Schandmaul / Sinnfonie
(Limited Edition 2 CDs & 2 DVDs)
Sinnfonie Spielzeit: ca. 180:30 (DVDs), 61:23 (CD 1), 63:05 (CD 2)
Medium: CD+DVD, Box-Set
Label: F.A.M.E. Recordings Publishing GmbH, 2009
Stil: Mittelalter/Folk-Rock


Review vom 15.07.2009


Tom Machoy
Wie, wenn nicht mit solchem Aufwand, könnte man einen zehnten Geburtstag besser feiern als es die Schandmäuler hier getan haben? Sie waren es, die hier feierten; sie waren die Akteure; sie haben daraus eine riesige Show inszeniert, mit Tausenden Fans, tollen Gastmusikanten, haben eine 10-Jahres-Jubiläums-Tour 2009 daraus gemacht und das Geburtstagskonzert ganz groß festgehalten. Denn neben einer Doppel-CD gibt es auch eine Doppel-DVD. Ich habe hier die "Limited Edition" - und die streng limitierte "Fan Edition" hat dazu noch ganz viele Sachen aus dem Merchandisingbereich zu bieten.
Also: 26 zu hörende Lieder auf den beiden CDs, 37 zu sehende Lieder auf der DVD mit einem Making Of ("Hinterwelt"). Und da alle CD-Titel auch auf der DVD sind, beschäftige ich mich damit; beschäftigte mich mit dem langen Konzert, in dem ich großartiges handwerkliches Können an den Instrumenten sehen und bewundern kann; sehe »wahre Musik voller Hingabe und Ehrlichkeit«; höre »märchenhafte Geschichten voller Fantasie und Zauber« gemischt in »verspieltem Folk und kernigem Rock« - genau so ist es!!! Schandmaul passen sehr gut - neben Corvus Corax/Tanzwut,
In Extremo, Saltatio Mortis, Subway To Sally oder Faun - in den Zauberkreis der Mittelalter-Rockbands, die dieses Land hier zu bieten hat. Und sie sind sehr beständig!
Und dass es Schandmaul Spaß macht, was sie da tun, unterstreicht auch folgende Aussage vom Thomas Lindner: »Wir sind menschlich und mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen geblieben. Wir sind einfach gute Freunde, die Spaß an dem haben, was wir tun und das transportieren wir auch nach draußen.« Hoffentlich bleibt das noch ganz lange so, dann habe ich sicher auch weiterhin noch viel Freude und Spaß an Schandmauls Musik - wie mit der "Hexenkessel", der "Kunststück", der "Mit Leib und Seele", der "Anderswelt" und nun mit der "Sinnfonie". Und allein an der Wahl der Titelnamen sieht man eigentlich, mit welch schöner Sprache die Gruppe umgeht.
Hier sei mir eine von zwei kritischen Bemerkungen erlaubt. Also, wer solche schön anzuhörenden und schön klingenden Worte wie Gekröse (obgleich es eher für Gedärm steht), Lichtgestalt, Tröte, Anderswelt, Kleinod, Maid, Barde, Flossenschwinger, Farbklecks, Feuertanz, Gebälk, Wahnsinn, rechtlos, … in seinen Texten gebraucht, muss nicht zu seinem Publikum mit »scheiße geil« oder »scheiße nervös« sprechen - dafür sind alle anderen Worte viel zu schön gewählt. Und den zweiten gleich hinterher - dann gibt es bloß noch lobende Kritik. Zunächst war ich von den schnellen Bildwechseln bei der Kameraführung und dem Aufspalten der Bilder verwirrt. Es gab für mich bei den schnellen Übergängen wenig Gelegenheit, die einzelnen Bilder gemütlich zu betrachten, es war erstmal ganz schön hektisch, was sich jedoch mit dem Voranschreiten des Films legte und dann wurde der Genuss umso größer.
Nun, Schandmaul ist ja nicht eben ein Wort für eine Zuneigungsbekundung an irgendwen - wer möchte heute schon ein 'Schandmaul' haben? Vor ew'gen Zeiten wurden Lästerlinge und Tratschtanten so bezeichnet. Nun, heute rufen 7.000 Fans dieses Wort.
Und sehen kann ich übernervöse, gleichwohl hoch konzentrierte Musiker, die gleich beginnen werden, ihrer Arbeit nachzugehen. Und die Nervosität verschwindet mit der Musik. Übrig bleibt die volle Konzentration; und es kommt Spaß dazu und es wird ganz, ganz toll.
In den ersten Reihen sehen alle gleich aus, Fans eben.
Das Konzert nimmt seinen Lauf und die Beiwohnenden werden kreuz und quer durch die Schaffenszeit von Schandmaul geführt. Ein wirklich weit umfassender Einblick in zehn Jahre Bandgeschichte. In alten Gewandungen und mit Geschmeide, mit neuem Equipment, mit alten Texten (z.B. "Vor der Schlacht", "Hofnarr", "Vogelfrei") und Themen (aber auch sehr gegenwartsbezogenen) zu moderner Musik auf teils alten und klassischen Instrumenten, wie Dudelsack, Tröte, Schalmeien, Drehleier, Violinen, Cello, Bratsche, Flöte - es ist eine sehr feine Mischung, die da, im Münchner Zenith, geboten wurde.
Drehe ich zwischendurch die Musik weg, meine ich auf einem Schwermetallkonzert zu sein. All die nach oben ausgestreckten Kleinen- und Zeigefinger, … witzig ist das! Und dabei ist es ein wunderbares musikalisches Gemisch aus Klassik und Rock, dank auch der geladenen Gastmusiker, die besonders den klassischen Part sehr hervorheben.
Es sind eben alles sehr gute und mir sehr lange bekannte Stücke, ob nun "Vor der Schlacht", "Missgeschick", "Anderswelt"; alle machen Spaß auch beim Zusehen. Da passiert so viel, Kleinigkeiten sind anders - einfach hinschauen und genießen!
Besonders wegen ihrer Interpretationen hervorzuheben, weil so gut gelungen, sind für mich "Die goldene Kette" (des Themas wegen) und "Das Drachenmedley": Hier wird ein musikalisches Tryptichon aus "Der junge Siegfried", aus "Drachentöter", das wie "Satisfaction" klingt, und aus "Krieger" geschaffen - und es umfasst einen 3-CD-Zeitraum. So wird das sicher nicht wieder zu hören sein. Und hierbei sei Benni Cellini erwähnt, der endlich auftaute und nicht mehr so grimmig drein schaute. Und in dem Zusammenhang noch: Eine feine instrumentale Darbietung von "Das Mädchen und der Tod" mit derben, dark-metallisch klingenden Gitarren von Thomas und Ducky, begleitet von wechselhaften farbigen und schwarz-weißen Bildern.
Mit dem "Trinklied" werde ich an Bellmanns Gesänge erinnert: Trinken, um das Leid zu vergessen, Trinken wegen der Geselligkeit, Trinken aus Freude am Leben, Trinken, um den Moment zu überleben.
Und dann zeigen die Schandmäuler, dass sie auch akustisch können. Akustisch, wie vor zig Jahren, wie die Folkbands aus den Siebzigern (z.B. Singspiel, Eulenspygel). Na ja, nicht ganz akustisch - der Bass ist eingestöpselt und Anna brilliert teils auf der E-Geige. Jedenfalls kommen "Drei Lieder", "Die Braut", "Das Teufelsweib" und "Sonnenstrahl" hervorragend rüber.
Anschließend gibt es ein Bass-Schlagzeug-Solo zu bewundern und unterstreicht mir die hervorragenden handwerklichen Fähigkeiten der beiden bisher nicht erwähnten Musiker: Matthias am 5-Saiten-Schandmaul-Bass (mit St. Pauli-Gelenkband) und Stefan am Schlagwerk, der sich wie ein Duracell-Männchen die gesamte Show hindurch bewegt. Das Solo ist nicht übertrieben lang, es ist sehr gut! "Das Tuch" vom "Pech und Schwefel"-Album beschließt die erste DVD. Und aus der Schandmaul-Akustik-Band wird wieder die Mittelalter-Rock-Band Schandmaul - und ich bin echt begeistert!
Zur zweiten DVD. Nach "Gebt Acht! - das Wesen ist erwacht …", bei dem das Publikum einmal mehr sehr große Textsicherheit beweist, treffen in "Herren der Winde" wieder ganz ordentlich Drehleier und Dudelsack auf elektronische Gitarren.
Ein erstes 'Ende' gibt es nach "Walpurgisnacht" von der CD "Narrenkönig"; jedoch folgen noch ganze neun weitere Titel.
Birgits Dudelsackspiel zu Beginn von "Sturmnacht" trägt schweren irisch-schottischen Charakter. Dazu trommelt Stefan (den Rhythmus von "Living In The Woods"), langsam kommen die anderen Musiker dazu. Zunächst ist noch nichts von "Sturmnacht" zu hören. Aber dann! Die Dudelsackfrau steht im Bühnenzentrum, bläst bekannte Melodien, alle anderen sind in diesem Titel hier schmückendes Beiwerk.
Sehr einfühlsam erzählt "Seemannsgrab" von Liebe und wiederum vom Tod - selbst, wenn es um die Liebe zu einem Wesen, einer Nixe geht. Wie ihr wisst, gehören aber immer zwei zu einer solchen Sache; und wenn es ihm auf dem Meeresgrund dann besser geht, soll es so sein - wunderschön!
Und so romantisch und fast akustisch (auch wieder mit Benni Cellini am Cello) geht es mit dem Einschlaflied für eine kleine "Prinzessin" weiter.
Ich muß ehrlich zugeben, "Feuertanz" erinnert mich an manchen Stellen an Metallicas "Nothing Else Matters", hört mal ganz genau hin.
Und dann beschließen Schandmaul mit einigen Klassikern das 10-Jahres-Jubiläums-Konzert. Wollt ihr es romantisch und leise? - "Willst Du" (CD "Wahre Helden"). Und selbst hier zum Ende des Konzerts kann Thomas mit einem klaren, sicheren, sehr einfühlsamen Gesang überzeugen. Übrig auf der Bühne bleiben Birgit (Flöte) und Ducky (klassische Gitarre).
Immer wieder geht die Kamera hinter die Bühne. Dort sieht man schon müde aber glückliche Musiker. Mit Danksagungen an die grandiosen Techniker und Organisatoren und mit "Dein Anblick" verabschieden sich Schandmaul an diesem Abend.
"Hinterwelt - Das Making Of" zeigt 24 Minuten: technische, aufwendige Vorbereitung, Fan-Interviews, sich auf das Konzert vorbereitende Musiker (außer Anna). Gut ausgewogen und abrundend!
Fazit: Wenn ihr Schandmaul kennenlernen wollt, ist das der ideale Kompletteinstieg, wenn ihr Schandmaul bereits kennt, ist es Pflicht!! Und deshalb gebe ich für das komplette Projekt
10 RockTimes-Uhren, was wohl sonst?!
Line-up:
Thomas Lindner (Stimme, Akustik-Gitarre, Akkordeon)
Birgit Muggenthaler-Schmack (Dudelsack, Flöten, Schalmeien, Gesang )
Anna Katharina Kränzlein (Violine, Drehleier, Gesang)
Martin "Ducky" Duckstein (E-Gitarre, klassische Gitarre, Gesang)
Matthias Richter (Bass)
Stefan Brunner (Schlagzeug, Percussion, Gesang)

Gäste:
Frau Schmitt von Subway to Sally (Viola)
Muttis Stolz von Letzte Instanz (Violine)
Benni Cellini von Letzte Instanz (Cello)
Benni Pfeifer (Gesang)
Marie Brandis (Gesang)
Caroline von Brünken (Gesang)
Tracklist
CD 1:
01:Vor der Schlacht
02:Kein Weg zu weit
03:Wolfsmensch
04:Der Hofnarr
05:Mißgeschick
06:Leb!
07:Lichtblick
08:Das Tröte-Mitgift-Medley
09:Anderswelt
10:Königin
11:Die goldene Kette
12:Das Geisterschiff
13:Kalte Spuren
CD 2:
01:Trinklied
02:Der Kurier
03:Drei Lieder
04:Das Teufelsweib
05:Das Tuch
06:Herren der Winde
07:Frei
08:Die Walpurgisnacht
09:Feuertanz
10:Der letzte Tanz
11:Willst Du
12:Denk an mich
13:Dein Anblick
DVD 1:
01:Intro
02:Vor der Schlacht
03:Kein Weg zu weit
04:Wolfsmensch
05:Der Hofnarr
06:Mißgeschick
07:Leb!
08:Lichtblick
09:Das Tröte-Mitgift-Medley
10:Anderswelt
11:Königin
12:Die goldene Kette
13:Das Drachen-Medley
14:Das Mädchen und der Tod
15:Das Geisterschiff
16:Kalte Spuren
17:Vogelfrei
18:Trinklied
19:Der Kurier
20:Drei Lieder
21:Die Braut
22:Das Teufelsweib
23:Sonnenstrahl
24:Wo ist die Eins?
25:Das Tuch
DVD 2:
01:Gebt Acht!
02:Herren der Winde
03:Frei
04:Die Walpurgisnacht
05:Sturmnacht
06:Das Seemannsgrab
07:Prinzessin
08:Feuertanz
09:Der letzte Tanz
10:Willst Du
11:Denk an mich
12:Dein Anblick

Bonus:
Hinterwelt - Das Making Of
Externe Links: