Spock´s Beard / Octane
Octane
Nein, auch das Review der zweiten Spock's Beard-Scheibe nach dem Ausstieg von Neal Morse kommt nicht ohne Nennung dessen Namens aus. Dafür war sein Einfluss auf die Band und auf die Musik einfach zu groß.
Insgesamt ist "Octan" das achte mit dem Branding Spock's Beard versehene Studioalbum. Aber viel gemeinsam hat es zumindest mit den ersten sechs Scheiben nicht mehr. Nick D'Virgilio und Dave Meros bestimmen mehr und mehr, wohin die Reise zukünftig gehen soll. Aber so richtig klar ist denen das Ziel wohl noch nicht. Insgesamt haben sich die Songs und die Arrangements weiter in so eine Art zweite Dimension ausgedehnt. Die für die Neal Morse Ära charakteristische dreidimensionale Spreizung der Musik, die vielschichtigen fast schon jazzigen Läufe und Rhythmen, tauchen auf "Octane" äußerst selten auf. Spock's Beard klingen jetzt eingängiger. Die Bandmitglieder bedienen ihre Instrumente natürlich mit der bekannten und bewundernswerten Souveränität, aber sie spielen "andere" Stücke darauf.
Allen Fans, die weiter nach Musik in dem Stil der ersten Spock's Beard Periode verlangen, sind mit dem letzten Neal Morse Album besser bedient als mit "Octane".
Um die Sache auf den Punkt zu bringen: Hört man "Octane" blind, wird man erst einmal nicht auf Spock's Beard als Verursacher tippen. Die Jungs befinden sich tatsächlich noch in einem musikalischen Selbstfindungsprozess. Es gibt nur noch wenige Merkmale, die für die "neuen" Spock's Beard typisch sind. Aber vielleicht kristallisiert sich in Zukunft wieder die eine oder andere charakteristische "New Beard"- Eigenart heraus. Die Grobstruktur des Albums kann man so beschreiben: Es wechseln sich kernige, progressive Rockstücke mit balladesken, gefälligeren Kompositionen ab.
Aber spätestens wenn Song Nr. 10 "The Planet Hum" erreicht wurde, ist klar, dass Spock's Beard augenscheinlich vor Kreativität bersten. Es deutet sich eine Ideenschwemme an, die von der Band nur mühsam kanalisiert werden kann. Vielleicht ist das mit ein Grund für die Vielfalt auf der Habenseite, aber auch für die Ziellosigkeit auf der Sollseite von "Octane".
Die Hörproben:
"The Ballett Of The Impact" ist ein würdiger Opener für eine Spock's Beard CD, egal ob alter oder neuer Couleur. Die Akzente setzen Okumoto-san mit seinen sphärischen Keyboard-Teppichen und Mr. Dave Meros am Bass. Da hat er sich einen fabelhaften, treibenden Grundrhythmus einfallen lassen. Leute seiner Klasse machen aus dem Bassbeil einfach mehr. Trotzdem, nach dem Song neigt man zu kollektiven "Ryo, Ryo, Ryo" Rufen.
Mit einer anderern Instrumentierung gespielt, wäre "I Wouldn' t Let It Go" eigentlich eine Country Nummer. Könnte dann locker auf einem besseren Album dieses Genres vertreten sein. Positiv ist, dass man sich jetzt nun mal keine Country Platte zu kaufen braucht, um dies Liedchen hören zu können. Denn wie wir ja wissen, erhöht der regelmäßige Genuss von Country Musik die Suicidal Tendencies. (siehe RockTimes News Nr. 185).
Ja, sind wir jetzt auf einer guten Rush- Platte gelandet? Der Riff von "Surfing Down The Avalance" weckt doch diese Assoziationen. Aber Nick D'Virgilio hat einfach eine bessere Stimme als Geddy Lee. Auch die Breaks sprechen für sich.
Alan Morse Gitarrensolo in "She Is Everything" ist göttlich. Er lässt es traurig heulen, er erzeugt mit Feedbacks und Obertönen gekonnt Stimmungen, er fliegt rasant über die Lagen. Toll! Alleine schon deswegen gehört der tragende, dramatische Song zu den Highlights der CD.
Das Instrumental "NWC" ist ein Spielplatz für alle Musiker. Sie agieren so vertrackt und so dreidimensional wie es früher bei Spock's Beard der Fall war. Die Tempowechsel treffen sicher und die Soloeinlagen werden in den verschiedensten Klangfarben präsentiert.
Spock's Beard haben sicherlich den Status der "undisputed Progressive Rock Champions" verloren. Aber "Octane" ist eine so klasse Scheibe geworden, dass sich die Band locker in der Spitzengruppe behaupten kann. Benutzt mal wieder die "Repeat"-Taste, Leute, eure Lauscher werden es euch danken.
Spielzeit: 55:57, Medium: CD, Insideout Music GmbH, 2005
1:The Ballet Of The Impact, 2:I Wouldn't Let It Go, 3:Surfing Down The Avalanche, 4:She Is Everything,5:Climbing Up That Hill,6:Letting Go,7:Of The Beauty Of It All,8:NWC,9:There Was A Time,10:The Planet's Hum,11:Watching The Tide,12:As Long As We Ride
Olli "Wahn" Wirtz, 16.01.2005