Kai Strauss / I Go By Feel
I Go By Feel Spielzeit: 68:42
Medium: CD
Label: Continental Records, 2015
Stil: Blues

Review vom 01.11.2015


Mike Kempf
Liebe Leser, wer sich in den letzten Jahrzehnten mit Blues oder Blues Rock beschäftigte, orientierte sich vermutlich, so wie ich, meist am internationalen Markt, vor allem an dem der USA. Mittlerweile braucht der deutsche Blues(rock)liebhaber gar nicht mehr so weit über den Tellerrand zu schauen, denn - ob im Osten zum Beispiel so großartige Musiker wie Jürgen Kerth oder im Westen einst Henrik Freischlader, um nur einige zu nennen, den deutschen Blues zu mehr internationalem Glanz verhalfen - ich habe nun mit "I Go By Feel" eine neue Veröffentlichung (13. November) vorliegen, die aus dem Hause Kai Strauss stammt.
Apropos Henrik Freischlader: Hier gibt es mit Martin Meinschäfer eine Parallele, denn der 'Mischexperte', der bereits sehr erfolgreich für Deutschlands 'Blues Rock-Ass im Sabbatical' arbeitete, hat "I Go By Feel" perfekt abgemixt und gemastert. Somit kann ich für den Sound schon mal die volle Punktzahl vergeben, so wie die erste Sinnesorganfilterung des Albums bei mir für zahlreiche Hörorgasmen sorgte.
Nicht nur dass Kai Strauss richtig gut singen kann, es ist vor allem sein Saitengezupfe, das mein Inneres zu wahren Jubelarien veranlasst. Eher selten bekomme ich so einen gefühlvollen Gitarristen zu Gehör, der alle, aber auch wirklich alle spielerischen Finessen des Blues zu beherrschen scheint. Doch nicht nur das, er serviert seine Soli bei jedem Song auf den Punkt, und doch wirkt sein Spiel zu keiner Zeit steril oder abgedroschen. Ganz im Gegenteil, im Verbund mit seinen musikalischen Mitstreitern wirkt seine Drahtseilfingerakrobatik wie die mit den Attributen eines Livemitschnitts. Trotz der fast kompletten Ausschöpfung des Tonträgers, mit dreizehn Songs in weit über einer Stunde, setzt der Ausnahmemusiker nicht auf Quantität, sondern auf Qualität!
Ungeachtet seines hervorragenden Einzelkönnens möchte sich der gute Kai vermutlich gerne als Teamplayer verstanden wissen. So wäre zumindest sein Line-up mit sechszehn weiteren Künstlern begründet, bei dem mir ein weiterer Ex-Weggefährte Freischladers ins Auge fällt: Mister Mo Fuhrhop, der auf gut der Hälfte des Albums an seiner Hammond fleißig in die Tasten haut. Für die andere Hälfte der Lieder und mehr zelebrieren Christian Bleimings Fingerkuppen ein Piano, sodass entweder er, Fuhrhop oder beide zusammen dem Bandboss tolle Klangteppiche offerieren.
Mit Tommie Harris, Mike Wheeler und Tony Vega hat er sich nur Topsänger mit ins Boot geholt, die nicht nur glänzend Texte ins Mikro hauchen können, sondern bis auf Harris selbst extrem gut ausgebildete Gitarristen sind und Vega sich noch bei "Drinkin' Woman" als exzellenter Slide-Experte beweist.
Anspieltipps? Fehlanzeige! Warum? Weil es jedem einzelnen Song, jeden anderem Track - auch wenn zum Beispiel mit "Luthers Blues" an die Blueslegende Luther Allison gedacht wird - gegenüber einfach ungerecht wäre, besonders hervorgehoben zu sein.
Jeder einzelne Musiker unterstreicht ganz fett, ob als Sänger oder als Instrumentalist, seine jeweilige hervorragend gute Ausbildung. Dabei höre ich viel Respekt untereinander heraus, ein enormes Verlangen zusammen zu musizieren und extrem viel Spielfreude aller Akteure, die mich im Gesamtpaket von "I Go By Feel" zu 100% überzeugt. Kai Strauss kann sich glücklich schätzen, auf so großartige Künstler zurückgreifen zu können. Letztlich ist Kais aktuellstes Kunstwerk für mich ein musikalischer Hörgenuss, den sich der anspruchsvolle Musikfreund ohne vorheriges Reinhören problemlos zulegen kann. Eine Enttäuschung kann ich ausschließen.
Line-up:
Kai Strauss (vocals - #1,2,5,7,9,11, guitar - #1-13, - #4,6 [1nd solo] - #10 [2nd solo])
Tommie Harris (vocals - #3,8)
Mike Wheeler (vocals - #4,10, guitar - #4,6 [2nd solo] - #10 [1nd solo])
Tony Vega (vocals - #12, guitar - #5,7,12, slide guitar - #2)
Sax Gordon (tenor sax - #4,6)
Big Pete (vocals, harmonica - #13)
Kevin DuVernay (bass - #1,3,4,6,8-11)
Henrik Poulsen (bass - #2,5,7,12)
Hector Garcia (bass - #13)
Alex Lex (drums - #1,3,4,6,8-11)
Mads 'Tiny' Anderson (drums - #2,5,7,12)
Boyd Small (drums - #13)
Mo Fuhrhop (organ - #1,3,4,6,8-10)
Christian Bleiming (piano - #2,3,5-8,10,12)
Doug Woolverton (trumpet - #4,6)
Mark Earley (baritone sax - #6)
Thomas Feldmann (harmonica - #9,11)
Tracklist
01:A Fool Way Too Long (5:40)
02:Drinkin' Woman (3:00)
03:Luther's Blues (5:58)
04:Gotta Wake Up (4:41)
05:Knockin' On Your Door (3:48)
06:Back And Forth (5:14)
07:Midnight Shift (4:22)
08:Soul Fixin' Man (3:58)
09:Ain't Gonna Ramble No More (4:12)
10:Money Is The Name Of The Game (5:25)
11:I Take My Time (3:50)
12:I'm Leaving You (3:38)
Bonus Live Track
13:Early In The Morning (10:56)
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