The Stranglers / Giants
Giants Spielzeit: 42:41
Medium: CD
Label: Ear Music, 2012
Stil: Punk

Review vom 26.02.2012


Holger Ott
Vorsicht, wenn es draußen dunkel wird, die 'Würger' treiben wieder ihr Unwesen. Nachdem es sechs Jahre ruhig um die letzten Urgesteine der Punkbewegung war, bringen The Stranglers mit "Giants" endlich ihr siebzehntes Album auf den Markt. Ab dem 9. März liegt die Scheibe im Handel, und birgt neben den gewohnten Klängen der Stranglers einige Überraschungen. Im gleichen Atemzug ist die Band um Gründungsmitglied Jean-Jacques Burnel auf ausgedehnter Europa-Tour, und legt ihre würgenden Hände auch um die Fans in drei deutschen Städten. Zu meiner Freude zählt dazu auch Berlin, und neben dem Konzert, welches am 21. April stattfindet, bekommt RockTimes auch die Gelegenheit, bereits nächste Woche ein ausführliches Interview mit der Band zu führen. Da lasse ich es mir doch nicht nehmen, meine alten Platten vorzukramen und zur Unterschrift bereit zu legen. Da ich es bislang auch versäumt habe, die 'Würger' auf der Bühne zu erleben, freue ich mich natürlich auf das Konzert, bei dem garantiert die alten Hits der ersten LPs zelebriert werden.
Das neue Werk "Giants" lässt hoffen, dass die Truppe nach sechs Jahren Abstinenz ihre Hausaufgaben gemacht hat; der Titel verspricht zumindest einiges. Eingeläutet wird die CD durch ein Instrumentalstück. Eher ungewöhnlich, aber warum nicht. Die Musiker beweisen erst einmal, dass sie ihr Handwerk auch im gesetzten Alter nicht verlernt haben. Auf jeden Fall ist "Another Camden Afternoon" ein gelungener Opener. An die guten alten Punk-Zeiten knüpft "Freedom Is Insane" an. Die Musik der Stranglers war ja damals nie der Haudrauf-Punk ihrer Konkurrenten - im Gegenteil, ihre Musik war immer sehr niveauvoll und musikalisch ganz weit oben angesiedelt. Diesem Stil sind sie auch auf "Giants" treu geblieben - Punk mit einem Glas Sekt in der Hand.
Bester Beweis ist eben "Freedom Is Insane", gleichzeitig auch mit über sechs Minuten der längste Track der CD. Nur ein bescheidenes 'na ja' erhält der Titelsong von mir. Irgendwie springt da bei mir der Funke nicht über. Ich habe wohl zu viel erwartet und bin etwas enttäuscht. Deutlich besser hingegen ist "Lowlands", das mit sehr viel Power rüberkommt. Die erste Überraschung der Scheibe, deren Titelbild vier Galgenstricke, befestigt an einem Klettergerüst zieren, auf das ein kleines Mädchen ungläubig blickt, bietet "Boom Boom". Da dringen doch tatsächlich Country-Klänge in meine Ohren. Der Titel ist ausgesprochen schön und ich fühle mich auch überhaupt nicht beleidigt, dass er nichts mit Punk oder dergleichen zu tun hat. Im Zusammenhang mit dem Galgen denke ich nur ständig an 'Spiel mir das Lied vom Tod'. Ob das die Kleine auch denkt, als sie ihr verschandeltes Klettergerüst betrachtet? So lieben wir aber die Band, immer zu einem kleinen zweideutigen Scherz aufgelegt.
"My Fickle Resolve" gehört JJ Burnel. Sein Bass-Intro erinnert an "Peaches" und lässt mich frohlocken. Zum krönenden Ende dieses wunderschönen, ruhigen Titels gehört ein harmonisches Keyboard-Solo von Mr. Dave Greenfield, der immer wieder kleine Einlagen seiner Kunst in die verschiedenen Titel einstreut, und somit die Musik sehr schön untermalt. Nach diesem ruhigen Intermezzo geht es mal so richtig heftig zur Sache. "Time Was Once On My Side" rockt, was das Zeug hält, und die Vocals überschlagen sich fast dabei. Leider ist der Song zu schnell zu Ende und meine Erwartung der kommenden Dinge ist hoch angesiedelt. "Mercury Rising" trägt die Handschrift von Dave Greenfield und spielt in den Zeiten, als Synthesizer das Sagen auf der Bühne hatten. Der Song ist sehr gewöhnungsbedürftig und trifft nicht unbedingt meinen Geschmack. Zum Glück steigert er sich noch zu Ende hin, und lässt mich nicht total verzweifeln.
Dafür bahnt sich die nächste Überraschung auf "Giants" an. Ein in Spanisch gesungener Tango, mit dem traurigen Titel "Adios" lässt mich hellhörig werden. Zuerst muss ich meine Ohren ein paar mal spitzen, um das Spanisch zu erkennen, geht es doch in dem ungewöhnlichen Rhythmus unter. Dennoch kann ich mit ruhigem Gewissen behaupten, dass der Titel sehr schön ist und es verdient hat, mehrmals gehört zu werden. Meine Ahnung beläuft sich darin, dass die Band das Stück bestimmt auf ihrer Tour spielt, um eine neue Facette ihres Könnens zu zeigen. Nach zehn Songs und etwa 43 Minuten ist CD Nummer siebzehn leider schon zu Ende. Um dahin zu gelangen, haben die Stranglers "15 Steps" gebraucht, wie in ihrem Abschlusssong zu hören ist. Ein flottes Stück Musik bildet das Ende und schlägt wieder in die Kerbe des Anfangs ihrer inzwischen fünfunddreißigjährigen Karriere. Viele Gitarren- und Keyboard-Soli geben dem Song eine tolle, mitreißende Note, und runden eine sehr gelungene Scheibe ab. Die 'Würger' sind endlich zurück, und ihr fester Griff um den Hals kann nur als ausgesprochen angenehm bezeichnet werden.
Line-up:
Jean-Jacques Burnel (vocals, bass)
Baz Warne (vocals, guitar)
Jet Black (drums)
Dave Greenfield (keyboards)
Tracklist
01:Another Camden Afternoon
02:Freedom Is Insane
03:Giants
04:Lowlands
05:Boom Boom
06:My Fickle Resolve
07:Time Was Once On My Side
08:Mercury Rising
09:Adios (Tango)
10:15 Steps
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