TNNE / The Clock That Went Backwards
The Clock That Went Backwards Spielzeit: 49:54
Medium: CD
Label: Progressive Promotion Records, 2014
Stil: Neo Prog

Review vom 06.07.2014


Steve Braun
Die hier zu besprechende Band feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubliäum, hat es aber in dieser langen Zeit lediglich auf sage und schreibe fünf Alben gebracht - kein guter Schnitt. Nach der letzten Veröffentlichung, "20 Candles" von 2009, kam es zu einer deutlichen Zäsur: die Auflösung 2011, nun die Umbesetzung auf gleich drei Positionen und aus No Name wurde The No Name Experience, kurz TNNE.
Treu ist sich die Band aus Luxembourg allerdings in ihrer musikalischen Ausrichtung geblieben. Nach wie vor eindeutig im Neo-Prog verortet, ist das neue Album, "The Clock That Went Backwards", erneut - szenetypisch - ein Konzeptalbum geworden. Vielleicht keines der lupenreinen Sorte, aber die acht Songs zirkulieren ausnahmslos um den Nucleus: Was wäre, wenn man die Zeit zurückdrehen und Entscheidungen revidieren könnte?
Was wäre, wenn man auch das musikalische Rad der Geschichte zurückdrehen würde, kann man auf "The Clock That Went Backwards" eindrucksvoll nachvollziehen. TNNE klingt - und das ist keinesfalls despektierlich gemeint - original wie ein Kind der Achtziger: nach Marillion zu Fish-Zeiten, nach IQ und (in den rockigen Momenten) Jadis. Sprich: hymnischer Neo-Prog mit überbordendem Pathos und von bombastischen Keyboard-Kaskaden dominiert, bissigen Gitarreneinschüben, vertrackten Rhythmiken und - über allem schwebend - kristallklare, glockige Gesänge.
Als kleines Bonmot bietet TNNE mit Fred Hormain (u. a. Mister Goldhand) zudem einen Saxofonisten auf, der leicht jazzige Phrasierungen, eine typische John Helliwell-Note einbringt und damit überaus filigran-reizvolle Finessen beisteuert.
Natürlich klingt das nach den besten Genesis-Tagen, nach Mini Moog-, ARP- und Taurus-Klaviaturen, wenn im Opener "My Inner Clock" sämtliche Register gezogen werden. Natürlich geistert dieser Spirit durch Alex Rukavinas weitere Kompositionen, aber TNNE rutscht auf der Gratwanderung zwischen Genialität und Peinlichkeit niemals aus, was daran liegen mag, dass das Songwriting einfach stimmig ist. Alle acht Stücke verfügen über Biss und Zug in den Arrangements; kein langweiliges 'Gedaddel', kein inspirationsarmes Füllmaterial ist auszumachen. Patrick Kiefers Gesang erklingt in jedem Moment ausdrucksstark und dem jeweiligen Kontext perfekt angepasst. Die melodieverliebten Harmonien verzichten auf jeglichen, klebrigsüßen Zuckerguss, im Gegenteil: Michel Volkmanns Gitarrenparts bringen eher eine scharfe Note ein. Die Rhythmusfraktion sorgt in den rockigeren Passagen für den nötigen 'Grip' - in den stilleren hält sie sich dagegen distinguiert zurück, um dafür in den episch-breiten die Spannung mit vertrackten Rhythmen ("The Snow"!) zu steigern. Das Saxofon bereichert die musikalische Textur - wie schon vorgetragen - in den letzten drei Stücken noch einmal enorm.
Obwohl mir alle acht Stücke (plus einer Radio-Edition von "Circles Of Life") ausnahmslos gut ins Ohr gehen, mag ich "About Angels And Devils", den Titelsong und "Welcome To My World" ganz besonders... eben weil sie so schön treibend, teilweise an Saga erinnernd, vorwärtsrocken. Die kompositorisch herausragenden Nummern sind wohl die enorm dichte Albumversion von "Circles Of Life" und das hymnische "My Inner Clock", aber wie schon gesagt: Es ist problematisch, "The Clock That Went Backwards" hier als einen verbalen Steinbruch zu nutzen!
TNNE klingt wie die luxemburgische Antwort auf RPWL und mit beiden Bands kann den Neo-Prog völlig kitschfrei und (im wahren Wortsinn) unverschämt genießen. "The Clock That Went Backwards" könnte für mich möglicherweise die Prog-Scheibe des Jahres werden - die Messlatte liegt jedenfalls nun bereits auf einem beachtlichen Niveau...
Line-up:
Alex Rukavina (keyboards)
Patrick Kiefer (vocals)
Michel Volkmann (guitars)
Claude Zeimes (bass)
Gilles Wagner (drums)

Special Guest:
Fred Hormain (saxophone - #6-8)
Tracklist
01:My Inner Clock (7:11)
02:Clairvoyance (2:13)
03:About Angels And Devils (6:37)
04:Looking Back And Forward (7:05)
05:The Clock That Went Backwards (4:52)
06:Circles Of Life (5:57)
07:Welcome To My New World (3:58)
08:The Snow (8:02)
09:Circles Of Life [edit] (3:59)
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