William Shatner / Ponder The Mystery
Ponder The Mystery Spielzeit: 65:13
Medium: CD
Label: Cleopatra Records, 2013
Stil: Prog Rock

Review vom 02.12.2013


Boris Theobald
"Ponder The Mystery" - William Shatner sinniert über Übersinnliches. Der Titel des Albums passt zu Shatner wie Romulanisches Ale zu diplomatischen Anlässen. Dabei geht es dem 'Ex-Captain' im reifen Alter von 83 Jahren nicht etwa um mysteriöse Weltraumunerklärlichkeiten, sondern vielmehr um Fragen des Sinns und Seins. Er hört in sich hinein und auf die Geräusche um sich herum, fragt sich, wo die ganze Zeit geblieben ist, ob da nach dem Diesseits wohl noch ein Jenseits kommt und es sich lohnt, davor Angst zu haben. Selbstironie ist dem Mann nicht fremd - in "So Am I" vergleicht er sich mit einem alten Hund, der es nicht mehr lange macht ... und zeigt sich dabei selig, bescheiden und ausgeglichen. Und immer noch bereit, etwas Neues zu probieren. William Shatner macht Prog Rock??
Kaum zu fassen, aber er macht tatsächlich Prog Rock. Er ... oder sagen wir: sein perfekter Partner, und das ist kein Geringerer als Ex-Yesser Billy Sherwood, der Shatners Lyrik in Musik gefasst hat. Und keine Sorge: Der Shatner, der singt ja gar nicht. Er rezitiert seine Zeilen in einer ihm sehr eigenen, lustvollen Schauspielerspreche. Ganz und gar tiefenentspannt fängt er schon mal an, um später im selben Stück kontrolliert Blutdruck zu kriegen oder wahlweise eine Erleuchtung. Er macht richtig schön Theater. »Narrations With Chorus And Instrumental Background«, heißt es da im Klappentext seiner allerersten LP "The Transformed Man" von 1968. Und seither hat sich am Prinzip nicht viel geändert, aber an der Umsetzung!
1968 klang Shatners 'instrumental background' noch nach dieser damals typisch schwülstigen Trek'schen TV-Musik. Da rezitierte er noch Shakespeare und die Beatles - "Lucy In The Sky With Diamonds" genießt einen grau- wie auch unterhaltsamen Klassikerstatus. Auf "Has Been" (2004) hatte Ben Folds für Shatner eine imposante und teils sehr persönliche Rock-/Singer/Songwriter-/Country-usw.-Platte kreiert. 2011 gab es dann (fast) ausschließlich gecoverte Weltraum-Rock-Songs auf "Seeking Major Tom" - ein Staraufgebot von Ritchie Blackmore über
Michael Schenker und Sheryl Crow bis Warren Haynes. Gäste gibt es nun erneut - doch besteht "Ponder The Mystery" nur aus Originalkompositionen. Shatner als Dichter & Denker. Sherwood kanalisiert & komponiert.
Er macht das typisch und gut. Glasklar 'yessig' fallen manch filigrane Clean-Gitarren auf, und sowieso die ätherischen Atmosphären des Kopfstimmen-Chorgesangs. Das ist butterweich und federleicht. Der musikalischen Naivität entgeht Sherwood, indem er auch geschickt Spannungsmomente einwebt - harmonisch, rhythmisch, atmosphärisch. So sticht "Rhythm Of The Night" stark heraus mit seiner erheblich vertrackten Offbeat-Rhythmik voller kleiner präziser Nadelstiche. Die weit nachhallenden Effekte der Clean-Gitarre und die flinken Brummelbässe erinnern an Rush in den Mittel- und Spät-Achtzigern. Nik Turner (Ex-Hawkwind) garniert Shatners nächtliche Geräuschanalyse (a musical fare) mit Saxofon und Querflöte. Es wird einem ganz schummrig; die Nummer leuchtet im Dunkeln. Kribblig schön!
Es gibt ein paar geniale melodische Über-Nummern auf diesem Album, "Do You See?" und "Deep Down", mit Chorus Lines, die sich herrlich in die Gehörgänge einbrennen. Zeile um Zeile umgarnt Sherwoods intensiver Gesang die Messages, gesprochen und gespielt von einer der unverkennbarsten und coolsten Sprechstimmen jenseits von Rigel VII. Meisterhaft steuert Edgar Froese (Tangerine Dream) ein bewusstseinserweiterndes Solo bei, über dem schließlich der Gesang weiter hypnotisch seine Runden dreht, klasse! "Deep Down" wird von The Doors-Mann Robby Krieger per Gitarre und Sitar leicht orientalisiert. Den Weltmusik-Vibe pflanzt man auf dem ganzen Album gar so oft in die Klanglandschaft. All diese akustischen Geheimnisträger passen ganz wunderbar.
Bei der etwas düsteren, latent unheilschwangeren Nummer "I'm Alright, I Think" mit vielen geloopten Effekten ist es Dave Koz, der mit seinem Saxofon eine elegisch-veträumte Stimme hinzufügt. Und bei der avantgardistisch angehauchten musikalischen Ursuppe namens "Chance" trägt kein Geringerer als Rick Wakeman den Hörer ein paar Lichtjahre ins offene All hinaus. Irdischer klingt da das "Imagine Things" im nachdenklichen Singer/Songwriter-Feeling. Vince Gill, Superstar der Country-Szene und guter Freund Bill Shatners (er selbst ist ja begeisterter Westernreiter), steuert Mandoline und Akustikgitarre bei. Ähnlich relaxt startet "Where It's Gone...I Don't Know", wird aber spätestens mit dem leidenschaftlichen Solo von Foreigner-Chef Mick Jones richtig intensiv.
Ex-Hawkwind-Geiger Simon House, Brainticket-Gründer Joël Vandroogenbroeck mit der Querflöte und Edgar Winter mit Moog und Saxofon erweitern den instrumentalen Horizont. Bei "Where Does Time Go" hat zudem der große Fusion-Keyboarder George Duke einen seiner letzten Auftritte - er starb im August an Leukämie. An der Gitarre sind noch Captain Beefhearts Bandmitglied Zoot Horn Rollo zu hören und - extrem erwähnenswert - Al Di Meola (episches Outro-Solo bei "So Am I") und Steve Vai bei "Ponder The Mystery". Der Titeltrack schwebt in so einer magischen Sphäre zwischen hypnotischer Idylle und nervösem Unbehagen. Vai spielt dazu Soli oder macht schlichtweg Geräusche. Ziemlich großes Kino!
Was für ein ... cooles Album. Es ist nicht etwa ein schlechter, ernst gemeinter Witz - nein, William Shatner hat sich voller Eifer dem Projekt gewidmet. Mit Sherwoods 'Supergroup' Circa hat er den Stoff sogar live performt. Prog Rock im Kern, aber stilistisch kaum wirklich zu definieren - die Bandbreite der Gaststars sagt da schon fast alles. Fakt ist: Die Darbietungen sind handwerklich superb und fügen sich überdies faszinierend in die relaxt-verklärte Mystik der Stücke ein. Man muss wahrlich kein Star Trek-Fan sein, um der Faszination von "Ponder The Mystery" zu erliegen. Alles, was es braucht, ist die Offenheit für diese Kunstform, diesen Mix aus Sprechtheater, Geräuschkulisse, Chorus und Soloarbeit. Dafür den Preis für die originellste Akustikkunst des Jahres! Dass mir also keiner mehr Witze macht über den Musik machenden Captain. Sonst ruf ich die Klingonen.
»The past is the future
And we're still going through it
Staring into a sun when light has already begun and passed
My eyes are blinded but not my mind
And I find I can see better without my eyes«

("Do You See?")
Line-up:
William Shatner (voice)
Billy Sherwood (background vocals, drums, acoustic & electric guitars, bass & keyboards on all tracks)

With:
Mick Jones (guitar solo - #2)
Simon House (violin - #3)
Steve Vai (lead guitar - #4)
Al Di Meola (guitar solo - #5)
Rick Wakeman (keyboard solo - #6)
Joël Vandroogenbroeck (flute - #7)
Edgar Winter (sax & moog solos - #8)
Nik Turner (saxophone & flute - #9)
Vince Gill (mandolin & acoustic guitar solos - #10)
Edgar Froese (guitar solo - #11)
Robby Krieger (sitar & guitar solo - #12)
Dave Koz (sax - #13)
George Duke (keyboard solo - #14)
Zoot Horn Rollo (guitar solo - #15)
Tracklist
01:Red Shift (1:31)
02:Where It's Gone...I Don't Know (5:29)
03:Manhunt (2:55)
04:Ponder The Mystery (5:20)
05:So Am I (4:16)
06:Change (4:11)
07:Sunset (4:26)
08:Twilight (1:59)
09:Rhythm Of The Night (6:07)
10:Imagine Things (3:45)
11:Do You See? (4:11)
12:Deep Down (4:49)
13:I'm Alright, I Think (4:29)
14:Where Does Time Go? (6:40)
15:Alive (4:35)
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