Vengeance / Crystal Eye
Crystal Eye Spielzeit: 44:31
Medium: CD
Label: SPV / Steamhammer, 2012
Stil: Hard Rock

Review vom 03.03.2012


Jochen v. Arnim
Erst kürzlich zog ich beim allzu nötigen Aufräumen eines großen Haufens Silberlinge eine kleine Single im lila Gatefold-Pappschuber hervor, gebrannt im Jahre 1989 mit zwei Auskopplungen vom damaligen Album "Arabia" und zwei weiteren Mitschnitten eines Gigs beim Parkpop-Festival des selben Jahres. Was wohl aus denen geworden sein mag, dachte ich so bei mir, schob die Scheibe in den Player und lauschte der alten Hymne "If Loving You Is Wrong". Die letzte Veröffentlichung liegt mittlerweile schon wieder drei Jahre zurück und ich hatte am Rande mitbekommen, dass Gitarrist Jan Somers vor gut einem Jahr verstorben war. Klar, dass ich von der niederländischen Band Vengeance spreche. Kaum ein paar Tage später kam die Vorankündigung von SPV/Steamhammer zum mittlerweile hier vorliegenden Longplayer "Crystal Eye" - dieses Label haut momentan aber auch einen Kracher nach dem anderen raus.
Seit nun schon mehr als 30 Jahren im Business, kleines Abtauchen in die Versenkung mitgerechnet, haben die Niederländer immer wieder, und besonders auch in den letzten zehn Jahren, gute Alben wie z. B. Soul Collector auf den Markt geschmissen, die im Grunde eine viel größere Anerkennung verdient hätten. Irgendwie haben sie es aber nie so richtig in die weite Welt hinaus geschafft und trotzdem gibt es in schönen Abständen feinen Rock made in Holland. Das aktuelle Line-up lässt zudem aufhorchen: AC/DCs Chris Slade ist dabei, das ehemalige Mitglied von Alice Cooper Keri Kelly oder auch der frühere Bassist der MSG Chris Glen. Zudem haben es sich Mastermind Leon Geowie und Produzent/Gitarrist Michael Voss nicht nehmen lassen, eines der letzten Gitarrensoli von Jan Somers dauerhaft zu verewigen.
Die Scheibe eröffnet den Reigen mit "Me And You" und es wird sofort klar, dass nichts von der alten Fähigkeit verloren gegangen ist, gute und richtig rockende Songs zu kreieren. Mit ihren neuen Produkten können die Jungs glatt noch als die alten Stadionrocker der achtziger Jahre durchgehen. "Bad To The Bone" an zweiter Stelle ist sogar noch ein bisschen dreckiger, ein Attribut übrigens, das wir immer wieder mal im Verlauf der Scheibe zu hören bekommen, und geht für mich schon als Anspieltipp durch. Auch "Five Knuckle Shuffle" ist eine tolle Komposition aus harten Riffs und gesungenen Tönen sowie weicheren Passagen. Zudem, und nicht nur hier, viel Platz für feine Soloeinlagen auf der Gitarre. Für mich als Verfechter des Old-School-Stadion-Hardrock kommt besonders "Desperate Women" (nicht nur wegen des Titels) wunderbar um die Ecke. Gitarren, Bass und Trommeln funktionieren herrlich klar, akzentuiert und treibend, während der Gesang ein wenig an das seinerzeitige Screaming so einiger Kollegen auf den großen Bühnen der Welt erinnert. Die Stimme Geowies könnte übrigens auch problemlos einem zwanzig Jahre jüngeren Kollegen stehen, so viel Kraft und Energie stecken darin. Mit "Whole Lot Of Metal" hat der frühere Black Sabbath-Shouter Tony Martin himself eine hämmernde Metal-Nummer beigesteuert, die von der Band wirklich überzeugend eingespielt wurde und bei einer der anstehenden Live-Shows mit Sicherheit ein Highlight sein wird.
Keine gute Hardrock-Scheibe ohne Ballade und so können wir auch diesen Punkt mit "Promise Me" erstmals abhaken. Ich möchte ganz explizit betonen, dass das Abhaken allerdings nicht einen Deut negativ gemeint ist. Der Song hat wirklich alles Notwendige, um mit dem Rest der Scheibe mithalten zu können. Die Gitarre trägt uns davon, während der Gesang nicht im Ansatz pathetisch rüberkommt, wie das ja manchmal gern der Fall ist. Ein wenig aus dem Rahmen fällt der Titeltrack, zumindest bis der Refrain einsetzt - hört selber, das ist ein Arrangement mit einigen Elementen, die ich hier nicht vermutet hätte. So würde ich die teilweise choral anmutenden, mehrstimmigen Backings eher in der Metal-Ecke anderer Bands suchen. Der frühere Gitarrist der Band Arjen Lucassen hat hier ein Gastspiel gegeben und mit seiner fast schon opulent-epischen Komposition einen Anspieltipp und ein zusätzliches Mosaiksteinchen zu dieser wahrlich an keiner Stelle langweiligen Platte beigetragen.
Mit einer weiteren eher getragenen Nummer bringt uns "Missing" schon dem Ende näher, das dann endgültig durch die bereits eingangs erwähnte und mit etwas mehr als einer Minute recht kurze Soloeinlage von Jan Somers eingeläutet wird. Passenderweise "Jan's End Piece" genannt, entlässt uns dieser elfte Track aus einer weiteren tollen Produktion aus dem Hause Vengeance, die wirklich Lust auf die hoffentlich zahlreichen und auch mal außerhalb des Einflussbereichs des Königshauses von Oranje stattfindenden Live-Shows machen. Prachtig, mannen!
Line-up:
Leon Geowie (vocals)
Timo Somers (guitar)
Jan Somers † (guitar)
Keri Kelli (guitar)
Chris Slade (drums)
Chris Glen (bass)
Michael Voss (guitar, backings)
Tracklist
01:Me And You
02:Bad To The Bone
03:Barbeque
04:Shock Me Now
05:Five Knuckle Shuffle
06:Desperate Women
07:Whole Lot Of Metal
08:Promise Me
09:Crystal Eye
10:Missing
11:Jan's End Piece
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