Saturnia / Muzak
Muzak Spielzeit: 64:19
Medium: CD
Label: Elektrohasch Records, 2007
Stil: Psycho Space


Review vom 18.02.2007


Ulli Heiser
Hinter Saturnia steht eigentlich nur eine Person, und zwar der Multiinstrumentalist Luis Simões, der das Projekt 1996 gründete. Gedacht als Plattform für Künstler unterschiedlichster Ausrichtung. Literaten, Fotografen, Designer oder Maler sollten zusammen mit Musikern, frei von Zwängen, der Kunst an sich frönen. Keine Grenzen der verschiedenen künstlerischen Betätigungsfelder usw.
Bis 1998 arbeitet Luis mit Filip Homem, einem Designer, zusammen. Als sich Luis entschied, 'nur' noch die Musik als Triebfeder für Saturnia zuzulassen, trennte man sich und Francisco Rebelo kam ins Boot. »Psych/prog head music of the seventies with its present day descendant: drug rave culture of drums & bass and jungle«, lese ich und schnaufe erst mal tief durch. Den Rockern unter uns gebe ich gerne Links zu weiterführender Literatur betreffend Jungle und Drum'n'Bass, da man damit in unseren Kreisen nicht alle Tage zu tun hat.
Danach arbeitete er mit Eduardo Vasconcelos und Vasco Pereira zusammen, bis 2000 Francisco Rebelo wieder als Mitmusiker dazu kam. "Muzak" ist nach "Saturnia", "The Glitter Odd" und "Hydrophonic Gardening" der vierte Output und für mich die erste Begegnung mit Luis, sodass ich keine Vergleiche ziehen kann. Inspiriert, weil in dieser Zeit entstanden, soll das Album von
Blasted Mechanism sein. Das ist eine erfolgreiche portugiesische Rock-Trance Performance-Truppe, der Luis drei Jahre angehörte und die in Portugal eine Nummer 1 Gold-Scheibe herausbrachten.
Erstaunlich (für mich) ist das angenehme Outfit der Songs, die prima ins Ohr gehen. Die anfängliche Skepsis gegenüber der Musik weicht einem entspannten Zurücklehnen und Genießen der Stücke, die stellenweise gar radiotaugliche Züge annehmen. "Kyte" zum Beispiel, ist schönes Easy-Listening für einen verregneten Samstagvormittag. "Om", nicht minder lässig, treibt unaufhaltsam nach vorne, textmäßig wird außer dem Wort »Om« nichts geboten, aber es bedarf auch keiner weiterer Worte, neben diesem gesprochenem spiritistischen Symbol. Spacig der Synthesizer im Stil der Siebziger und sehr, sehr melodiös.
Luis Simões hat sich Gäste ins Line-up geholt. Einen, dessen 'alte' Band wohl auch Luis sehr beeinflusst hat, schimmert doch immer wieder ein Fitzel dieser Band durch die verwobenen Strukturen dieses Albums. Die Rede ist von Gong und der Gastmusiker ist niemand Geringeres als Gong-Gründer Daevid Allen. Ein weiterer VIP unter den Gästen ist Nik Turner (Hawkwind). Interessant in der Musik ist Saturnias (der Name ist eine Zusammensetzung aus dem gleichnamigen Schmetterling, dem Planeten Saturn und [ich zitiere die Bandseite] »a natural/ecological, spacey/cosmic and hedonistic concepts.«) Art und Weise der Choreografie: Einfachen Mustern mit perfekten Melodien stellt man Exotisches an die Seite (das sind natürlich Instrumente, aber auch Notenfolgen, die für europäische Ohren erst mal ungewohnt klingen) und spielt dann mit supergeilen Rhythmus-Übergängen wie z. B. in "Analepsis". Dazu dieses unterschwellige Erzeugen von Fernweh beim Hörer... das ist schon stark und gäbe es musikalische Drogen - hier würde sich eine im Player drehen.
Viele der Nummern erzeugen bei mir auch eine Art Déjà vu. Man meint, Melodien und Arrangements schon mal gehört zu haben, sie hinterlassen ein positives Feeling und ich kann dieser Platte attestieren, beim Hörer genau das zu tun, was Musik letztendlich tun soll: Denjenigen vor den Lautsprechern für eine gewisse Zeit zu entführen. In was auch immer man entführt wird, es sollte begeistern, ablenken, erinnern, Emotionen bereiten... und genau das passiert hier.
Ist der Titelsong mit allen bisher genannten Attributen versehen, reißt einen das fremdartig klingende "Utterly Luminescen" erst mal aus dem Traum. Dann startet eine zarte, orientalische Melodie, die einen auf einen fliegenden Teppich packt, die Führung übernimmt und die Schönheiten des Orientes zeigt.
Apropos Schönheiten, natürlich ist auch das Covermotiv mehr als einen Blick wert und wenn man die CD aus dem Tray nimmt, schaut einem ein voller Aschenbecher entgegen, der, im Vergleich zum Cover, wohl einen 'hässlichen' Gegenpol setzen soll. Hmm, als Ex-Raucher, der immer noch der Gefahr des Rückfalls ausgesetzt ist, muss ich sagen, dass dieses Kippengrab auch was hat. Kommt eben immer drauf an, mit welchem persönlichen Hintergrund man ein Bild betrachtet und wo man Entzugserscheinungen verspürt. Analog kann man das auch auf die Musik übertragen, denn eine Scheibe wie "Muzak" hört man nicht alle Tage und wenn die zündet, dann saugt man die Klänge begierig auf. Wie eben ein rückfälliger Raucher, der gierig nach einer Zigarette greift. Nur wird der Hörer dieses Albums kein schlechtes Gewissen nach dem Genuss der CD haben und sie ohne gesundheitliche Bedenken immer wieder hören können. Hören müssen, denn irgendwie macht dieser Silberling auch süchtig.....
Line-up:
Luis Simões (vocals, electric & acoustic guitar [picked, bowed and e-bowed], lap steel guitar, guitar pedals, acoustic sitar, tampura, bass, philicorda, hammond organ, synthesizer, theremin, bisel flute, vibraphone, dulcimer harp, gong, chimes, sampled keyboards)
Francisco Rebelo (rhodes electric piano -#2)
Daevid Allen (spoken word -#10)
Nik Turner (flute licks -#2)
João Alves (acoustic six string guitar -#3, acoustic twelve string guitar -#5)
Flopi Simões (mid-section flute solo -#2)
Tracklist
01:Mindrama
02:Organza
03:Kyte
04:Infinite Chord
05:Analepsis
06:Aqua
07:Nipple
08:Utterly Luminescent
09:Hedge Maze
10:Syrian
 
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