Wir versuchen den Familiencharakter des Festivals zu bewahren
Tappi Interview mit Christoph 'Tappi' Tappesser während der Vorbereitungen auf das 10. Eier mit Speck-Open Air in Viersen - ein Rückblick


Interview vom 08.06.2015
(Bild von 'Tappi' zur Verfügung gestellt)


Udo Gröbbels
Für mich ist das heute eine Premiere, denn ich habe bisher noch nie eine Person zweimal interviewt. Bei Christoph Tappesser, den aber jeder nur 'Tappi' nennt, macht diese Ausnahme aber ohne Zweifel Sinn. Vor fünf Jahren haben wir uns bereits schon einmal unterhalten und uns ausführlich über die ersten fünf "Eier mit Speck"-Festivals ( kurz: EMS) unterhalten. Jetzt, knapp zwei Monate vor dem 10. EMS, sitzen wir daher wieder zusammen.
Logo 2010 RockTimes: Hallo Tappi. Schön, dass du nochmals ein wenig Zeit für uns hast. Lass uns also mal, wie besprochen, die letzten Jahre Revue passieren. Direkt im Jahre 2010 gab es mit dem Love Parade-Unglück in Duisburg ein Ereignis, was auch das damals parallel laufende 5. EMS beeinflusst hat. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem knapp 60 km weiter das Unglück passierte und die Meldung sich natürlich auch auf dem Festivalgelände schnell rumsprach. Was hatte dies im Nachhinein für Konsequenzen für die folgenden EMS- Festivals?
Tappi: Das hatte Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen. Zum einen machte sich bei den Verantwortlichen der Stadt Viersen eine verständliche Nervosität bemerkbar. Wer haftet, wenn so etwas auch mal in Viersen passiert? Zum Glück hat sich die Frage bisher nie gestellt. Dennoch war die Unbekümmertheit der ersten Jahre schlagartig vorbei. Wir haben seit Jahren ein ausgearbeitetes Sicherheitskonzept, was wir jedes Jahr entsprechend den Veränderungen des Festivals aktualisieren. Das müssen wir mit 4.500 Zuschauern eigentlich noch nicht haben, aber das ist uns ein sehr wichtiger Aspekt und daher haben wir dies eben auch.
RockTimes: Der Bereich Sicherheit ist ja auch bestimmt ein großer finanzieller Brocken für euch?
Tappi: Ja, absolut. Circa 30 Prozent unseres Budgets sind nur für die Sicherheit veranschlagt. Das ist natürlich ein großer Anteil, aber das geht auch nicht anderes.
RockTimes: Lass uns mal über die Musik sprechen. Das EMS steht auch für musikalische Vielfalt. Auch Hip-Hop ist kein Tabuthema für euch.
Tappi: Ich denke es wäre einfach hirnrissig, eine Musikrichtung konsequent zu ignorieren. Nur weil vielleicht 500 Altrocker nichts damit anfangen können, soll man sich ja nicht vor etwas verschließen. Mit den bisherigen Hip Hop-Acts hatten wir durchweg gute Erfahrungen und auch bei den meisten Zuschauern kamen sie gut an.
Logo 2011 RockTimes: Ein Wagnis war sicherlich auch 2014 die Verpflichtung von Christian Steiffen mit seinem deutschen Schlager. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat, denn der gute Mann wurde ja herrlich abgefeiert.
Tappi: Natürlich schauen wir uns vorher genau an, was passen könnte und bei Christian Steiffen wussten wir, dass er auch auf anderen Festivals super angekommen ist. Ein, zugegeben, etwas ungewöhnlicher Act, aber wir waren nicht über die Reaktionen verblüfft. Ich denke aber auch, dass die Leute wissen und vor allem schätzen sie auch, dass wir eben ein gemischtes Musikfestival sind. Es gibt ja auch genug Metal- oder Punkfestivals. Bei uns gibt es eben von allem etwas.
RockTimes: Dazu passt sicher auch das Thema Ska. Eigentlich von der allgemeinen Popularität eher eine Musik aus dem Randbereich, aber trotzdem auf Festivals generell präsent und auch bei euch werden Ska-Bands immer wieder abgefeiert wie z.B die Busters oder La Pegatina in den letzten Jahren.
Tappi: Ich denke, das liegt am Faktor 'Tanzbarkeit'. Bei Rockbands stehst du nur rum und wippst mit und grölst im besten Fall noch den Text. Die Leute wollen aber auch mal tanzen und da ist Ska immer die prädestinierte Musikrichtung. Außerdem finde ich es immer wieder schön wenn Leute dann zu mir kommen und sagen: Also das ist eigentlich nicht so meine Musikrichtung, aber diese Band war richtig geil.
RockTimes: Seit ein paar Jahren ist das EMS auch schon Wochen vorher ausverkauft. Das ist doch sicherlich ein große Genugtuung für euch nach den ersten 'sauren' Anfangsjahren?
Tappi: Ja klar ist das eine Riesenbestätigung für unsere Planung und für das Booking. Aber so sauer war es gar nicht. Nur das erste Festival 2006 war schwierig, aber ab da haben wir uns immer wieder etwas gesteigert. Größere bzw. bekanntere Bands wurden gebucht und natürlich wurden auch die Eintrittpreise zwangsläufig angehoben. Wir haben aber versucht, alles im Rahmen zu halten. (Anmerkung: Was auch für 2015 gilt, denn 49 Euro für ein 3-Tages-Festival inkl. Camping und Frühstück sind sicherlich absolut fair)
Am meisten freut uns aber die Tatsache, dass unser Festival insgesamt gut ankommt und schon jede Menge Karten verkauft werden, bevor die Headliner feststehen. Das zeigt, dass unser Konzept auch rund um das Festival gut angekommen ist, wie die Tatsache, dass man beispielsweise nur knapp 200 Meter vom Zeltplatz zum Festivalgelände laufen muss. Ich denke so etwas macht uns auch aus. Das Festival der kleinen Wege (lacht).
Logo 2012 RockTimes: Ich denke es ist auch die entspannte und familiäre Atmosphäre.
Tappi: Absolut. Wir sind eben alle auch aktiv an den Tagen vor Ort und jeder weiß, was er zu tun hat. Bis auf Kleinigkeiten wie Stau am ersten Tag mit der Bändchenausgabe ist eigentlich alles gut organisiert und läuft entspannt. Wir legen auch Wert darauf, den familiären Charakter, soweit möglich, auch konsequent beizubehalten und wenn es ein Problem gibt, ist immer einer ansprechbar und vor Ort zur Stelle.
RockTimes: Ungewöhnlich ist auch die Tatsache, dass man Tickets nur über lokale Vorverkaufsstellen und über euren Online-Shop bekommt. Warum nicht mehr über bekannte Ticketplattformen im Internet?
Tappi: Weil wir das teilweise echt als Abzocken gegenüber den Festivalbesuchern empfanden. Beispiel: Ein Ticket kostet bei uns 49 Euro plus Versand. Fertig. Im Internet mussten die Leute aber dafür dann 62 Euro zahlen, plus Versand. Ich sehe nicht ein, dass jemand pro Karte 13 Euro verdient und dafür eigentlich nichts macht. Daher also alles wieder nur über uns bzw. Vorverkaufsstellen hier in der Umgebung.
RockTimes: Ein ganz wichtiger Faktor beim EMS sind sicherlich auch die vielen ehrenamtlichen Helfer, ohne die so ein Festival gar nicht möglich wäre.
Tappi: Ganz genau. Wir haben immer ca. 250 Leute die, wie du schon gesagt hast, ehrenamtlich tätig sind und dort drei Tage mit viel Herzblut und Engagement vor Ort helfen und arbeiten. Im ersten Jahr mit knapp 1000 Zuschauern hatten wir nur unsere Freunde und Bekannte als Helfer dabei, aber mittlerweile hat das Ganze zum Glück weite Kreise gezogen und so kommen viele, mir auch unbekannte Menschen, die uns helfen. Viele sind auch schon über Jahre dabei und es gibt sogar einige, die zwischendurch weggezogen sind, aber zum EMS immer noch als Helfer zurück kommen und dies als eine Art Heimaturlaub nutzen. So etwas ist natürlich absolut phantastisch (grinst).
Logo 2013 RockTimes: Das Booking hat sich ja im Laufe der Festival-Geschichte sicherlich auch stark verändert. Merkt ihr mittlerweile, dass ihr von Bookern oder Agenturen anders behandelt werdet?
Tappi: Oh ja- zum Glück (lacht). Im Laufe der Jahre spricht sich so etwas natürlich auch unter Musikern schnell rum und daher werden uns jetzt auch Bands ganz anderer Kategorien angeboten, die früher sicherlich nicht hier aufgetreten wären. Den Agenturen ist bekannt, dass die Bands bei uns gut und professionell behandelt werden, aber der wichtigste Punkte sind sicher die Abläufe und die Technik. Da haben wir Fachleute vor Ort, die sich um alles kümmern. Wenn man so mit den Bands spricht ist dies ein Punkt, der bei anderen Festivals dieser Größenordnung oft im Argen liegen. Uns ist es aber auch ein Anliegen, dass die Bands sich wohl fühlen und sie aber auch wissen, dass sie am Niederrhein sind. Ein gemütlicher Backstage-Bereich und die Unterbringung der Bands in lokalen Hotels vor Ort bzw. in der Umgebung gehören genau so dazu. Dies bekommen wir immer wieder als positives Feedback zu hören.
RockTimes: Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Musiklandschaft bekanntlich komplett verändert. Mit Tonträgern verdient man ja heute kaum noch Geld und Bands leben größtenteils von Konzerten und vom Merchandise. Eigentlich eine für euch positive Entwicklung, denn so kommt man doch auch sicher mal an Bands ran, die vor Jahren niemals in Viersen gespielt hätten, oder?
Tappi: (Grinst) Klingt eigentlich ganz logisch, aber so einfach ist das aber auch nicht. Ich denke, dass die größeren Bands immer noch da spielen wo es die meiste Kohle gibt. So muss man das mal ganz klar sehen. Für uns aber sicherlich ein Vorteil ist die Tatsache, dass die von den Bookern als 'aufstrebend' angepriesenen Bands heute nicht mehr so viel kosten wie früher. Ich denke, die nehmen heutzutage mehr Festivals mit, um möglichst viel live zu spielen. So bekommen wir dann auch mal das ein oder anderen 'Schätzchen' für das EMS. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Booker wissen, dass eine Band bei uns auch um 15.00 Uhr schon vor knapp 800 Leuten spielt und nicht, wie beispielsweise auf anderen Festivals, vor 30 Leuten um diese Uhrzeit. Und 800 Leute sind nun einmal 800 potenzielle CD-Kunden.
RockTimes: Was waren denn deine musikalischen Highlights in den letzen fünf Jahren beim EMS?
Tappi: (überlegt länger) Schwierig. Ich sehe das weniger aus musikalischer Sicht. Wichtiger für mich persönlich ist die Frage: Wie kam die Band beim Publikum an. Da finde ich dann immer wieder kleine Bands gut, die relativ früh spielen und trotzdem die Leute zu früher Zeit mitreißen. Da fallen mir spontan The Computer aus dem letzten Jahr ein oder Trashtucada aus dem Jahre 2010. Von den Headlinern waren in den letzten Jahren sicherlich die Donots oder auch Madsen wirklich klasse. Gerade die Donots haben als Abschluss nach drei Tagen im Jahr 2013 nochmals die Massen richtig mitgerissen. So etwas imponiert mir.
Logo 2014 RockTimes: Gibt es denn, wie in den Anfangsjahren, immer noch Kuriositäten oder nette Anekdoten zu den letzten Jahren rund ums EMS?
Tappi: Die Anfangsjahre waren schon skurriler, abenteuerlicher und sicherlich ist doch mehr passiert. In den letzten Jahren hat sich alles super eingespielt und es läuft alles geregelter ab. Trotzdem bin ich immer wieder erstaunt über die Feierfestigkeit von manchen Bands. Ich werde da jetzt keine Namen nenne, aber manche Künstler haben noch lange ausgehalten und haben sich sehr wohl gefühlt (lacht). Aber eine Sache kann ich noch erzählen. Wir konnten es zwar nie zu 100 % beweisen, aber wir sind uns alle absolut sicher, dass sich ein Busfahrer einer Band vor ein paar Jahren am Dieseltank, den wir für unserer Aggregate brauchen, bedient hat und sich damit den Bustank vollgemacht hat. Er hielt sich den ganzen Tag am Tank auf und als die Band weg war, war der Tank leer. Tja, so etwas passiert eben auch (lacht).
RockTimes: Zum Abschluss ein kleiner Ausblick. Ende Juli startet das 10. EMS. Habt ihr euch was Besonderes für dieses Jahr überlegt, um die 'Zehn' angemessen zu feiern?
Tappi: Nein, ehrlich gesagt wollen wir ganz normal weiter machen. Mit den H-BlockX und The Subways sind ja schon zwei Headliner und Anfang Juni werden wir noch einen dritten Headliner bekanntgeben. Es ist immer etwas schwierig, wenn eine Band erst später bekannt gegeben werden darf. Manche Leute haben dann oftmals leider die Hoffnung, dass es sich um eine sehr berühmte Band handeln muss, aber das liegt eben an anderen Konzert- oder Festivalveranstaltern, die das erst nach ihren Festival freigeben. Ansonsten wollen wir 2015 nicht ein 'Überfestival' machen, um 2016 zwangläufig wieder weniger zu präsentieren. Ich denke, das wäre nicht klug. Wir wollen so auf dem gleichen Level einfach weitermachen und hoffen, dies auch weiterhin halten zu können.
RockTimes: Das ist doch mal ein wunderbares Schlusswort. Vielen Dank für das Interview und alles Gute für das 10. EMS.
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