Patti Smith / Twelve
Twelve Spielzeit: 56:48
Medium: CD
Label: SMI COL, 2007
Stil: Rock

Review vom 03.05.2007


Ilka Czernohorsky
Dass Patti Smith eine Rock-Ikone ist, dürfte wohl kaum jemand bestreiten. Krönung ihrer Karriere war die Aufnahme in die 'Rock and Roll Hall Of Fame' am 12. März 2007. Aber was interessiert einen um so mehr, als endlich in den Genuss des neuesten Werkes der Sängerin und Poetin zu kommen?
Eine Scheibe, prallgefüllt mit Coverversionen - nun ja… - mit Stirnrunzeln hab ich das zur Kenntnis genommen.
Aber hat nicht zum Beispiel auch ein Robert Plant ein komplettes und dazu noch hervorragendes Cover-Album abgeliefert? Kommt halt nur darauf an, wie geschickt oder ungeschickt man es macht.
Brian Ferry soll sich mit seinen Dylan-Covers ja nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben, wenn man den allgemeinen Meinungen darüber Glauben schenken darf.
Wer sich jedoch mit Pattis Schaffen auseinandergesetzt hat, der weiß, dass sie schon immer - gekonnt - gecovert hat. Wer verbindet zum Beispiel "Gloria" noch mit Van Morrison? Oder denkt doch nur an "My Generation" von The Who. Dieses Stück hat sich die 'Hohepriesterin des Punk' so lange zurechtgezimmert, bis es auf ihren schmalen Leib passte.
Bereits 1978 wollte sie ein Cover-Album einspielen, erzählt sie im beigefügten Booklet. Nun hat sie sich endlich diesen Traum verwirklicht, tief in die Rockkiste gegriffen, einige Songs, die ihr besonders am Herzen lagen, ausgesucht und diese mal mehr oder weniger gründlich entstaubt.
Eingespielt wurde "Twelve", gemeinsam mit ihrer 'Haus-und-Hof-Band': Lenny Kaye (Gitarre), Tony Shanahan (Bass, Keyboards) und Jay Dee Daugherty (Drums), unterstützt von diversen Gastmusikern wie u.a. Sam Shepard, Rich Robinson (Black Crowes), Flea (Red Hot Chili Peppers), John Cohen oder auch Peter Stampfel (ex-Holy Modal Rounders) sowie ihren Kindern Jesse und Jackson, die einige Gesangsparts beisteuern.
Die von ihr ausgewählten Nummern stammen, bis auf Nirvanas "Smells Like Teen Spirit" und der Tears For Fears-Nummer, aus den 60ern und 70ern, veredelt von Pattis teils nörgelnder, wütender, manchmal aber auch sehr sanfter Stimme.
Große Namen hat sie sich ausgesucht: Jimi Hendrix, Neil Young, die Rolling Stones, Beatles, Jefferson Airplane, Paul Simon, The Doors, Allman Brothers, Stevie Wonder, die bereits erwähnten Nirvana sowie Tears For Fears, und auch ihrem Idol Bob Dylan huldigt Patti gekonnt, nämlich mit "Changing Of The Guards" und sorgt damit gleich für Gänsehaut.
Mit ihren Darbietungen bewegt sie sich auch schon mal nah am Original, wie bei "Everybody Wants To Rule The World" und "Midnight Rider" - und doch gewinnen die Stücke durch ihre Interpretation jede Menge Charme.
Eine klasse Version bietet sie uns von Hendrix' "Are You Experienced?", mit dem das Album eröffnet wird. Tracks wie "Within You, Without You" von den Beatles, "The Boy In The Bubble" - flankiert vom Gitarrenmeister der 'Krähen', der hier einen Dulcimer einsetzt - oder auch die Doors-Nummer "Soul Kitchen" lässt Frau Smith ebenfalls in einem völlig neuen Licht erstrahlen.
Die feine Ballade "Helpless" von Neil Young wird von der Sängerin sehr zart und zerbrechlich interpretiert und wirkt dadurch noch melancholischer, als das Original.
"Gimme Shelter" dagegen donnert mit viel Kraft in der Stimme aus den Boxen und wird durch Fleas pumpenden Bass veredelt.
"White Rabbit" ist ebenfalls richtig frisch aufpoliert, hat das Stück jetzt ein sehr psychedelisches Gewand verpasst bekommen.
Ein mit Banjo gespielter Nirvana-Song? Nun, warum auch nicht. Jedenfalls hat Patti Smith das Stück ganz schön gezähmt und wenn sie plötzlich anfängt zu rezitieren, dann ist die um das Stück herumgeflochtene Musik sowieso nur noch schmückendes Beiwerk.
Und zum Abschluss schlängelt sich Stevie Wonders "Pastime Paradise" gekonnt in die Gehörgänge. Coolio, ihr wisst schon, der um den Kopf rum aussieht, wie ein Igel (oder noch besser: wie Ullis Pfeiffenreiniger), machte daraus "Gangster's Paradise", das vermutlich den meisten dadurch eher bekannt ist.
Fazit: Operation gelungen - Patient tot? Nein, wirklich nicht: Operation erfolgreich verlaufen!
Kleiner Tipp: Gar nicht erst auf die Trackliste schauen, sondern Scheibe einwerfen und genießen. Dann hat man das Gefühl, die Songs sind Pattis Eigenkompositionen, ihr sozusagen auf den zarten Körper geschneidert.
Line-up:
Patti Smith (vocals, clarinet)
Lenny Kaye (acoustic guitar, electric guitar)
Jay Dee Daugherty (drums, percussion, accordion)
Tony Shanahan (bass, keyboards, vocals)

Guests:
Jackson Smith (#2)
Tom Verlaine (#4)
Flea (bass - #4, 6)
Jesse Smith (#7)
Rich Robinson (#8, 11)
John Cohen (#10)
Sam Shepard (#10)
Walker Shepard (#10)
Duncan Webster (#10)
Luis Resto (#12)
Tracklist
01:Are You Experienced?
02:Everybody Wants To Rule The World
03:Helpless
04:Gimme Shelter
05:Within You Without You
06:White Rabbit
07:Changing Of The Guards
08:The Boy In The Bubble
09:Soul Kitchen
10:Smells Like Teen Spirit
11:Midnight Rider
12:Pastime Paradise
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