Shawn / Snowflake Sins & Liquor Stories
Snowflake Sins & Liquor Stories Spielzeit: 41:16
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2013
Stil: Rock

Review vom 20.11.2013


René Francke
Immer wieder erfreulich, welch interessante Symbiose malerische und musikalische Künste miteinander eingehen können. So geschehen auch bei dem Debüt "Snowflake Sins & Liquor Stories" der deutschen Rockband Shawn. Das Artwork jener LP, entworfen von der Künstlerin Joëlle Tourlonias, besticht mit seinen teils surrealistischen Nacktkörperzeichnungen in dunklen Braungrautönen auf vergilbtem Aktenpapier, auf dem außerdem ein geheimnisvoller Schreibmaschinentext zu erahnen, aber kaum noch zu entziffern ist. Die Zeichnungen erinnerten mich auf den ersten Blick - was die Körperformen angeht - an den Stil des Künstlers Salvador Dalí. "Snowflake Sins & Liquor Stories" ist ein Musterbespiel dafür, dass allein die Gestaltung einer CD oder Vinylplatte, diesem unerlässlichen und unvergleichlichen Bestandteil eines Originals, mich als Konsument bereits zum Kauf bewegen kann, ohne jemals zuvor die Musik darauf gehört zu haben. Und im Fall von Shawns Debütalbum hätte ich damit auch keinen Griff ins Klo riskiert.
Die aus Hanau stammende Combo Shawn wurde 2010 von den Brüdern Jens (Gitarre) und Morten Eckert (Bass), Christof Langner (Gesang, Gitarre) und Rachid Ratzmann (Schlagzeug) gegründet. Ihre musikalischen Einflüsse gehen vor allem auf den Brit Rock der 1990er zurück, in denen Gruppen wie Oasis oder Supergrass große Erfolge feierten. Ähnlich wie die eben Genannten sind Shawns Titel auf der einen Seite aus einem schlichten Singer/Songwriter-Muster aufgebaut, das erzählen will, auf der anderen Seite von eingängigen Pop Rock-Strukturen durchsetzt, die direkt den Weg auf die Tanzfläche weisen.
Im Winter 2012 nahmen Shawn "Snowflake Sins & Liquor Stories" im Treppenhaus Studio (Dieburg) auf und veröffentlichten ihr Werk im Mai dieses Jahres in Eigenregie. Die Klangqualität suggeriert einen herrlich verrauchten, engen Kellerproberaum, wobei die vier Jungs es geschafft haben, dass die Musik nicht zu blechern oder zu unausgeglichen wirkt.
In bester Folk/Country-Gitarrenmanier à la Johnny Cash geht's los mit "The Ice Princess", wobei das Timbre von Christof Langner an den Sänger Kai Wingenfelder von Fury In The Slaughterhouse erinnert. Stück Nummer zwei namens "Step Aside" ist Brit Pop par excellence, jedoch unplugged. "Snowflake Sins (As Long As We Dance)" ist ein einfacher, beschwingter Pop Rock-Song, der allerdings schon beim zweiten Hördurchgang restlos verpufft. Das liegt vielleicht auch daran, dass Sänger Langner hier nicht alle angepeilten Töne astrein trifft. Beim folgenden "Let Go" hebt das hessische Quartett die Qualität dann aber wieder um mindestens zwei Notenpunkte an. Jener Track erinnert mit seinem rockig drängenden Galopp-Riff an "No One Knows" von Queens Of The Stone Age, und ist die potenzielle Hitsingle dieser Scheibe.
Die atmosphärische Dichte des Liedes "The Tourist" malt eingangs die allmählich hereinbrechende Nacht über der Prärie, ehe der Refrain wie ein ungemütliches, trockenes Sommergewitter aufzieht. Im Dreiviertel-, respektive Sechsachteltakt liefert die Band hiermit ein formidabel progressives Musikstück ab, an dessen Ende Sänger Langner mit der ganzen Farbpalette seines stimmlichen Könnens vom besänftigenden Säuseln bis zum antreibenden Shouten überrascht.
"What It Takes" ist eine weitere typische Brit Rock-Nummer wie schon "Step Aside", nur dieses Mal nicht unplugged, sondern mit ranzig verstärkten Gitarren. Das düstere, an Stoner Rock erinnernde Solo von "What It Takes" demonstriert das überaus positiv beeindruckende Songwriting der Jungs. "Pure" ist klanglich wahrlich pur, aber nicht zu verwechseln mit Pur. Eher stand hier wieder Fury Pate. Anschließend kommt nach über zweiminütiger Stille noch ein Hidden Track zum Vorschein, dessen Stakkato-Riff allzu nah an "Step Aside" und "What It Takes" angelehnt ist - etwas mehr Variation täte an dieser Stelle gut. Nichtsdestotrotz ein schnuckliger Ausklang.
Was mir bei den Lyrics aller acht Titel gleich aufgefallen ist, ist die starke Ich-Bezogenheit: In den Texten wimmelt es nur so von I's und Me's, was mich persönlich ja eher abschreckt. Sei's drum.
In lebensfroher Leichtigkeit wird hier einiges an Klangkostümen an- und ausprobiert, was über den bequem massentauglichen Viervierteltakt hinausgeht, wobei Shawn peinlich genau darauf achten, dass ihre Musik durch künstlerische Tüfteleien nichts an Eingängigkeit einbüßt - mit Erfolg. Ein gelungenes Debüt, das neugierig macht auf mehr.
Line-up:
Jens Eckert (guitar)
Morten Eckert (bass)
Christof Langner (vocals, guitar)
Rachid Ratzmann (drums)

Tracklist
01:The Ice Princess
02:Step Aside
03:Snowflake Sins (As Long As We Dance)
04:Let Go
05:The Tourist
06:What It Takes
07:Liquor Stories
08:Pure [+Hidden Track]
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