Unheilig / Puppenspiel
Puppenspiel Spielzeit: 66:24
Medium: CD
Label: Four Rock, 2008
Stil: Synth Rock

Review vom 29.04.2008


Sabine Feickert
Ein Puppenspiel der etwas anderen Art offeriert der Graf, Sänger, Songschreiber und Produzent von Unheilig.
Mit einer dramatischen Eröffnung wartet das gelungene Konzeptalbum auf. In den hintergründigen Synthiesequenzen ist spürbar, wie sich die Anspannung hinter der Bühne steigert, bis schließlich der "Vorhang auf" geht und nahtlos die Vorstellung des "Puppenspielers" erfolgt.
Dass es sich dabei nicht um einen harmlos-naiven, lustigen Kasperlespieler handelt, lassen die harten Beats und die leicht morbide Grundstimmung gleich erkennen. Des Grafen "Puppenspieler" inszeniert die dramatischen und tragischen Facetten des Lebens und greift dabei antike und literarische Vorbilder im Stil des "Puppenspiel vom Dr. Faustus" auf.
Mit dem "Spiegelbild" betritt der erste Darsteller die Bühne. Zu monoton-stampfenden Beats erzählt er von höchster Verzweiflung, kurz vor dem Suizid, bis melodiös-versöhnliche Töne die aufkeimende Hoffnung einleiten. Melodisch mit schrägen und rauen Untertönen tritt "Dein Clown" auf - hier wird berichtet von den Ängsten und Zweifeln des Menschen hinter der Clownsmaske, der nicht mehr lachen will, wenn er weinen muss.
Diese Gefühle steigern sich in Sehnsucht in "Sei mein Licht", eine gefühlvolle Ballade, die von der markanten Stimme des Grafen davor bewahrt wird, ins Schmalzige abzudriften. "Fang mich auf" und "Feuerengel" besingen die Hoffnung auf einen Held und Retter, die Lieder sind fast schon harmonisch und soft.
Ein Wechsel in der Erzählperspektive erfolgt bei "Kleine Puppe", hier ist der Puppenspieler der Erzähler mit psychotisch-bedrohlicher Stimme, der die Fäden in die Hand nimmt und die kleine Puppe zum Leben erweckt, um sie als sein Geschöpf mit in sein Wunderland zu nehmen. Die musikalische Umsetzung lässt jedoch Zweifel daran aufkommen, ob dieses Wunderland für die kleine Puppe wirklich wunderbar sein wird.
Mit beiläufigem Pianogeklimper beginnt "An deiner Seite", ein Stück, an dem ich bereits beim ersten Durchhören hängen geblieben bin. Die klare Stimme des Grafen und die spartanische Instrumentierung erzeugen eine ganz andere Stimmung, als alle anderen Nummern des Albums. Auf der Unheilig-Website finden sich weitere Information zu diesem Lied. In einem offenen Brief an die Fans erläutert der Graf, dass er damit den bevorstehenden Abschied von einem guten Freund verarbeitet und bittet um Unterstützung, dass dieses Lied von einem Radiosender im Sendebereich dieses Freundes gespielt wird. Meiner Ansicht nach verdient dieses zutiefst menschliche Vorhaben Unterstützung.
Nach diesen sehr emotionalen Momenten hat "Die Bestie" ihren Auftritt und mit härteren, schrägen Rhythmen plagen sie die Stimmen im Kopf, drängen die, nur nach außen geläuterte Bestie, zu immer neuen Gräueltaten.
Fast schon am Ende des Spiels angelangt, übernimmt das "Lampenfieber" die Fäden und lässt durch den Chorgesang ein geradezu unheimlich-bedrohliches Szenario entstehen.
"Wie viele Jahre" zeigt mit melodiös schleppendem Rhythmus eine weitere Variante von Täuschung und Doppelzüngigkeit, bevor "der Vorhang fällt" und mit dem rein instrumentalen "Memoriam" das "Puppenspiel" sein Ende findet.
Es bleiben jedoch genügend offene Fäden und Ansatzpunkte, die auf eine Weiterführung des Spiels hoffen lassen.
Unheiligs "Puppenspiel" bewegt sich hart am Rand der Depression, lässt aber den Zuhörer nicht über diesen Rand abstürzen, sondern fängt ihn mit harmonisierenden Elementen auf. Mit harten Beats unterlegte Synthieteppiche lassen das Bild der Puppe am Faden, die vom Leben hin- und hergerissen wird, vor dem geistigen Auge erscheinen. Und doch wirkt alles, was er erzählt, abgeklärt und dennoch glaubwürdig.
Die Texte sind hintergründig und vieldeutig, so wird wohl jeder, der das Werk intensiv hört, seine eigene Aufführung vor dem inneren Auge sehen. Aber auch beim oberflächlichen Hören beweist das Album mitreißende Qualitäten.

Wer mit den Sisters Of Mercy, Wolfsheim, Megaherz oder Rammstein (um die Richtung grob anzureißen) etwas anfangen kann, sollte sich "Puppenspiel" auf jeden Fall anhören.
Line-up:
Der Graf (Gesang, Programming)
Christoph Termühlen 'Licky' (Gitarre)
Henning Verlage (Programming)
Tracklist
01:Vorhang auf
02:Puppenspieler
03:Spiegelbild
04:Dein Clown
05:Sei mein Licht
06:Fang mich auf
07:Feuerspiel
08:Kleine Puppe
09:An deiner Seite
10:Die Bestie
11:Lampenfieber
12:Wie viele Jahre
13:Der Vorhang fällt
14:Memoria
Externe Links: