Return To Forever / The Mothership Returns
The Mothership Returns Spielzeit: 53:59 (CD 1), 58:49 (CD 2), 1:52:43 (DVD)
Medium: 2CD/DVD
DVD-Technik: Keine Angaben
Untertitel: Englisch, Französisch, Deutsch
Label: Eagle Rock, 2012
Stil: Jazz Rock


CD- & DVD-Review vom 20.08.2012


Steve Braun
Man kommt kaum umhin, den Einstieg mit einer großen Portion Pathos zu würzen:
Eine Legende kehrt zurück... aus der Ewigkeit... das 'Mutterschiff' des Jazz Rock ist wieder da!! Und wie: mit einer dicken, fetten Live-CD/DVD-Box "The Mothership Returns".
Man darf Return To Forever getrost als Urväter der rockigen Interpretation des Jazz bezeichnen. Nach Auflösung der Band im Jahr 1977 waren alle Mitglieder - zuvor jung, ambitioniert, aber über die Szene hinaus weitgehend unbekannt - Superstars. Spitzenmusiker, die nachwachsende Generationen entscheidend geprägt haben bzw. noch prägen werden! Zwar hat fraglos Miles Davis mit dem 1970er Klassiker Bitches Brew den Startschuss für den Jazz Rock gegeben, verlor sich aber danach etwas... vor allem in seiner Kokainsucht. Return To Forever entwickelten dagegen das, was in "Bitches Brew" begründet wurde, konsequent weiter - zumal Chick Corea und Lenny White an diesem Standardwerk maßgeblich mitgewirkt hatten.
Die 'klassische' Formation von Return To Forever schälte sich im Laufe der Jahre nach der Gründung 1971 heraus: Chick Corea, Stanley Clarke, Lenny White und Al Di Meola. Für mich war das Besondere an Return To Forever, dass hier ein Kollektiv auf der Bühne stand - allesamt gleichberechtigt, spielte sich keiner in den Vordergrund. Die treibende Kraft des Jazz Rock - die Rhythmusgruppe - war hier keinesfalls auf die Rolle als Taktgeber reduziert. Nein, es war (und ist) eine All-Star-Truppe, eine Band mit damals vier - heute fünf Charakterköpfen. Jeder von ihnen komponierte, produzierte, brachte sich als 'vollwertiges' Mitglied ein. Diese Gleichwertigkeit drückte (und drückt) sich auch in der Anordnung auf der Bühne aus: Alle sind in einer Linie angeordnet - keiner steht im Vordergrund.
Return To Forever erlebte zahlreine Inkarnationen - die neueste vor gut einem Jahr, als mit dem Violinenvirtuosen Jean-Luc Ponty und dem Gitarristen Frank Gambale zwei alte Kumpels von Chick Corea zu RTF stießen. Zu dem gebürtigen Bretonen Ponty muss nicht viel gesagt werden. Es dürfte bekannt sein, dass es seit dem Rückzug des Dixie Dreg Allen Sloan kaum einen vollkommeneren Geiger im gesamten Jazz-Genre gibt. Frank Gambale ist dagegen in Europa trotz seiner vielen Soloalben und seiner Zeit bei Chick Coreas Elektric Band ein eher karg beschriebenes Blatt. Corea hatte ja stets so seine Probleme mit Gitarristen. Mit dem gebürtigen Australier 'funktioniert' es dagegen prächtig, weil sich offensichtlich die beiden Egos einander nicht in die Quere kommen. »It's about the music« kommentiert Gambale in der Dokumentation auf der Bonus-DVD diesen Umstand lakonisch.
Die Musik auf "The Mothership Return" spricht für sich. Man kann durchaus von einem neuen Klassiker von Return To Forever sprechen. Für mich ist er in den vielen Stunden, in denen ich mich damit beschäftigte, zu einer 'Inselplatte' gereift.
Es ist ein Genuss, diese fünf Ausnahmemusiker beim Improvisieren zu verfolgen - wie sie mit traumwandlerischer Sicherheit aufeinander eingehen, Bezug nehmen und die Themen danach weiterentwickeln - auseinanderdriften, um wieder zusammenzuströmen. Chick Corea hat dabei sicherlich das ausgeprägteste Ego. Er gestaltet die Kompositionen maßgeblich, ob durch Soli oder Begleitung, wobei er nie einfach nur untermalt, sondern mit scharfen Einwürfen immer neue Akzente setzt. Stanley Clark gilt ja als einer der Urväter der Slap-Technik - unglaublich, wie kraftvoll er dabei seine 'Schlaghand' einsetzt. Aber er kann es auch durchaus gefühlvoll - in diesen Momenten, würde sicher ein Fretless-Bass noch besser klingen. Clark benutzt übrigens einen 'stinknormalen' Viersaiter und qualifiziert in seiner Virtuosität alle Benutzer von futuristischen Monsterbässen (Fünf-, Sechs-, sogar irrsinnige Neunsaiter gibt es mittlerweile) als 'Fratzenmacher', wie man hier im Saarland so schön sagt.
Lenny White - als dritter der 'klassischen RTF 'Mark II-Version' - trommelt enorm leicht und verspielt, dabei aber immer enorm druckvoll und präzise. Wie wichtig er für RTF ist, dokumentiert sich auch dadurch, dass er "The Mothership Returns" maßgeblich produziert hat.
Die 'Neuen' erweisen sich als 'Glücksfälle' für diese Jazz Rock-Legende, die damit in eine weitere Dimension eindringen dürfte. Ponty und Gambale sind derart dicht im Bandgefüge verwurzelt, dass man meinen könnte, sie wären schon immer dabei gewesen...
"The Mothership Returns" beginnt mit der "Mediavale Overture", die zumeist das 'Opening Piece' von Return To Forever war und ist. Einer Fanfare gleich geht es mit voller Kraft in das Set. "Señor Mouse", eine enorm verspielte Nummer, stammt aus den Zeiten der Elektric Band, deren Masterminds Chick Corea und Lenny White waren. Die Nummer entstand - nebenbei bemerkt - auf einem Schweizer Bauernhof. In der Dokumentation gibt Corea preis, dass er beim Schreiben der Melodie an eine Maus an der Steuerung eines Raumschiffes dachte. »Mehr ist da nicht dran...« meint er abschließend verschmitzt grinsend und löst damit schenkelklopfende Brüller bei seinen Kollegen aus. In der Live-Darbietung werden geschickt spanische Stilelemente verwoben, wobei sich Jean-Luc Ponty besonders auszeichnen kann.
"Shadows Of Lo/Sorceress" ist eine der wenigen White-Komposition, deren Melodie er übrigens auf dem Klavier entwickelt hatte. Hier geht es natürlich um 'Grooves' - in diesem Fall in B-Dur. Der Song war wohl DIE Powernummer auf dem letzten RTF-Album in der 'klassischen' Formation, "Romantic Warrior". Selbstredend wird er vom Publikum begeistert aufgenommen. Wenn dann auf den zweiten Teil, "Sorceress", 'umgeswitcht' wird, merkt man dem stampfenden Funk-Beat an, dass da ein Farbiger verantwortlich zeichnet.
"Renaissance" war die einzige Ponty-Nummer im Rahmen der 2011er Worldtour und ist seinem wohl schönsten Album, "Aurora" aus dem Jahr 1975, entliehen. Der Song zeigt die unglaubliche Bandbreite seiner Kreativität und wird zudem komplett akustisch - mit einem überragenden Stanley Clarke am Kontrabass - vorgetragen, was ihn zu einer besonderen Perle von "Mothership" macht.
"After The Cosmic Rain" ist wohl eines der bekanntesten RTF-Stücke, dem 1973er "Hymn Of The Seventh Galaxy" entliehen, das von vielen Jazzfreunden als das beste Album der Band bezeichnet wird. Live wird es natürlich auf mehr als die doppelte Länge 'hochgejazzt'. Sich langsam steigernd präsentieren hier alle Protagonisten ihre allerfeinsten Improvisationen. Das Paradestück der Doppel-Disk folgt mit "The Romantic Warrior", die dritte und letzte Nummer vom gleichnamigen Album - eine sehr typische Corea-Orchestrierung. »Ein seltsames Stück, aber wir haben es nun mal im Programm« kommentiert Stanley Clarke amüsiert. Ein sehr episches, eher getragenes Thema strömt breit und mächtig wie der Mississippi dahin.
Das "Adagio" aus "Concierto de Aranjuez", des spanischen Komponisten Joaquín Rodrigo bekanntestes Werk aus dem Jahr 1939, wird mit "Spain", einer Corea-Nummer abseits von RTF kombiniert. Ein ergreifendes, erneut rein akustisch interpretiertes Experiment! Ein legendärer Clarke-Gassenhauer, "School Days" (1976), beendet das Set. Der fulminante Rausschmeißer besticht natürlich durch des Komponisten geradezu hämmerndes Bass-Spiel. Generationen von Bassisten wuchsen mit dieser Nummer auf. Dieses Slapping in Verbindungen mit 'reingedroschenen' Akkorden war nicht nur für den Jazz Rock stilbildend. Live funktioniert das natürlich am besten - schade, dass es nicht auf die DVD gebannt wurde. Ein Break mit dem Riff von "My Sharona" (The Knack) - natürlich auf dem Bass intoniert - erzeugt ein dickes Grinsen beim Hörer. Als Zugabe beendet "Beyond The Seventh Galaxy", eine weitere Stimmungskanone der 'außerirdischen' 73er-Scheibe, diese Aufnahmen.
Die Bonus-DVD enthält neben einer etwa einstündigen Dokumentation Bildaufnahmen von zwei kompletten Stücken aus dem Set beim Montreux Jazz Festival 2011. Dazu der Sneak-Peek-Movie-Trailer zur Worldtour 2011.
Ein prall gefülltes 23-seitiges Booket und ein edel gestaltetes Digipak runden "The Mothership Returns" ab. Das Teil ist ein MUSS für alle Freunde des Jazz Rock!!
Line-up:
Chick Corea (piano, keyboards)
Stanley Clarke (bass, up-right bass)
Lenny White (drums)
Jean-Luc Ponty (violin)
Frank Gambale (guitars)
Tracklist
CD 1:
01:Medieval Overture (6:03)
02:Señor Mouse (12:10)
03:The Shadow Of Lo/Sorceress (16:05)
04:Renaissance (19:40)

CD 2:
01:After The Cosmic Rain (16:52)
02:The Romantic Warrior (18:20)
03:Concierto de Aranjuez/Spain (8:12)
04:School Days (11:21)
05:Beyond The Seventh Galaxy (3:44)

DVD:
01:Return To Forever: Inside The Music - Documentary (1:04:49)
02:After The Cosmic Rain (16:43)
03:The Romantic Warrior (22:06)
04:The Story Of Return To Forever - Trailer (8:48)
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