Sky's Shadow / Romeo & Juliet
Romeo & Juliet Spielzeit: 46:21
Medium: CD
Label: Hammersound, 2010
Stil: Prog Musical

Review vom 07.10.2010


Boris Theobald
Kein halbwegs anerkanntes Werk menschlicher Literaturgeschichte ist sicher vor Rock- und Metalbands, die Stoff für Konzeptalben suchen. Da ist ja irgendwie schon verwunderlich, dass so ein Brummer wie "Romeo und Julia" noch 'frei' war ... okay, abgehakt. Die Leverkusener Prog Metal-Band Sky's Shadow hat sich den Shakespeare-Fünfakter vorgeknöpft und damit fast anderthalb Jahrzehnte nach Bandgründung sicherlich das Highlight ihres bisherigen Schaffens abgeliefert, eine Art Progressive Metal-Muscial, umgesetzt mit einem Mörder-Aufwand und einer ganzen Menge involvierter Musiker. Neben der fünfköpfigen Band samt Gastmusikern mischen eine Streicher- und eine Bläsersektion mit, außerdem Chöre in männlicher, weiblicher und gemischter Zusammensetzung.
Sky's Shadow-Sänger Tim Schneider kommt nicht nur als singender Erzähler zu Wort, sondern verleiht auch Romeo und weiteren männlichen Charakteren seine Stimme. Dabei zeigt er sich sehr facettenreich - klar, dass Romeo, wenn er Julia den Hof macht nicht so klingt, wie wenn er den verfeindeten Grafen Paris im blutigen Duell aus dem Weg räumt ... Als weibliche Gaststimme konnte Musical-Sängerin Daniela Sandhofer (u.a. "We Will Rock You" gewonnen werden. Sehr stimmig zur Dramaturgie des Erzählten und Besungenen ist auch die instrumentale 'Unterlage' gestaltet - Melodic Metal, der zwischen harten Riffs und lyrischen, Klavier-verzierten Passagen hin- und herpendelt. Und stets agiert die Band mit einem großen Bewusstsein für abwechslungsreiche Drives und Prog-lastige Rhythmik - ein bewährtes und hier wohl dosiertes Präventivum gegen Monotonie.
Unter den Songs sind eingängige Rockperlen wie das majestätische, Magnum-lastige "Masquerade", aber auch episch angelegte Stücke wie "Two Households" oder "Devil's Draw" - ohne markante Refrains: Man hat den Eindruck, dass die Songs hier passend zur Story voller Spannung weiter und weiter nach vorn drängen, wenn gerade die üble Fehde zwischen den Familien Montague (Romeo) und Capulet (Julia) geschildert wird, oder wie Romeo völlig aufgelöst zur Gruft der vermeintlich toten Julia eilt ... die wiederkehrenden Elemente in diesen Stücken tauchen eher unvermittelt auf - die Architektur ist zu kurzatmig, um lange auf Refrains hinzuarbeiten - Dauerspannung! Neben dem fast-finalen "Devil's Draw" hat das Album einen weiteren dramatischen Höhepunkt - das zentral platzierte "Hatred": opulenter Orchester-Bombast, mächtige Gitarrenriffs, ausdruckstarke Vocals.
Beim lyrischen, Piano-lastigen "Blessed Night" wird es allerdings arg kitschig - ein typisches Männlein-Weiblein-Gesangsduett, 100 Prozent Musical. Allerdings auch nicht schlecht, zumal Daniela Sandhofers sehr hohe Stimme einen guten Kontrast zu Tim Schneiders Gesang bildet. Die sehr positive Überraschung kommt aber erst vier Tracks später: In "The Last Prayer" werden Melodien, Harmonien und Gesangsduett von "Blessed Night" wieder aufgenommen und in Moll-Tonarten abgewandelt. Es ist nicht das einzige Mal, dass auf dem Album Passagen wiederkehren und variiert werden. Die "Overture" und das letzte Stück "Another Dawn" bilden einen großen Rahmen - die ersten und die letzten Takte von "Romeo und Juliet" gehören dabei dem wehmütigen Gesang des Erzählers, begleitet von elegischen Orchesterklängen.
Das bleibt im Ohr ... wie so vieles auf dem Album, darunter auch der überraschende funkige Groove von "Dangerous Love", die dramatischen Chöre im Vordergrund oder als Begleitung zum Lead Gesang oder die ausgedehnten Instrumentalpassagen auf hervorragendem technischem Niveau, zum Beispiel jene in "Hatred", bestehend aus einem akustischen Break mit Konzertgitarre, einem prächtigen Doppelsolo und einem beeindruckenden Keyboard-Gitarren-Duell. Erfreulich offensiv werden die Orchesterinstrumente eingesetzt, oft untrennbar mit den Metal-Riffs der Gitarren gekoppelt statt wie bei zahlreichen enttäuschenden anderen Beispielen im Rock-Business nur als peripheres Beiwerk mitzulaufen. Beim Instrumentalstück "Banished" erinnert die Klassik-Metal-Symbiose an den genialen Jelonek - stark!
Sky's Shadow haben mit "Romeo & Juliet sicherlich nicht die Welt der Rock Oper revolutioniert, aber doch ein überaus hörenswertes Stück progressiver Programmusik abgeliefert. Nur selten wirken die Stücke etwas konstruiert - dann aber gut konstruiert - in Sachen B-Note gibt es noch ein wenig Potenzial, was Tiefgang und Magie angeht, verglichen zum Beispiel mit den Vanden Plas-Epen. Doch sind Sky's Shadow auch anders ausgerichtet, gehen nicht so sehr ins Mystische, geheimnisvoll-Metaphorische, sondern wollen eine ganz und gar diesseitige Tragödie erzählen. Und das machen sie einfach stark. Anhänger von Avantasia, Genius & Co. mit verstärktem Hang zum Prog sollten hier unbedingt mal ein Ohr riskieren!
Line-up:
Tim Schneider (vocals, piano)
Christoph Wansleben (guitar, violin)
Tobias Schaaf (guitar)
Robin Steffens (bass)
Wolfgang Blank (drums, percussion)
Guest musicians:
Daniela Sandhofer (vocals)
Tobias Wolf (keyboard, piano)
Nils Gey (piano)
Doris Kanschik (flute)

Strings section
Brass section
Choir
Tracklist
01:Overture (3:30)
02:Two Households (4:12)
03:Masquerade (5:35)
04:Blessed Night (5:40)
05:Hatred (8:05)
06:Banished (3:29)
07:Dangerous Love (4:34)
08:Finale:
I. Devil's Draw (6:17)
II. The Last Prayer (2:19)
III. Another Dawn (2:37)
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