Radio Doria / Die freie Stimme der Schlaflosigkeit
Die freie Stimme der Schlaflosigkeit Spielzeit: 49:08
Medium: CD
Label: Polydor (Universal Music), 2014
Stil: Pop Rock


Review vom 26.01.2015


Mario Keim
Wer Jan Josef Liefers in seinen zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen erlebt, der ahnt wohl, dass der Schauspieler nichts dem Zufall überlässt. Das gilt auch für den Musiker, Komponisten und Texter, der seit zwölf Jahren mit eigener Band unterwegs ist und diese besondere Leidenschaft auslebt.
Dabei ist im vergangenen Jahr aus Jan Josef Liefers & Oblivion die Band Radio Doria geworden, mit der es ein erstes Album unter dem Titel "Die freie Stimme der Schlaflosigkeit" gibt (zusammen mit Oblivion ist es das dritte Album der sechs Musiker).
Weil sich eine US-Metal-Band den Namen Oblivion schützen ließ, kam es im vergangenen Jahr zu einer Umbenennung. Schließlich aber wollte Jan Josef Liefers auch, dass sein eigener Name nicht explizit vor einen Bandnamen gestellt werden sollte.
Widmete sich der Musiker Liefers anfangs unter dem Titel "Soundtrack meiner Kindheit" und mit mehr als 200 Konzerten noch Erfolgstiteln der DDR-Rockmusik, so bietet Radio Doria nunmehr eigenständige Songs, an deren Entstehung er als Texter und Komponist aktiv mitgewirkt hat.
Sein Gesang ist ausdrucksstark und bietet viele Nuancen. Liefers bewegt sich zwischen Rock und Pop, ja sogar Liedermacherqualitäten sind erkennbar. Bei "Blutmond" höre ich Heinz-Rudolf Kunze heraus. Der 50-Jährige wirkt auf dem Album glaubwürdig, man vergisst sofort, dass hier einer der bekanntesten Schauspieler Deutschlands seine Lust an der Musik auslebt (auch Schauspielkollege Axel Prahl aus dem Münsteraner "Tatort" ist erfolgreich mit eigener Band auf deutschen Bühnen unterwegs). Zum Alibi singt Jan Josef Liefers wahrlich nicht. Der Musiker bleibt Musiker und der Schauspieler bleibt Schauspieler. Zu unterschiedlich in den Ansprüchen sind die jeweiligen Rollen.
Von Experiment kann beim Anhören der elf Stücke auch keine Rede sein. Liefers und seine Bandkollegen kommen sehr modern rüber und haben textlich einiges zu sagen.
Die Songs handeln von Beobachtungen aus dem Alltag und den Beziehungen zwischen Menschen, reflektieren diese jedoch aus dem Blickwinkel der Nacht. Das Gegenstück zu Alltag müsste 'Allnacht' heißen, aber schließlich gibt es dieses Wort noch nicht. Gemeint ist jene Zeit, in der die Sonne bestenfalls den Mond erhellt und wir am wenigsten Ablenkung von uns selbst finden. Dann entstehen die Momente zwischen Schlafen und Wachen, in denen unsere Empfindungen und Phantasien sich selbständig machen und kaum kontrollierbar in alle Richtungen fliegen.
Getreu dem Titel wandelt das poetische und vieldeutige Werk zwischen tranceartigen, traumwandlerischen Liedern, wie dem "Mondlied" und emphatischen Liebesliedern wie "Helden" oder "Liebe ist nicht wie Du". Die Ode an das ewige Kind in uns Menschen wurde in Form des Stückes "Verlorene Kinder" als erste Singleauskopplung veröffentlicht und gibt es, passend dazu, auch als Video.
Radio Doria verarbeiteten und vertonten aber auch alptraumartige Erfahrungen, wie im Song "Unbeschreiblich". Dieser entstand nach Liefers Reise ins syrische Kriegsgebiet und inspirierte ihn zu folgenden Textzeilen: »Ich habe den Krieg gesehen, der war nicht weit. Er wartet mit Geduld auf seine Zeit. Wenn einer käme, ihn zum Guten zu verklären, will ich nichts wissen, will nichts hören.«
Musikalisch lässt die Band ihrer Kreativität freien Lauf. Druckvoll-rockig, melodisch-nachdenklich und psychedelisch-traumwandlerisch sind die Lieder, auch eindringliche Liebeslieder sind zu finden. Mit dem Produzenten Alexander Freund wurde für "Die freie Stimme der Schlaflosigkeit" ein originärer Sound entwickelt. Entstanden ist ein kraftvolles Album voller Poesie und Vieldeutigkeit. Es mag zwar vereinzelt Anleihen an verschiedene deutschsprachige Popkünstler der Gegenwart haben, doch Radio Doria klingen erfrischend eigenständig. Popmusik mit Tiefgang.
Mich erinnern Radio Doria zuweilen ein wenig an die Frühphase der erfolgreichen schwäbischen Band Pur, und zwar zu jener Zeit, als deren Musik noch nicht so radiotauglich und massenkompatibel war. Es passt, denn auch hier dringen die Texte tief, sind alles andere als oberflächlich.
"Die freie Stimme der Schlaflosigkeit" bietet zu 100 Prozent handgemachte Musik, wie sie nur eine lange aufeinander eingespielte Band spielen kann. Radio Doria transportieren auf ihrem 'Debütalbum', das natürlich nur dem Namen nach eines ist, gute Laune und Lebensfreude. Somit macht das Anhören immer wieder aufs Neue Spaß.
Radio Doria gibt es natürlich nicht nur auf CD zu hören, die Band gibt regelmäßig Konzerte. So wie es sich für richtige Musiker gehört, die längst eine eingeschworene Fangemeinde haben.
Line-up:
Jan Josef Liefers (Gesang)
Johann Weiß (Gitarre)
Jens Nickel (Gitarre)
Gunter Papperitz (Keyboards)
Christian Adameit (Bass)
Timon Fenner (Schlagzeug)

Gast:
Jasmin Shakeri (Background-Gesang)
Tracklist
01:Verlorene Kinder
02:Liebe ist nicht wie Du
03:Radio Doria
04:Unbeschreiblich
05:Helden
06:Gute Nachrichten
07:So sieht man sich wieder
08:Rückenwind
09:Sehnsucht Nr. 7
10:Ein Halleluja
11:Blutmond
12:Mondlied
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