Lionel Richie / Tuskegee
Tuskegee Spielzeit: 63:19
Medium: CD
Label: Mercury, Universal Music, 2012
Stil: New Country


Review vom 13.05.2012


Daniel Daus
Every soul
has a birth place,
every dream starts somewhere.
My life, my adventures,
my desinty, my music and
the truth of who I am
all started in this
one place called,
Tuskegee.
Mit diesem kurzen Statement auf Seite 3 des umfangreich bebilderten Booklets liefert der einst aus Tuskegee, Alabama, stammende Lionel Richie gleich die Intention wie auch Motivation für den Titel seines aktuellen Albums ab. Ein Werk, auf dem er mit diversen Duettpartnern seine größten Hits im countrykompatiblen, bzw. Nashville-tauglichen Gewand präsentiert.
Auch wenn ich zwar keinen einzigen Tonträger besitze, kenne ich natürlich jede Menge seiner Lieder, sei es durchs Radio oder seine sehr sympathischen Auftritte bei "Wetten dass...?" als einer der vielen Allzweckwaffen (nebst Leuten wie Bon Jovi, Joe Cocker, Peter Maffay, etc.) bei dem für sein immenses Musikspektrum 'gefürchteten' ehemaligen Moderator der Sendung, Thomas Gottschalk.
Die Idee, Lieder von bekannten Interpreten in ein Country-Ambiente zu stecken, ist zwar nicht besonders neu, bietet aber bei Musik, bei der die gemeinsame Schnittmenge erst mal nicht ganz so offensichtlich ist, durchaus ihre Reize.
Richie, durch und durch Profi in seinem Geschäft, hat bei diesem 'Experiment' dann auch nichts dem Zufall überlassen. Für seine Lieder hat er sich die Crème de la Crème aus Nashvilles (New Country-/Country-) Interpreten-Szene (die auch allesamt sofort bei Fuß standen), erfahrene Erfolgsproduzenten wie Tony Brown, Buddy Cannon und Dann Huff geangelt, die sich dazu dann in Music Citys schier unendlichem Reservoir an Klasse-Studiomusikern (wirklich alles, was Rang und Namen hat, ist dabei: Chad Cromwell, Kenny Greenberg, Tom Bukovac, Pat Buchanan, Steve Nathan, Gordon Mote, Jimmie Lee Sloas, John Willis, Ilya Toshinsky, Paul Franklin, Bryan Sutton, etc. - alle Instrumente gleich in Mehrfachausführung) reichhaltig bedienen durften. Erfolg dank seiner eh schon bestehenden Popularität und den mehr als exzellenten Begleitumständen also sicherer als das ‚Amen in der Kirche' vorprogrammiert.
Und so ist es auch gekommen, sein "Tuskegee" bricht zur Zeit auf der ganzen Welt alle Rekorde seiner ohnehin imposanten Karriere; sein erstes Nummer-1-Album in den Staaten seit 1986, mittlerweile mit Platin ausgezeichnet (wir berichteten).
Ich halte die Europa-Version in meinen Händen, die sich im Wesentlichen durch einen Zusatztrack ("Angel" mit Cassandra Steen) und den Austausch einiger hier in unseren Sphären vermeintlich populärerer nordischer Kandidaten (Rasmus Seebach und Jill Johnson, die beide auch einen ganz guten Job machen) gegen zwei Ami-Schwergewichte wie Jason Aldean und Tim McGraw (bei "Say You, Say Me" und "Sail On") und die Zuschaltung von Stefanie Heinzmann bei Rascal Flatts (auf "Dancing On The Ceiling", die Technik macht's möglich - passt aber ganz gut) unterscheidet.
Hier kommt mein einziger Kritikpunkt: Ich kann die aktuelle ‚Europäisierung' der US-Countrymusik (wie auch z. B. bei Keith Urban praktiziert) hierzulande einfach nicht nachvollziehen. Das ist, bei allem Respekt den hiesigen Künstlern gegenüber, ungefähr genauso, als wenn Rot-Weiss Essen beim im Sommer stattfindenden Eröffnungsspiel des brandneuen Stadions statt der brasilianischen Nationalmannschaft den SC Freiburg vorziehen würde, nur weil die an gewissen Tagen halt auch einen ganz ansprechenden und populären Fußball spielen und sich der deutsche Michel die Namen der Spieler besser merken kann. Der typische Esprit des Ganzen in diesem (speziellen) Fall darf nicht zugunsten kommerziellen Gedankengutes auf der Strecke bleiben. Da verharre man doch bitte beim Original und pushe die Sache in kompetenterer Art und Weise. Country-Fans hierzulande und vermutlich auch in Europa reagieren da doch (berechtigterweise) äußerst sensibel.
Kommen wir zu den Songs und meinen Favoriten: Im Prinzip sind alle Stücke mehr als gelungen, denn die Gesangspartner wurden mit viel Bedacht ausgewählt. Blake Shelton ist als Neo-Traditionalist genau der Richtige für das retro-angehauchte "You Are" (klasse hier das
Steve Winwood-mäßige Synthie-Spiel), auf "Say You, Say Me" imponiert das psychedelische Streicher-Break. Ex-Hootie & The Blowfish-Frontmann Darius Rucker (mittlerweile ja solo im Country-Sektor auch megaerfolgreich) und Sugarland-Röhre Jennifer Nettles (die hatte Jon Bon Jovi schon mal in einem Duett ziemlich alt aussehen lassen, da gibt Lionel bei "Hello" - sich dessen wohl bewusst - dann auch alles, um zumindest wenigstens ein Remis rauszuholen) bilden die gesanglichen Höhepunkte.
Little Big Town sorgen für ein wenig Westcoast-Stimmung, die lang vermisste, in einer Kreativpause befindliche New Country-Queen Shania Twain ‚näselt' wie zu besten Zeiten, Rascal Flatts/Stefanie Heinzmann machen auf gute Laune und Jimmy Buffett sorgt für die karibische Note. Herrlich - da sieht man sich vorm geistigen Auge bei kühlen Cocktails an der Strandbar rumlungernd, genüsslich den exotischen Schönheiten im Baströckchen bei Steel Drum-getränkter Musik zuzwinkern.
Auch wenn das Wort ‚Country' in Bezug auf den Musikinhalt bisher relativ rar von mir gebraucht wird - dank der fast omnipräsenten Steelgitarre und den auf dem Sektor erfahrenen Musikern ist das typische ‚Nashville-Feeling' eigentlich durchgehend vorhanden.
Die stimmlich eher limitierten Kenny Chesney und der bereits reichhaltig Duett-erprobte
Willie Nelson bilden mit ihrem hölzern wirkenden, bzw. kauzigen Organ einen schönen Counterpart zu Richies emotionalem Wohlfühlgesang. Lionel bedankt sich am Ende von "Easy" (toll hier die Mundharmonikaeinsätze) artig und respektvoll mit "Thank You, Willie".
Kenny Rogers, der übrigens demnächst wieder unter Dann Huff-Regie ein neues Album aufnimmt, ist "Lady" perfekt auf den Leib geschnitten und Billy Currington entpuppt sich mit der cool groovenden Version von "Just For You" (mit Mandoline, Steelfills, schönen Tempo- und Stimmungswechseln) als die heimlicher Höhepunkt des Silberlings.
"Tuskegee" von Lionel Richie ist ein tolles Album geworden. Hier passt wie beschrieben alles zusammen, spürbares Superstardom auf ganzer Linie. Das Experiment, Soul, Pop und Country zu vermischen - absolut gelungen. Ein Werk bei dem man auch sehr gut abschalten und entspannen kann. Und wer bei einem Date bei leckerem Wein und dieser Musik zu später Stunde keinen Erfolg hat, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen…
Zu wünschen wäre es, wenn sich Lionel vielleicht irgendwann mal trauen würde, auch neue Kreationen auf diese Weise zu verarbeiten. Sein Kreativ-, wie auch immer noch sehr starkes gesangliches Potential, dürfte dem sicher nicht im Wege stehen. Das wäre dann wohl die absolute Krönung des Ganzen. Trotzdem auch so schon jetzt meine Hochachtung Mr. Richie!
Tracklist
01:You Are (with Blake Shelton)
02:Say You, Say Me (with Rasmus Seebach)
03:Stuck On You (with Darius Rucker)
04:Deep River Woman (with Little Big Town)
05:My Love (with Kenny Chesney)
06:Dancing On The Ceiling (with Rascal Flatts/Stefanie Heinzmann)
07:Hello (with Jennifer Nettles)
08:Sail On (with Jill Johnson)
09:Endless Love (with Shania Twain)
10:Just For You (with Billy Currington)
11:Lady (with Kenny Rogers)
12:Easy (with Willie Nelson)
13:All Night Long (with Jimmy Buffet)
14:Angel (with Cassandra Steen)
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