Sunchild - Antony Kalugin Project
The Invisible Line
The Invisible Line Spielzeit: 69:29
Medium: CD
Label: Caerllysi Music, 2009
Stil: Neoclassic Prog

Review vom 22.07.2009


Ingolf Schmock
Was verbindet eigentlich den ukrainischen Komponisten und Multiinstrumentalisten Antony Kalugin mit dem einst exorbitanten Zeitgenossen Sergei Rachmaninow?
Außer der Herkunft und dem sicheren Händchen für sinfonische Dichtungen im Grunde der nüchterne Wille, im Geiste hauptamtlich ihren musischen Obsessionen begierig nachzuspüren, um diese für sich maßlos auszuschöpfen.
Der Ukrainer hat sich für sein neuestes Mammutwerk mal eben eine ganze heimatliche Musiker-Armada gechartert und delegiert diese mit überschwänglicher klassischer Extravaganz durch die durchaus konzeptionell gestalteten Arrangements.
In Traditionen verankerte Neo Prog-Gläubiger, die zu gern diesem Anachronismus hemmungslos huldigen, werden sich dabei das eine oder andere musikalische Trüffelhäppchen am Gaumen zergehen lassen, wogegen Gourmets polyrhythmischer Ergüsse wohl nur wenige Krümelreste erstöbern dürften.
Sehr nah verankert an süßlich-klassizistischen Strukturen evozieren die elf Stücke, welche sich im Spielraum zwischen zwei und fünfzehn Minuten bewegen, den Ideenreichtum aseptischer Neo Prog-Kapellen der 80er Jahre und deren weichgespülter Synthesizer-Opulenzen, um sich summierend hinter all ihrer überbordenden Kreativität in kompositorischer Substanzlosigkeit zu verzetteln.
Kalugins neuestes Projektbeispiel versucht zwar mit sehr viel Leidenschaft und guten Absichten, seinen rührseligen musikalischen Ergüssen weitestgehend eine exotische Note hinzuzufügen und sie von allerlei synthetischen Geschmacksverstärkern freizuhalten, was im Ergebnis dennoch leider nur ansatzweise zu gelingen vermag; stattdessen wird Breitwand-Pathos im Nippes-Format serviert.
Man muss diesem äußerst produktiven Musiker und seinem Ensemble aber zu Gute halten, dass es im instrumentalen Design so manches versponnene Detail und so manche atmosphärische Ambivalenz zu erhören gilt, deren wahres Format allerdings unzählige Durchgänge erfordert.
Kalugin rollt meterdicke, schmierige Synthie-Teppiche aus, lässt seine Musikanten gottlob aber nicht zum schmückenden Beiwerk verkommen, integriert das geschmackvolle Handwerk routiniert und emanzipiert in seine schwüle symphonische Seifenoper.
Die besten Akzente kreiert das Mini-Orchester durchaus immer dann, wenn barocke sowie folkloristische Themen, sogar jazzige Passagen aus dem ukrainischen Klanglabor huschen, um die allenfalls von epischen Gitarreneinsätzen frisierte Ödnis zu einem kraftmeiernden Klang-Gestus zu erheben.
Immer dann, wenn Arrangements an Fahrt gewinnen, ein romantischer Eckensteher-Geist durch die Stimmung schleicht, und die virtuos arbeitende Musikergesellschaft sich redlich bemüht, dann zerbröseln die wirkungsvoll verhaltenen Soundschwelgereien an jubilierenden Frühachtziger-Pop-Scheußlichkeiten, wobei der akzentbelastete wattierte Gesangstil Kalugins dementsprechend auch nicht unbedingt als feingeschliffener Juwel zu erstrahlen vermag.
Sicherlich strotzt der Mann, hinsichtlich seiner Veröffentlichungspolitik vor Schaffenskraft, neigt beim Komponieren aber bedauerlicherweise dazu, trotz sensibler bzw. verführerischer Melodien diese mit reichlich übertriebenen instrumentalen Zutaten zu verkleistern. Den Segen dagegen bescheren diesem zwar verspielten und zugleich staubtrockenen Machwerk die wiederholten sopranen Leistungen von Olya Kaganyuk, welche neben einem hauchenden Saxofon und den feierlich geschmalzten Gitarrensoli der lichtdurchfluteten Suite - dem gleichzeitigen Höhepunkt "Line In The Sand" - erst die nötige Weihe verleihen.
Der ukrainische 'Pepe Lienhard' des symphonischen Prog Rocks und seine Mitmusiker schmälern nicht unwesentlich die eher hölzernen Kompositionen damit, in einigen schönen Momenten mit ihrer überproportionierten, anbiedernden Spielweise und dem übermotivierten Ehrgeiz, einigen perfekten Floyd'schen und Supertramp'schen Vorlagen nachzueifern.
Trotz aller instrumentaler Kompetenz, einem vielschichtigen mit reichlich klassischen Blech-und Holzbläsern unterfütterten New-Age-Gefühl inklusive kulminierend-pompöser Interludien vermag diese langatmige, über weite Strecken uninspirierte Studiogeburt letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier schlichtweg ein kunstvoll arrangiertes Sammelsurium von recycelten Melodielinien aus besseren Prog-Zeiten in die Waagschalen verteilt wurde. Ewige Romantiker mit einem gewissen Hang zur Melodramatik und konsumierende Genreverkoster neoklassischer Prog-Musikalien können Kalugins Menü uneingeschränkt verzehren, ansonsten sei dieses eben nur bedingt anzuraten.
Line-up:
Antony Kalugin (vocals, keyboard)
Sergey Balalaev (drums, percussion)
Kostya Ionenko (bass)
Bogdan Gembik (el. guitar)
Roman Gorelov (ac. & el. guitar)
Alexey Khorolskiy (el. guitar)
Artem Vasylchenko (tenor sax)
Sergey Kovalev (bayan, backing vocals)
Victoria Partincho (backing vocals)
Olya Kaganyuk (vocals, backing vocals)
Helen Bour (oboe)
Yulya Bilchuk (bandura)
Alexander Pastuchov (bass)
Dmitriy Bondarev (trumpet)
Tracklist
01:Postcards From The Past (Part1)
02:The Invisible Line (Part1)
03:Raindrops
04:Amalgama
05:A Moment In Time
06:Time&The Tide
07:Fading Light
08:Recollections
09:Line In The Sand
10:Postcards From The Past (Part2)
11:The Invisible Line (Part2)
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