Subsignal / Touchstones
Touchstones Spielzeit: 75:32
Medium: CD
Label: GoldenCore/ZYX, 2011
Stil: Prog Metal


Review vom 15.11.2011


Boris Theobald
Der Vorhang öffnet sich - und nach dem 2009er-Debüt "Beautiful & Monstrous" bitten Subsignal zum zweiten Mal zur Zaubershow. Es ist die Band, in der die Magie von Sieges Even weiterlebt. Gitarrist Markus Steffen prägt den unnachahmlichen Klang der Band - beider Bands - mit seinem Gitarrenspiel, und Sänger Arno Menses mit seiner Stimme irgendwo zwischen zarter Zerbrechlichkeit und glasklarer Power. Doch mit Drummer Roel van Helden (Sun Caged, Powerwolf), Basser Ralf Schwager und - ganz besonders - Keyboarder David Bertok (beide Dreamscape) spielen weitere Einflüsse mit hinein. Auf "Touchstones" dürfte sich die Band sogar noch ein wenig mehr freigeschwommen haben.
"As Dreams Are Made On" ist ein Beispiel für so einen Song, der mit seinem technisch versierten Keyboard-Gitarren-Geflecht recht wenig mit Sieges Even zu tun hat. Dafür ist das Stück ein modernes Prog Metal-Brett - straight und eingängig und dennoch zugleich komplex und kompliziert, mit so vielen Feinheiten, die sich erst Hördurchgang für Hördurchgang entfalten. "The Essence Called Mind" ist nicht minder Keyboard-lastig - sehr direkter Prog Metal mit hellen, verspielten Yes-Einsprengseln und ... Toto-Parts? Das mag ein subjektives Hörgefühl sein - für mich aber ein Beweis dafür, dass Subsignal tatsächlich gern über den berühmten Tellerrand hinausschauen und wahrlich 'entfesselt' aufspielen.
Apropos 'Tellerrand': Der lyrische Klavierrahmen in der herrlich bedrückenden Epik-Ballade "Embers Part 1: Your Secret Is Safe With Me" (langsam, aber sooo intensiv!) erinnert ein wenig an alte Marillion mit Fish. Doppelläufe von Gitarre und Keyboards wie im Opener "Feeding Utopia" an Enchant. Und dann leisten sich Subsignal sogar eine Gastsängerin. "The Lifespan Of A Glimpse" ist ein Duett von Arno Menses und Soul- und Musicalsängerin Isabell Flössel. Gerade zwischen den dramatischen, zerklüfteten Heavy-Riffs, gespickt mit David Bertooks unheimlichen Synthies (ein Touch von Redemption), eröffnet die zweite Stimme ein zusätzliche Dimension ...
... eine von gefühlten Tausend. 75 Minuten lang kreieren Subsignal atmosphärische und emotionale Extravaganz. Ohne Vorwarnung wechseln sie zwischen lyrisch-verzaubernden, kristallinen Musik-Mosaiken und der Brachial-Melancholie düsterer Heavy-Riffs. Die Architektur der Songs ist ausgefallen, das Handwerk ganz groß, ohne dass es über Gebühr zur Schau gestellt wird. Nichts klingt konstruiert. Subsignal wirkt intuitiv. Ein Wechsel aus 5er- und 6er-Rhythmus im Zwei-Takte-Takt - so könnte ich den Refrain von "My Sanctuary" technisch-analytisch beschreiben. Unter dem emotionalen Eindruck des gehörten aber eher so: eine majestätisch-melancholische Melodie, eindringlich und anmutvoll, von schwereloser Eleganz, nie den Boden berührend.
Mal erscheinen Subsignal (verständlicherweise) im Sieges Even-Stil, so zum Beispiel bei den ausgedehnten Spannungsbögen von "Finisterre" (spanischer Titel zur englischen Textzeile »The end of the world ...«) - ein Stück von fast erdrückender Schwermut. Doch auch hier bedeuten die hintergründigen Piano-Kaskaden in den Breaks der Gitarre schon wieder eine Besonderheit im musikalischen Detail-Kosmos. Und bei Songs wie dem überraschend eingängigen "Feeding Utopia" oder "As Dreams Are Made On", das maßgeblich vom verzwickt-genialen Miteinander von Gitarre und eben auch Klavier- und Synthieklängen bestimmt wird, da führen die Spuren noch deutlicher in eine andere musikalische Richtung.
Unterm Strich bleibt Gitarrist Markus Steffen trotzdem die prägende Kraft. So oft zaubert er nach wie vor diese übermenschlich schönen Gitarrenarpeggien aus dem Hut. Nicht nur die erinnern mich so angenehm oft an Rush-Vorbild Alex Lifeson, sondern auch einige ruhige, aber sensationell tiefgehende Soli wie in "Feeding Utopia", oder "Wingless", die genau so gut auf "Presto" oder "Roll The Bones" hätten stehen können. Und auch diese traumhaft schönen, aber doch unkitschig behandelten, introvertierten Melodien in "The Size Of Light On Earth" und "Wingless". Sie steigern sich in lichtgeflutete, ergreifend kraftvolle, warme Atmosphären. Das hat - ohne abzukupfern - etwas von "Bravado".
Die imposantesten Momente von allen hinterlässt "Touchstones" vermutlich im Titeltrack. Der Elfminüter beginnt mit tieftraurigen, beinahe in sich erstarrenden Streicherklängen, die plötzlich von tiefen, aggressiven Progressive-Riffs brutal durchstoßen werden. Das trägt moderne Matheos'sche Züge - wenn da aber nicht noch diese Klavierklänge wären ... das folgende Auf und Ab zwischen beängstigendem, niederschmetterndem Monumental-Prog und aufhellenden, atmosphärischen Hoffnungsschimmern ist ein aufgewühltes und aufwühlendes, ergreifendes Musikerlebnis. Das lange, zart-schwerelose (und als solches überraschende!) Outro mit Arno Menses' Kopfstimmengesang ist zum Heulen schön. Und nach einem solchen Track folgt dann als Schlussstück das dynamische, Kraft spendende "Con Todas Las Palabras", dessen Melodie fast euphorisch zelebriert wird. Welch eine fabelhafte Achterbahnfahrt!
"Touchstones" hinterlässt Eindruck. Das ist eines dieser Alben, die noch lange nicht aufhören zu wirken, wenn der letzte Ton verklungen ist. Und es wächst ... anfangs, beim 'schnellen' Hören, hätte ich es beinahe unterschätzt.
Line-up:
Markus Steffen (guitars)
Arno Menses (vocals)
Ralf Schwager (bass)
David Bertok (keyboards)
Roel van Helden (drums)

Guest musician:
Isabel Flössel (vocals - #9)
Tracklist
01:Feeding Utopia (5:21)
02:My Sanctuary (5:09)
03:Echoes In Eternity (5:24)
04:The Size Of Light On Earth (6:04)
05:As Dreams Are Made On (4:42)
06:Wingless (6:10)
07:Finisterre (6:41)
08:The Essence Called Mind (4:37)
09:The Lifespan Of A Glimpse (6:11)
10:Embers - Part I: Your Secret Is Safe With Me (8:35)
11:Touchstones (11:03)
12:Con Todas Las Palabras (5:27)
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