Ida Sand / True Love
True Love Spielzeit: 52:10
Medium: CD
Label: Act Music, 2009
Stil: Vocal Jazz

Review vom 17.04.2009


Joachim 'Joe' Brookes
»Ida Sand ist jung, hübsch und mit einer wunderbaren Stimme gesegnet.« Dieser Satz ist nachzulesen in meiner Platten-Kritik zu ihrem Debüt Meet Me Around Midnight.
Ihr Mann, der Gitarristen Ola Gustafsson war bereits auf ihrem Erstling vertreten und sie ist inzwischen Mutter einer Tochter geworden.
Ida Sand hat eine Familie und zum erweiterten Kreis gehören auch die Begleitmusiker, denn »… das Atlantis Studio in Stockholm ist fast so etwas wie unser zweites Wohnzimmer geworden, so viel Zeit haben wir dort schon verbracht. Es war also ein richtiges Familientreffen.«
Vielfältig verändert Nachwuchs die Sicht auf die Dinge. So auch bei einer Ida Sand… "As Long As You Love Me" sowie "True Love" sprechen da eine deutlich Sprache.
Dennoch sind ihre fünf Eigenkompositionen von ihrer Aura her recht unterschiedlich und bei der Auswahl der Coversongs beweist die Schweden Mut, aber auch Fingerspitzengefühl.
Waren es auf der Vorgängerplatte U2, die Eurythmics, Bill Withers oder Sam Hopkins, die sie zitierte, steckt sie schwerpunkmäßig jetzt in den 60er- beziehungsweise 70er-Jahren.
Dem gesellschaftlichen auf dem Kopf stehenden Tannenbaum gerecht werden?
Sand ist Jahrgang 1977 und da machten die Zitate ihrer ersten Scheibe aus ihrer eigenen musikalischen Sozialisation heraus schon Sinn.
Jetzt stehen sozusagen die alten Säcke, ähm, sorry, Songs wollte ich schreiben, auf dem Programm.
Wie immer bei fremdem Material, gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens, man spielt hart am Original entlang. Begibt man sich in diese Situation, ist eines gewiss: Ein hoher Langeweilefaktor. Auf recht dünnem Eis bewegen sich Musiker, die Mut zeigen und einen persönlichen Pfiff in die Chose bringen. Die Gefahr besteht, einzubrechen.
Ida Sand & Co. geht den schmalen Grad des zweiten Weges und begibt sich unweigerlich ganz nahe an den Abgrund. Absturz oder schwindelfreie Standhaftigkeit, das ist hier die Frage. Der Reigen der Covertracks wird gleich mit dem ersten Stück von "True Love" eröffnet. "Ventura Highway" stammt von Gitarrist und Sänger Dewey Bunnell, besser bekannt als Musiker bei der im englischen London formierten, damalig mit "A Horse With No Name" bekannt gewordenen Band America.
Trompete aus der Ferne, ganz sanft, von einem leichen Seidenschleier umweht, so geht es los. Eine akustische Gitarre gesellt sich dazu und dann Sands Gesang sowie der Kontrabass. Mit jazzige Grundlage versehen, entwickelt sich die Nummer zu einer feinen Mischung aus Jazz und Pop. Die Gitarren-Fills sind klasse und immer wieder lüftet die Trompete den Schleier, um schließlich zu einem Jazz-Solo anzuheben. Ida Sand behält festen Boden unter den Füßen!
Nach dieser gelungenen Einleitung werden wir mit einem eigenen Song konfrontiert. Für "Notice Me" sitzt die Schwedin an der Wurlitzer und mit einem wohl eher durch Handtrommeln gespielten Midtempo-Rhythmus stellt sie ihre Stimme in den Vordergrund, denn alle anderen, bis auf keine sanfte Farbtupfer aus der halbakustischen Gitarre ziehen an einem Strang. Sand soliert und zum Ende hin entschließt sich Gustafsson doch noch zu einem Solo.
Vom America-Track aus dem Siebzigerjahren switcht die Protagonisten zurück in den 60er-Jahre. The Bands "The Weight" ist dran. Eine zu große Last für die Schultern der Mutter? Die bluesige Musik mit ihrem Touch von Soul hat etwas, das man nicht von der Hand weisen kann. Allerdings hätte ich vor ihr eine tiefgründigere Interpretation gewünscht. Die viereinhalb Minuten sind nicht daneben, aber einen kleinen Schritt hat sie gemacht in Richtung…
Der Beginn lässt irgend etwas erahnen, nur nicht "Heart Of Gold" von Neil Young. Runter gearbeitet hat man das Stück, bis auf sein Gerüst entblößt und geblieben ist die Melodie und natürlich der Text. Sands 'Herz aus Gold' schlägt langsamer, hat eine bluesige Slide-Gitarre an Bord und Per Lindvall streicht sehr sensibel mit den Jazzbesen über die Felle. Kein Deuteln… Klasse, Ida!
Außer am Bass zupft hier nur dezent jemand anderes an den Saiten: Mit "Maniac Depression" von Jimi Hendrix schießt die Frau den Vogel ab. Lass die von zig Versionen bekannte Gitarrenarbeit doch mal eine Bassklarinette übernehmen. Mit der Wurlitzer erzeugt sie herrliche Flächen und die Nummer gefällt auch nach mehrfachem Hören. Super!
Den Klassiker "Loverman" zieht sie ebenfalls an einem dünnen Seil mit dem Piano auf ihre Habenseite. Der Peter Asplund ist an seiner Trompete fantastisch.
Ihren ganzen Soul in der Stimme legt sie in "Who's Gonna Help…" von Costello/Toussaint. Klasse Gustafsson-Solo und die Hintermannschaft sorgt für einen feinen Groove. An dieser Stelle ist es auch lohnenswert Ingela Olson als auch André De Lang als Chorsänger zu loben. Die leisten eine vortreffliche Arbeit. Bob Marleys "Redemption Song" ist eine brillante Piano-Ballade mit nur ganz wenigen weiteren Dreingaben. Eine klagende Lap Steel im Hintergrund und sonst nichts. Fest steht: Ida Sand macht viel aus den Vorlagen.
Ihre eigenen Kompositionen sind herrlich leicht beswingter Soul ("True Love"), balladesk-besinnliches mit Violine ("My Biggest Fear"), eine gefühlvolle Liebeserklärung mit akustischer Gitarre ("As Long As You Love Me") und ein blues-jazziges "Devil's Game" ohne Hektik aufkommen zu lassen, aber dennoch spannend arrangiert. Gustafsson spielt phasenweise eine Gitarre wie Derek Trucks.
Und singen kann sie allemal...
"True Love", eine Platte mit der man tolle Eigenkompositionen sowie Coversongs hervorragend genießen kann. Die Familienaffäre ist voll aufgegangen und sollte so erfolgreich fortgesetzt werden. Very well done, Ida!
Line-up:
Ida Sand (vocals, grand piano, Wurlitzer)
Ola Gustafsson (guitars, Dobro, pedal steel)
Mattias Torell (guitars)
Peter Forss (electric bass, upright bass, violin)
Per Lindvall (drums, percussion)

With:
Peter Asplund (trumpet, flugelhorn)
Magnus Lindgren (flute, bassclarinet)
Ingela Olson (backing vocals)
André De Lang (backing vocals)
Tracklist
01:Ventura Highway (4:52)
02:Notice Me (4:28)
03:The Weight (4:14)
04:My Biggest Fear (4:04)
05:As Long As You Love Me (4:17)
06:Devil's Game (4:44)
07:Heart Of Gold (4:02)
08:Manic Depression (3:24)
09:Loverman (5:31)
10:Who's Gonna Help Brother Get Further (3:51)
11:Redemption Song (3:32)
12:True Love (5:12)
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