Trance Groove / Playing With The Chelsea Girls
Playing With The Chelsea Girls Spielzeit: 68:18
Medium: CD
Label: Westpark Music, 2009
Stil: Electronica

Review vom 01.12.2009


Joachim 'Joe' Brookes
Reebop Kwaku Baah war von 1971 bis 1974 Traffic-Mitglied.
Danach spielte er bei Steve Winwood und schließlich landete er, zusammen mit dem Bassisten Rosco Gee bei der deutschen Band Can. 1977 hatte er unter eigenem Namen das Album "Trance" veröffentlicht.
Darauf bezieht sich der Name des Ensembles Trance Groove.
Bereits 1992 vom Schlagzeuger und Percussionisten Stefan Krachten (The Unknown Cases, Dunkerziffer) sowie Bassist Dal Martino (Nighthawks, Phoenix) gegründet, wird das Kollektiv vervollständigt durch Trompeter Reiner Winterschladen von der NDR Bigband sowie den Nighthawks, den Keyboardern Helmut Zerlett, Jürgen Dahmen (Propaganda) als auch Thomas Kessler (Dissidenten). Last but not least ist da noch DJ Heli (unter anderem Klaus Doldinger).
Andy Warhol drehte 1966 den Film "Chelsea Girls" und die Sängerin Nico (unter anderem
Velvet Underground), eine der Figuren des Films, ließ sich von diesem Titel inspirieren und nannte ihr auditives Debüt "Chelsea Girl".
In einer Septembernacht 2008 »läuft in der letzten noch erhaltenen 16mm-Kopie auf zwei riesigen Leinwänden im Köln-Müngersdorfer Radstadion « Andy Warhols Kultfilm.
Die Band Trance Groove kreierte dazu live einen dreieinhalbstündigen Soundtrack. Aus dem Mitschnitt wurden knapp siebzig Minuten herausgefiltert und unter dem sinnigen Titel "Playing With The Chelsea Girls" veröffentlicht.
Klänge, die den Raum in unterschiedlicher Weise erfüllen.
Legt man den Anfang und den vorletzten Track der Platte als Referenzstücke zugrunde, weiß der Hörer, wie vielseitig Trance Groove mit seinen Ideen umgehen kann.
"Playing With..." ist wie eine Kettenreaktion: Inspiriert durch den Film werden Musikerphantasien hörbar und diese wiederum regen den Zuhörer an. Die auf Silberling konservierten Sounds bedürfen nicht der cineastischen 'Chelsea Girls', um zu funktionieren. Wie frei im Kopf muss ein Musiker sein, um sich auf nicht wenige andere Kollaborateure einzustellen.
Alleine "Still Life In A Hotelroom", in zwei Abteilungen auf der CD verteilt, hat eine Gesamtspielzeit von satten achtundzwanzig Minuten und ist wohl der Atomkern aller Songs.
Sphärische Keyboardklänge verteilen sich wie eine Amöbe. Ineinanderfließende Modifikationen, die sich zum Teil im molekularen Bereich bewegen, machen die Runde. Neben den vielen Tasteninstrumenten hat Bernd Winterschlader das Blättchen seines Saxofons angefeuchtet und überlagert die Keyboardklänge nicht minder flächendeckend. Auch gibt er seinem Instrument einige Effekte mit auf den Weg.
Dann wechselt die Atmosphäre und der Bass von Martino wird dominanter. Für einen Weile lässt sich das Kombinat ohne Drums oder Percussion treiben. Die Männer an den schwarzen und weißen Tasten intonieren heftiger und heben ab.
Der zweite Teil des Songs beginnt abermals ruhig.
Die Musiker lassen sich in eine mit Geräuschen angereicherte Richtung fallen. Wieder macht man ohne rhythmische Begleiterscheinungen klar Schiff.
Wow, welch ein hin und her der Klänge. Stets ist Spannung an der Tagesordnung und der Schreiber verabschiedet sich nun... ab unter die Kopfhörer. Ui, da spielt sich alles in mehreren Etagen ab. Trance Groove inszeniert eine faszinierende Collage der Sinne.
"Still Life In A Hotelroom Part 2" eröffnet einen Traum, der nicht von dieser Welt ist. Der Name des Stückes ist, im Vergleich zur Musik, viel zu bodenständig.
Übergangslos geht es mit "Something Opened" weiter. Eine nicht enden wollende sanft groovende Reise in Orbits, die noch kein Mensch beziehungsweise unbemannte Flugobjekte gesehen hat. Bilder in pastellenen Farben erscheinen vor dem geistigen Auge. Man ist mutig und lässt diese hypnotischen Grooves ins Leere laufen, denn jetzt mischt sich Gast Dominik von Senger mit seiner E-Gitarre ein. Darunter groovt es nun anders. Zum friedlich pumpenden Bass wird die Sechssaitige mit Hall versehen und... schade, dieser Trip ist leider vorbei.
Trance Groove haben nachgetankt.
Mit verschärfter Rhythmik geht man an "Little Treatments" heran. Hier ist viel los. Ich höre Stimmen. DJ Heli scratcht und zum Hammond versus Fender Rhodes-Gelage macht Winterschladen in jazzig gespielten Noten.
Gab es bei der Livepräsentation überhaupt Trackanfänge beziehungsweise Enden?
Ganz egal, "Playing With The Chelsea Girls" ist ein vortreffliches Happening. Oh Mann, "Invitation"... Can das denn sein? Worauf soll man sich speziell konzentrieren? Geht nicht, unmöglich! Komplexität ist Trumpf.
Das Erlebnis erfährt mit dem abschließenden "My Funny Valentine" eine Krönung.
"Long Island Blues" ist Space-12-Takter mit weiblichem Gesang, auch wenn der keinem erkennbaren Text unterliegt und an dieser Stelle sind ebenfalls verfremdende Effekte am Werk. Welche der Frauen singt denn in "Beauty"? Ich habe eine Gänshaut!
Ist der Hörer einmal so weit und zeigt sich der Musik aufgeschlossen gegenüber, öffnet sich das Trance Groove-Tor von ganz alleine. Eine großartige auditive Aktion, in der ein großformatiges Klangbild entstanden ist. Die binomische Formel dieser Musik hat ein neues Ergebnis und lautet Trance Groove.
Glückwunsch! Eine Fortsetzung ist wünschenswert, denn "Playing With Chelsea Girls" bietet ja erst knapp ein Drittel des Auftritts.
Line-up:
Stefan Krachten (drums)
Dal Martino (bass)
Bernd Winterschlader (saxophone)
Helmut Zerlett (Hammond, e-piano, keyboards)
Jürgen Dahmen (Fender Rhodes)
Thomas Kessler (keyboards)
DJ Heli (turntables)

Guests:
Malina Göde (tambourine)
Dominik von Senger (guitar)
Rosko Gee (bass)
Jana Zerlett (vocals)
Marion Rubina Klask (vocals)
Olek Gelba (tambourine)
Stefan Winterstein (shaker)
Lutz Ulbrich (banjo)
Reiner Linke (percussion, tambourine)
Isis Zerlett (vocals)
Tracklist
01:Still Life In A Hotelroom Part 1 (16:07)
02:Long Island Blues (8:58)
03:Beauty (9:48)
04:Still Life In A Hotelroom Part 2 (11:53)
05:Something Opened (6:18)
06:Little Treatments (5:40)
07:Invitation (4:56)
08:My Funny Valentine (4:40)
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