Uriah Heep / Salisbury
Salisbury Spielzeit: 45:23
Medium: CD
Label: Universal Music Group 1996 (1971)
Stil: Hard Rock


Review vom 05.12.2009


Alexander Mathias
Durch orangefarbenen Schwaden bahnt sich ein schwerer Panzer den Weg und fährt - Kanonenrohr voraus - direkt auf den Betrachter zu...
Im Jahr 1971 stieß dieses Cover von Uriah Heeps Ende 1970 eingespieltem zweiten Studioalbum "Salisbury" nicht überall in den Vereinigten Staaten auf ungeteilte Begeisterung. Der Vietnam-Krieg erreichte einen weiteren blutigen Höhepunkt, nachdem die USA 1970 ihre massiven Bombardements auf die vietnamesischen Nachbarstaaten Kambodscha und Laos ausgeweitet hatten. 'Napalm' und 'Agent Orange' befanden sich auf der tödlichen Tagesordnung, also erschien "Salisbury" in den Staaten mit einem alternativen LP-Cover.
Nach der 1970er Debüt-Scheibe "Very 'Eavy Very 'Umble", mit der sich Uriah Heep bereits einiges an Gehör verschaffen konnten, standen auf "Salisbury" weitere Experimente an, um den Stil der Band konkreter auszurichten und zu schärfen.
Der europäische "Salisbury"-Opener "Bird Of Prey" wurde bereits auf der amerikanischen Auflage von "Very 'Eavy Very 'Umble" veröffentlicht, weshalb alternativ "Simon The Bullet Freak" - später auf verschiedenen Remastered-CDs als Bonus beigefügt - den Weg auf die US-Variante fand.
Unüberhörbar atmet "Bird Of Prey" den schleppenden, geraden harten Rock, der die Grundlage für David Byrons markante Vocals bildet. Ein teilweise üppige Höhen erklimmender, fast in die Kopfstimme übergehender Gesang, reich an Timbre und dennoch selbst in den tieferen Lagen fest und voluminös. Mit diesen Qualitäten drückt Byron der Musik von Uriah Heep seinen unverwechselbaren Stempel auf. Im Hintergrund sorgt Ken Hensley mit fließenden Läufen an der Orgel für einen permanenten Spannungsaufbau, der immer wieder in die temporeichen Zwischenteile des Songs gipfelt, bei denen Mick Box mit seiner druckvollen Gitarrenarbeit in den Vordergrund tritt.
Im absoluten Kontrast zu dieser Knochenarbeit im Steinbruch steht direkt im Anschluss "The Park". Sanft und getragen, fast sakral anmutend, laden die ersten Orgeltöne dazu ein, die Augen zu schließen, während Harmonium und Picking-Akustikgitarre einsteigen. David Byrons Gesang wirkt meditativ und zerbrechlich zugleich, immer wieder singt eine zweite Stimme die Strophe mal im Kanon, mal gleichlaufend mit, was der Nummer eine unheimliche Wärme verleiht. Der instrumentale Teil des Songs wartet dann mit synchronen Improvisationen von Gitarre, Bass, Orgel und Drums auf, ständig auf den Punkt gestoppt und wieder gemeinsam fortgesetzt, wie man es beispielsweise von King Crimson kennt, bevor Byron das Ursprungsthema wieder aufnimmt und das Lied zum Abschluss bringt.
"Time To Live" und "High Priestess" legen danach wieder einiges an Tempo zu. Es blitzen immer mehr Elemente auf, die später auf dem dritten Longplayer Look At Yourself dafür sorgen werden, dass mit kräftigem Chorgesang, längeren wuchtigen Solopassagen und Ken Hensleys fauchender Hammond-Orgel der typische Uriah Heep-Stil endgültig etabliert wird.
Stopp. Zwischen den beiden letztgenannten Tracks verbirgt sich ja noch ein damals gar nicht so beachteter Titel, dessen Wiederveröffentlichung als Single im Jahre 1977 dafür gesorgt hatte, dass es sich Uriah Heep für 13 Wochen auf Platz Eins in den deutschen Charts bequem machen durften: "Lady In Black", gesungen von Ken Hensley.
Zwei Akkorde reichten bei dieser Komposition aus, um "Lady In Black" über sämtliche Parties der 70er bis an die Lagerfeuer der Pfadfinder und in den Englischunterricht zu verbreiten. Die damalige Hymne einer jeden Klassenfahrt und fester Bestandteil heutiger Oldie-Hitparade Veranstaltungen. Ähnlich simpel gestrickt wie Deep Purples "Smoke On The Water" und eingängig wie "Alle meine Entchen", schuf "Lady In Black" die Voraussetzungen für Uriah Heeps Einzug in den 'Olymp der ewigen Hits'.
Den über 16-minütigen Abschluss von "Salisbury" bildet der gleichnamige Song, bei dem Uriah Heep kräftig mit der Klassik kokettieren. Ein ähnliches Experiment wagten unter anderem Deep Purple 1969 mit "April".
"Salisbury" beginnt mit einem Dialog zwischen Bläsern und Streichern, die langsam das Grundthema ausarbeiten. Bald nimmt die Hammond-Orgel dieses Thema auf, bis die restliche Band einsteigt. Bass und Schlagzeug drücken von unten heraus immer wieder in den Vordergrund, fordern mehr Tempo, bis alle Beteiligten zur ersten großen Steigerung zusammenfinden. David Byron steigt ein, nimmt mit seinem Gesang das Tempo heraus, besänftigt und beschwichtigt, doch die Instrumente schieben immer weiter von hinten, bis Byron mitgerissen wird und sich kraftvoll ins Zeug legt. Das Ganze schaukelt sich hoch, die Rhythmusfraktion beginnt heftig zu hämmer und die Bläser setzen so massiv ein, dass sie Bilder von in die Arena einmarschierenden Gladiatoren herauf beschwören. Nachdem "Salisbury" unter ausreichend Sattdampf steht, schwenkt das Stück in einen Improvisatonsteil über, der sogar mit leichten Jazzharmonien durchdrungen wird. Band und Bläser tragen untereinander mit wechselnder Geschwindigkeit kleine Schlachten aus, Byron ist inwischen ebenfalls wieder mit im Spiel, leidenschaftlich eindringlich, und es entfesselt sich ein rockiger Part, bei dem Mick Box an der Leadgitarre deutlich zeigt, wo der Hammer hängt.
Nochmal kommen alle Beteiligten zum großen Finale zusammen, bevor die letzten 60 Sekunden in eine psychedelisch diffuse Stimmung umschlagen und schließlich der große Schlussakkord dem musikalischen Treiben ein Ende bereitet.
Gerade dieses 'noch nicht den endgültigen Stil gefunden' ist es, was den unwiderstehlichen Reiz an Uriah Heeps zweiten Longplayer ausmacht. Es sind noch nicht alle Synapsen verschaltet, stattdessen steht die Experimentierfreude im Vordergrund. Natürlich haben Uriah Heep nach "Salisbury" noch etliche Male erfolgreich den Rockhammer geschwungen, aber "Salisbury" sprüht wie eine Wunderkerze und deswegen ist es für mich einer meiner ganz großen Favoriten.
Im September 1976 fiel für David Byron der letzte Vorhang bei Uriah Heep. Seine fortschreitende Alkoholsucht hatte eine weitere Zusammenarbeit quasi unmöglich gemacht. 1985 hob er zum letzten Mal sein Glas, um sich endgültig in den Rock-Himmel zu verabschieden und mit Janis, Jimmy, John und wie sie alle heißen, eine himmlische Session-Band zu gründen...
Anmerkung: diesem Review liegt die remasterte CD von "Salisbury" zu Grunde, die Track #7 und #8 als Bonus beinhaltet. Die original Vinyl-Ausgabe enthält nur die ersten sechs Titel der Tracklist.
Line-up:
David Byron (lead vocals)
Ken Hensley (organ, piano, slide & acoustic guitars, harpsichord, vibes, vocals)
Mick Box (lead guitar, acoustic guitar, vocals)
Keith Baker (drums)
Paul Newton (bass)
Tracklist
01:Bird Of Prey
02:The Park
03:Time To Live
04:Lady In Black
05:High Priestess
06:Salisbury
07:Simon The Bullet Freak
08:High Priestess (Single Edit)
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