Ben Schadow / Dr. Eskapismus
Dr. Eskapismus Spielzeit: 34:56
Medium: CD
Label: Timezone Records, 2014
Stil: Pop/Rock

Review vom 08.03.2015


Markus Kerren
Von Ben Schadow ist zum einen zu lesen, dass er aus Duisburg stammt, zum anderen, dass er mittlerweile in Hamburg lebt. Außerdem ist er wohl ein gefragter Session-Musiker, der neben seinem Hauptbroterwerb jede Menge Songs schreibt und dann auch aufnimmt. Mit "Dr. Eskapismus" liegt nun die neueste Studioproduktion des Musikers vor, die mit elf Tracks und knapp 35 Minuten Gesamtspielzeit aufwarten kann. Auf deutscher Sprache stellt er darauf Ausschnitte 'seiner Welt' vor.
Der Geist der siebziger Jahre schwebt wie ein Adler über dieser Platte. Alle Kompositionen werden dem Protagonisten zugeschrieben, was sicher grundsätzlich auch der Wahrheit entspricht, wenn "Jenny" auch etwas an "Jennifer Juniper" von Donovan erinnert und der Refrain (sowie eine fette Gitarren-Hookline) von "All diese Leute" doch ganz deutlich von "All The Young Dudes" von
Mott The Hoople (geschrieben von David Bowie) geklaut wurde. Okay, gehen wir mit zwei (sehr, sehr fest) zugedrückten Augen mal davon aus, dass dies unbewusst geschah oder schlicht vergessen wurde, zu erwähnen...
Grundsätzlich haben die Songs von Ben Schadow ein sanft-rockiges Grundgerüst, das einerseits angenehm ist und niemandem weh tut, auf der anderen Seite aber auch keine wirklichen Akzente setzen kann und will. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass hier lediglich ein Korsett für die Texte bzw. den durchgehend im Vordergrund stehenden Gesang des Hamburgers geschaffen werden sollte. Wobei vor allem hier wohl der Schwachpunkt der Scheibe liegt, denn manchmal passt dieser sehr gut, manchmal ist es aber auch so, dass einzelne Songs 'etwas bis ziemlich' konstruiert wirken.
Was ich "Dr. Eskapismus" aber weder absprechen kann, noch will, ist dass die Scheibe einen sehr einnehmenden Charme versprüht. Und das hat mit einer gewissen Naivität bezüglich des Songwritings, aber auch der Texte zu tun. Erinnern tut das von der Simplizität ein bisschen an die ganz frühen Alben (bzw. speziell an "Daumen im Wind") eines Udo Lindenberg. Sehr cool kommen die hier und da eingesetzten Bläser (Trompete und Posaune) sowie das sehr schöne Cello, das allerdings ruhig etwas öfter hätte auftauchen dürfen.
Textlich gesehen erzählt Ben Schadow kleine Geschichten aus seinem Leben, wobei natürlich nach wie vor bzw. wie immer die Frage im Raum steht, wie hoch der Prozentsatz an Autobiographischem und Fiktivem dann tatsächlich ist. Ganz sicher kann sich der eine oder andere Hörer in dem einen oder anderen Text des Protagonisten auch wiederfinden. Davon abgesehen hört man den Lyrics ganz gerne zu, wenn sie auch nie wirklich große Offenbarungen darstellen und dies wahrscheinlich auch gar nicht wollen.
Letzten Endes bleibt festzuhalten, dass "Dr. Eskapismus" von Ben Schadow ganz sicher polarisieren wird. Bei einigen Musikfreunden wird der Daumen ganz tief in den Keller zeigen, andere werden großen Gefallen daran finden. Der Rezensent fühlt sich durchgängig um einige Jahrzente in die Vergangenheit zurückversetzt und hatte bei den Hördurchläufen stets ein Dauergrinsen (im positiven Sinn) im Gesicht. Am besten selber mal anchecken, um eventuell auftretende Missverständnisse gleich im Keim zu ersticken.
Line-up:
Ben Schadow (Bass, Gitarre, Orgel, Gesang)
Markus Baier (Schlagzeug, Percussion, Moog, Gesang)
Florian Jakob (E-Pianos, Synthesizer)
David Rieken (Gitarre)
Thomas Hannes (Bass)
Jan David (Schlagzeug)
Gregor Hennig (Piano)
Ekki Maas (Posaune)
Achim Schneider (Trompete, Flügelhorn, Cello)
Tracklist
01:Dr. Eskapismus (Thema)
02:Selbstgespräch vor dem Spiegel
03:All diese Leute
04:Mein Leben langweilt mich, wenn...
05:Jenny
06:Alles wird leicht
07:Fräulein M.
08:Ich gebe auf!
09:Ich will nichts mehr wollen
10:Es grüßt dein Feind, die Welt
11:Dr. Eskapismus (Reprise)
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