Spielzeit: 52:17 Medium: CD Label: Surfdog/Neo-Sony Music, 2009 Stil: Big Band Swing, Rockabilly Review vom 30.10.2007 Wolfgang Giese

Zwei Dinge stehen bei mir grundsätzlich in einem Zusammenhang: Brian Setzer und die Wiederbelebung des Rockabilly durch die Stray Cats, die zu Beginn der 80erJahre eine wahre Revival-Welle, vor allem in Großbritannien, auslöste.

Auch ich war diesem Fieber verfallen, "Rumble In Brighton", "Stray Cat Strut", "Runaway Boys", das waren mitreißende Stücke. Setzer, ein Fan von Big Band-Sounds, erfüllte sich möglicherweise einen Traum, als er 1994 eine ungewöhnliche Platte veröffentlichte: The Brian Setzer Orchestra, sozusagen 'volle Kanne' mit Bläsern besetzt. Nun folgt, 15 Jahre später, erneut ein solches Unternehmen.

Erstmalig stammen alle Tracks aus Setzers Feder, aber ob diese nachhaltig so im Gedächtnis haften bleiben werden wie jene, die er für sein erstes Orchester-Projekt, "The Brian Setzer Orchestra" aufnahm, wage ich zu bezweifeln. Dort verwendete er solche Titel wie "Route 66", "A Nightingale Sang In Berkeley Square" und andere.

Egal, ob Setzer hier nun neue Klassiker des 'Great American Songbook' geschaffen hat oder nicht, steht nicht zur Debatte. Betrachten wir diese Songs doch einmal losgelöst davon.
Auffällig ist hierbei die dazugewonnene Professionalität, ja, die Nummern klingen reifer als sie noch vor 15 Jahren tönten. Damals ein Versuch, heute mittlerweile Standard bei bislang mehreren Veröffentlichungen auf dieser Schiene. Entscheidend dazu beigetragen haben mag sicher der 87-jährige Profi-Arrangeur Frank Comstock, bekannt für seine Zusammenarbeit mit Künstlern wie Doris Day, Rosemary Clooney oder Benny Carter. Für neun der 13 Stücke hat Comstock seine Handschrift hinterlassen. Das ist echter 'Old Style'!

Es geht los:
"Trouble Train", 'Rockabilly Rules', oder doch nicht, denn das zwar grundsätzliche Rhythmusgerüst mit dem slappenden Bass und dem treibenden Schlagzeug wird jäh übertönt durch den massiven Bläsereinsatz, der eher eine voll besetzte Big Band ertönen lässt! Aber - es ist beides! Ist denn nun eine Synthese zwischen Swing und Rockabilly zustande gekommen? Ja, Setzer, mit der absolut professionellen Unterstützung Comstocks, kann das, und zwar in sehr faszinierender Weise.

"Songs From Lonely Avenue" - eine Straße mit vielen Typen, die sich hier herumtreiben, Verlierer, Gangster, Huren, Familienväter, Musiker, verliebte Paare, alle Schichten der Gesellschaft, verbunden mit Drogen und Alkohol, man stelle sich einen Film Noir vor, eine Szenerie in einer amerikanischen Großstadt, 40er oder 50er Jahre. Musikalisch wie thematisch hat Setzer versucht, einen imaginären Soundtrack zu schaffen, ja, er lässt uns teilhaben an dieser verruchten Umgebung.

Während die Soundtracks damaliger Filme in der Regel nur aus fragmentarischer Musik bestanden, ist nun jeweils ein volles Stück Bestandteil dieser Filmmusik. Ob es ein Titel mit Gesangsduo des Ehepaares Setzer (Ehefrau Julie Reiten singt auf "Gimme Some Rhythm Daddy") ist, ob Setzer den 'Crooner' à la Frank Sinatra auf "Lonely Avenue" heraushängen lässt - sehr schön übrigens neben den Bläser- die Streicherarrangements und das elegant-subtile Vibraphonsolo. Stets wird eine andere Stimmung perfekt eingefangen, und stets zeigt der Gitarrist, dass er nicht einfach der Solist der Stray Cats mit den so typischen Rockabilly-Soli ist, sondern in vielen stilistischen Sätteln fest sitzt. so besticht er durch verschiedene feine Soli, ganz besonders in den beiden Instrumentaltiteln "Mr.Jazzer Goes Surfin'" und "Mr.Surfer Goes Jazzin'"! Und zum Schluss gar, auf "Elena", beweist er sich als Flamenco-Gitarrist!

Im Vergleich zum ersten Orchesterwerk aus 1994 ist dieses reifer gelungen, die Stile gehen den Musikern locker von der Hand, und Setzer versteht es, auch gesanglich die unterschiedlichen Stücke atmosphärisch passgenau zu gestalten, auch er selbst ist auf "Songs From Lonely Avenue" gereift.

Ein klasse Album, das 9 von 10 RockTimes-Uhren verdient hat!

Und - es swingt verdammt scharf!