allen Dingen auf, dass Klaus Renft nicht nur Musiker und Mythos war, sondern zunächst ein ganz normaler Mensch mit gewöhnlichen Sorgen und Nöten, der aber schnell zwischen alle Fronten geriet, wie er es auch selbst dokumentierte.
Die emotionalen Fotos, biographischen Notizen, die Diskographie nach Alben, Singles und Büchern sowie die Besetzungen der Band im Anhang verleihen dem Buch eine zusätzliche Note, nicht nur für die eingefleischten Fans.
Die Textsammlung "Die Bewaffnung der Nachtigall" ist eine geglückte Annäherung an Klaus Renft, die sehr persönliche Einblicke ermöglicht, wenngleich die beiden Herausgeberinnen richtigerweise die allzu privaten Aufzeichnungen ausgeblendet haben.
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