Wir haben theaterbedingte Kürzungen von vornherein rausgeschmissen!
Boris und Andy Albendämmerung im Hause Vanden Plas! Am 21. Februar erscheint "The Chronicles Of The Immortals - Netherworld (Path 1)". Es ist die Vertonung der Rock/Prog-Oper "Blutnacht", für die man am Pfalztheater Kaiserslautern Wolfgang Hohlbeins 'Chronik der Unsterblichen' auf die Bühne brachte. Vorab hatte die Band am 11. Januar schon mal zur Videopremiere von "Godmaker" geladen. Wir haben die Chance genutzt und die Hauptsongschreiber Andy Kuntz, Stephan Lill und Günter Werno zum neuen Album mit Fantasy-Background befragt.

Interview vom 26.01.2014


Boris Theobald
Der Song "Godmaker" verkürzt uns also die Wartezeit auf das das siebte Studioalbum der Band. Im Kaiserslauterer Union-Kino gab es den Videoclip am 11. Januar als Weltpremiere vorab zu sehen - auf kleinformatigerem Bildschirm ist "Godmaker" hier zu sehen. Den ersten der musikalischen Haupttäter erwischten wir noch im Kinosaal - Gitarrist Stephan Lill!
Stephan Lill RockTimes: Stephan, wir haben jetzt also die Videopremiere von "Godmaker" gesehen - ein typischer Vanden Plas-Song, was meinst du?
Stephan Lill: Bedingt! Die Riffs, ein großer Refrain, die Trademarks ... ja. Man merkt vielleicht am Anfang, dass da dieses Monumentale, diese Art Götterdämmerung kommt. Das ist etwas Neues und das haben wir natürlich mit einfließen lassen.
RockTimes: Das heißt, mit dem kompletten Album "Netherworld" geht ihr nach eurer ganzen Bühnentätigkeit nun auch im Studio einen Schritt vom Prog Metal-Konzeptalbum hin zu einer Prog Metal-'Oper'?
Stephan: Ja gut, da es ja auf dieser Rockoper basiert, die wir hier in Kaiserslautern gemacht haben ... wir hatten ja auch die Lieder extra dafür konzipiert. Das heißt, man muss natürlich die Charaktere kennen und wenn man weiß, wie jeder auf der Bühne agieren soll, was er ausdrücken soll und wie das Ganze als Stage-Setup sein soll, dann ist klar, dass man die Lieder auch dementsprechend arrangieren muss. Ein simpler, schmaler Vierviertel-Rocker ist da nicht gerade passend. Das heißt, dass wir in die Arrangements auch mit vielen Pausen arbeiten, auch mit ruhigen Stellen. Das ist in der Tat ein neues Stilmittel. Das hatten wir früher vielleicht auch schon gehabt, aber jetzt ein bisschen extremer.
RockTimes: Viele Fans haben ja auch 'Blutnacht' im Pfalztheater gesehen. Im Gegensatz zu euren vorherigen Bühnenproduktionen wurde dieses Mal nicht Musik eines Studioalbums fürs Theaterpublikum umarrangiert, sondern die Bühnenversion war das Original, aus dem ihr jetzt ein Vanden Plas-Album gemacht habt. Was viele Fans interessieren dürfte: Wie akkurat habt ihr die 'Blutnacht'-Songs adaptiert?
Stephan: Also es ist nicht eins zu eins rübergekommen. Die Basis der Songs, 80 oder 90 Prozent, die sind sowieso vorhanden. Wir haben dann zum Teil Gitarren- oder Keyboardsoli eingefügt, neue Parts dazugeschrieben oder Parts verlängert und darauf soliert. Große Orchesterarrangements oder Chorarrangements, die wir auf der Bühne hatten, haben wir intimer gemacht. Auf der CD sind das eher Solopassagen, d.h. wir haben geguckt, wie können wir das von der Bühne auf CD transportieren, sodass es auch glaubwürdig ist - und es soll ja auch für die Fans was zu hören sein, wenn sie auf Prog Metal stehen. Die meisten finden es natürlich doch ganz gut, wenn man mal ein Gitarrensolo hört oder ein Keyboardsolo oder einen komplexen Mittelpart. Und man kann ja nicht im Theater zwei Minuten lang solieren - was machen dann die Leute auf der Bühne? Im Theater steht ja die Aktion mit Gesang im Vordergrund, deswegen muss man da aufpassen.
RockTimes: Einige Hooklines des Albums erkenne ich gleich wieder: "The King And The Children Of Lost World", "A Soul Alliance", "Inside" ... aber sind denn auch komplett neue Songs auf der CD, die man vom Theater nicht kennt?
Stephan: Ein Lied ist neu - "New Vampyre". Das haben wir ausgetauscht. Das war in der Theaterversion der Solosong von Andy - "Son Of Utopia". Den mussten wir austauschen. Das war ja ein Lied, was es schon vorher gab mit dem Hauptverantwortlichen von Red Circuit. Das ist damals mit reingerutscht, das konnten wir natürlich so nicht lassen und haben ein neues Lied geschrieben. Und auf der zweiten CD gibt es wohl auch einen Song, der rausfällt und dafür kommt ein neuer.
RockTimes: Also wird "Netherworld" insgesamt zweiteilig ...
Stephan: Ja. Das, was jetzt kommt, nennen wir 'Path One' ...
RockTimes: ... das ist dann Akt eins aus der Theaterversion ...
Stephan: ... genau, Akt eins - es wurde die Reihenfolge auch ganz leicht verändert - ein Lied von Akt eins ist auf CD zwei gerutscht. So war die Aufteilung für uns besser, und so war es auch ursprünglich geplant für die Theateraufführung, was der Regisseur in dem Fall fürs Theater aber ungünstiger fand. Das ist das was man immer sehen muss: Theater- und CD-Version sind oft deckungsgleich - aber man kann nicht alles synchron machen.
"The Chronicles Of The Immortals - Netherworld" soll also weit mehr sein als bloß die Tonkonserve der Rockoper. Und das dürfte auch ganz im Sinne von Keyboarder Günter Werno, der bei "Blutnacht" im Pfalztheater auch musikalischer Leiter war ...
Günter Werno RockTimes: Günter, nach der Theaterpremiere hattest du mir erzählt, du seist wirklich sehr zufrieden - nur so ein paar proggige Parts hättest du schon ganz gern noch platziert gehabt. Hast du das dann dieses Mal geschafft und dein Zeug auf dem Album untergebracht?
Günter Werno: Ganz genau! Endlich durften wir ohne Kürzungen, ohne regiebedingte Ausfälle die Lieder so auslegen, wie sie im Original eigentlich gedacht waren. Wir haben theaterbedingte Kürzungen sowieso von vornherein schon mal rausgeschmissen. Dann haben wir die Lieder sogar noch weiterentwickelt, haben zusätzliche Teile geschrieben, die mehr auf Vanden Plas passen. Denn die Lieder an sich waren speziell für die Bühnenversion komponiert. Auf Prog-Sachen wie Soli oder ausgedehnte B-Parts wurde weniger Wert gelegt - und das konnten wir jetzt natürlich nochmal ausdehnen!
RockTimes: Und was meinst du, ist es nun eher ein typisches oder ein richtig 'anderes' Album geworden?
Günter: Es ist deswegen ein Vanden Plas-typisches Album, weil wir mit dem vorhandenen Material der Rockoper auf unsere Art umgehen konnten. Wir hatten die Freiheit, unsere eigenen Songs, die speziell für Theaterszenen geschrieben wurden, neu zu arrangieren und sie in neuem Gewand darzustellen. Zwar ist das Material etwas melodischer und orchestral opulenter, aber mit neu dazu komponierten Teilen und nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass Andy alle Charaktere selbst singt, konnten wir die Brücke zu einem 'typischen' Vanden Plas-Album schlagen. Untypisch ist also die Art der Herangehensweise, aber auch sehr spannend.
RockTimes: Ihr habt bei der Videopremiere von "Godmaker" die Fans ja überrascht mit Einblicken in "The Seraphic LiveWorks", die kommende DVD ...
Günter: Ob es eine vollkommen eigenständige DVD wird, das wissen wir noch gar nicht, weil das Material, das wir haben, teilweise nicht so gut ist. Es gibt sechs Songs, die sehr gut sind, die man auch mit Stolz zeigen kann. Beim Rest sind einige Kameras ausgefallen. Es könnte dann langweilig werden, wenn der Boden gezeigt wird oder die Füße vom Bassspieler.
RockTimes: Ja, das ist dann halt 'progressiv'!
Günter: (lacht) Ja da müssen mal noch mal genau sichten. Es kann sein, dass wir dann viele andere Sachen reinschneiden müssten!
RockTimes: Also wird es vielleicht auch Teil einer Special Edition von The Seraphic Clockwork oder des neuen Albums?
Günter: Ja das kann sein, dass wir so was machen. Es heißt aber auf jeden Fall "The Seraphic LiveWorks". Und es kommt auf jeden Fall dieses Jahr!
Instrumental konnte sich die Band auf "Chronicles Of The Immortals - Netherworld (Patrh 1)" also ordentlich austoben. Schwierig wurde es dagegen mal wieder für Sänger Andy Kuntz: 5000 Seiten Wolfgang Hohlbein in zwölf Bänden - das war schon in der Theaterversion kein leichtes Unterfangen ...
Andy Kuntz: Ja, wir mussten natürlich irgendwie die Story, die auf der Bühne sehr breit erzählt werden kann, für das Album ein bisschen reduzieren. Da sind einige Figuren zusammengelegt worden. Es gab ja zwei Götter, die um die Hauptperson Andrej kämpfen, Meruhe und Loki. Die beiden haben wir auf einen Archetypen runterschraubt, und jetzt haben wir einen 'Godmaker', der aber die Fähigkeiten der beiden Kontrahenten in sich vereint. Du kannst nämlich nicht zehn verschiedene Stories anfangen auf einer Platte von 60 Minuten.
Andy Kuntz RockTimes: Aber ein bisschen 'Bühne' habt ihr ja schon erhalten, denn wie schon bei 'Blutnacht' ist deine Duettpartnerin auf dem Album ja Schauspielerin Julia Steingaß ...
Andy: Die Plattenfirma gibt einem natürlich auch Vorgaben und hat gesagt, wir wollen ein Vanden Plas-Album und nicht eine 'Blutnacht', eine Theaterproduktion. D.h. es muss vom Gesang her ein reines Andy Kuntz-Album sein. Wir haben es also runtergeschraubt auf die wenigen Charaktere, z. B. den Gottmacher, aber auch Marius, den verlorenen Sohn und auch Andrej Delanys verlorene Liebe Maria. Und so war es uns ganz wichtig, dass wir die Chance hatten, den Song mit Maria wirklich als Duett rüberzuretten. Diese Frauenstimme mit drin zu haben ist meines Erachtens auch ein ganz großer Moment für das Album!
RockTimes: Also war es eine bewusste Entscheidung: keine Prog-Oper, sondern ein Prog Metal-Konzeptalbum?
Andy: Ja, beispielsweise der Song "Godmaker", den wir jetzt als Video präsentiert haben, steht ja als erster Stellvertreter für das Albumkonzept! "Godmaker" ist ja in der Prog-Oper der Song der ‘Gottesmacherin’ Meruhe, im Pfalztheater gespielt von Astrid Vosberg, die bei der Videopremiere auch anwesend war. Der Song ist ja nun wesentlich härter geraten - das ist jetzt schon eher die Metalversion davon. Sie fand die Umsetzung übrigens sehr gelungen Ich war deswegen sehr aufgeregt, denn dieses Stück hatte sie auf der Bühne ganz zu ihrem Song gemacht. Es jetzt von mir zu hören, war schon ungewöhnlich für sie. Der Song hat auf der Platte jetzt einen erzählenden Charakter. Ich bin auf der Platte nicht mehr die Hauptfigur Andrej Delany, sondern der Erzähler der Geschichte.
RockTimes: Was viele Hohlbein-Fans bestimmt interessiert ... schon fürs Theater hattet ihre ja eher eine freie Adaption realisiert. Ist das Album "Netherworld" jetzt noch ein Stück weiter weg von der Hohlbein-Vorlage?
Andy: Ein ganz schönes Stück weit weg, ja. Nachdem mir klar war, wie man dieses Konzept umschreiben muss, dass es für eine Platte funktioniert, war es mir ganz wichtig, mit Wolfgang Hohlbein und seinem Manager Dieter Winkler noch mal darüber zu sprechen, damit es für sie auch okay ist. Und da sind wir offene Türen eingerannt. Ich muss sowieso sagen: Das ist ein Riesen-Geschenk, wie offen ein so großartiger Künstler dann auch auf die Bearbeitung seiner Werke reagiert. Das findest du überhaupt ganz, ganz selten, dass du da fast freie Hand gelassen bekommst. Das ist wie ein Ritterschlag von so einem Menschen, den ich auch Künstler so sehr schätze. Das ist ja ein Weltstar!
RockTimes: Unter allem steht aber nach wie vor 'basierend auf ...'?
Andy: Das ist uns wichtig, er hat auch ein Vorwort mit seiner Unterschrift darunter verfasst. So was könnten wir nicht einfach machen, wenn er nicht wirklich zu dieser Sache stehen würde. Da sind wir wirklich alle sehr, sehr stolz drauf.
Wir danken Stephan, Günter und Andy für ihre Zeit und wünschen den Jungs natürlich, dass "The Chronicles Of The Immortals - Netherworld" gut ankommt und dass am 21. Februar die Plattenläden gestürmt werden. Man sieht sich dann auf Tour!
Externe Links: