Tingvall Trio / Vägen
Vägen Spielzeit: 52:11
Medium: CD
Label: Skip Records, 2011
Stil: Jazz

Review vom 15.08.2011


Wolfgang Giese
Drei verschiedene Nationalitäten, Schweden, Kubaner und Deutsche, verschmolzen in Hamburg, bilden dieses Trio. Nach dem Debütalbum "Skagerrak" aus dem Jahr 2006 ist "Vägen", aufgenommen zwischen dem 9. und 12. Mai 2011 im italienischen Udine, nun bereits die vierte Veröffentlichung des Tingvall Trios.
Oftmals waren die Eingangsthemen vieler Jazzstandards an bestimmten Schemata festgemacht, zum Beispiel Themen aus dem Blues. Gleich beim Eröffnungstitel "Sevilla" ist das ganz anders: Eine Melodie ganz anderer Art, die sich eher aus Pop, Klassik oder Folklore zu speisen scheint, verströmt sogleich eine richtig schöne Atmosphäre. Hierbei erinnert mich Martin Tingvall (und nicht nur bei diesem Titel) an seinen Kollegen Chick Corea, dessen Themen auch oft sehr melodisch waren/sind.
Aber im Verlauf der Platte entdecke ich noch weitere Pianisten, die hier offensichtlich Einzug in Tingvalls Welt gehalten haben: Funkigen Sound von Horace Silver, verspielt-romantische Elemente von Keith Jarrett, kraftvoll Zupackendes à la McCoy Tyner, Elemente klassischer Musik, ECM-Sound, wie ich ihn von Bobo Stenson liebe, und Folkloristisches.
Es ist wiederum eines der Piano-Jazztrios, die sich von der reinen Jazzlehre entfernt haben. Die Zeiten eines Oscar Peterson scheinen passé. Innerhalb des insgesamt verträumt wirkenden Umfeldes gibt es einige Stücke, die sich heraus heben, bspw. "Tuc-Tuc Man", mit einem Thema aus der Klassik (Richtung "Säbeltanz"), kombiniert mit Rockelementen, die auch von The Nice sein könnten! Ein Scheich scheint uns mit quietschendem Bassintro als "Shejk Schröder" vorgestellt zu werden. Ein sehr impulsiver Titel mit treibendem Schlagzeug und recht elastisch spielendem Bass, fast schon an den großartigen Ron Carter erinnernd.
Unabhängig davon ist die Dynamik, die sich unter den Musikern entwickelt, auffällig positiv. Von überbordender, sprudelnder Leidenschaft bis hin zu melancholischen Ausflügen in die Tiefen der Seele beherrschen die Drei alle Spielarten und empfehlen sich spätestens mit dieser Platte für die Spitzengruppe unter den heutigen 'Neutönern' der Pianotrio-Formationen.
Herausragendes Merkmal sind sicher die sehr melodischen Ausgestaltungen der Themen und die für den Hörer relativ schnelle Zugänglichkeit - typischer Jazz ist es eben nicht. Dessen bekannte Muster finden auch rhythmisch nicht unbedingt Widerhall, weil nicht nach dem Motto »It don't mean a thing if it ain't got that Swing« gespielt wird. Die Musik weist andere Strukturen auf und treibt gelegentlich auch einfach mal so vor sich hin. Das ist Musik, um Gedanken und Empfindungen freien Lauf zu lassen, Musik, die der europäischen E-Musik oft näher steht als dem Jazz, der dann eher zum Element eines Ganzen wird. Man höre sich in diesem Zusammenhang einmal ganz bewusst "Vaggvisa/Morgon" an.
Zum Schluss werden wir mit einem von Streichern und Bläsern angereicherten Stück entlassen, ganz ungewöhnlich, für mich verbunden mit einer Option auf weitere Ausgestaltung des Sounds. Dieser Titel entfernt sich noch mehr vom Jazz.... Das ist für mich ein sehr verlockender Aspekt für weitere Platten des Tingvall Trios.
Es sollte noch angemerkt werden, dass von jeder verkauften CD zehn Prozent des Erlöses an den Verein KinderLeben e.V gespendet werden.
Line-up:
Martin Tingvall (piano)
Omar Rodriguez Calvo (double bass)
Jürgen Spiegel (drums, percussion)
Gregor Lentjes (horns, strings de luxe)
Jansen Folkers (violin)
Adam Zolynski (violin)
Axel Ruhland (viola)
Martin Bentz (cello)
Tracklist
01:Sevilla (6:54)
02:Vägen (5:48)
03:Högtid (3:23)
04:Tuc-Tuc Man (3:27)
05:Den ensamme Mannen (4:43)
06:Pa Vag (Solo Piano) (3:40)
07:Shejk Schröder (5:01)
08:Vaggvisa/Morgon (7:31)
09:Tidevarv (4:26)
10:Efter Livet [with Strings & Horns] (6:50)
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