Vision Divine / 9 Degrees West Of The Moon
9 Degrees West Of The Moon Spielzeit: 60:23
Medium: CD
Label: Frontiers Records, 2009
Stil: Heavy Metal

Review vom 03.02.2009


Boris Theobald
Auf ihrem sechsten Studioalbum feiern Vision Divine die Rückkehr von Sänger Fabio Lione. Dieser ist der Metal-Welt natürlich bestens bekannt, weil er als Stimme von Rhapsody (Of Fire) einen gehörigen Teil zum guten Ruf des Metals made in Italy beigetragen hat. Lione hatte schon die ersten beiden Scheiben der Band eingesungen, die der damalige Labyrinth-Gitarrist Olaf Thorsen 1998 gegründet hatte. Zwischenzeitlich war Michele Luppi lange Zeit die Stimme der Band; nach dem Split konnte Thorsen sich nun wieder die Dienste Liones sichern, der freilich nicht nur als begnadeter Sänger, sondern auch als prominentes Aushängeschild extrem wertvoll ist.
Jedoch ist Prominenz nichts ohne Talent - und auch damit allein können Vision Divine mit ihrem neuen Album problemlos die Herzen der Metal-Gemeinde erfreuen. Sie spielen einen klassisch geprägten, sehr melodischen und zugleich zünftig knallenden Heavy Metal in einer Zwei-Gitarren-plus-Keyboard-Formation. Die große Stärke von "9 Degrees West Of The Moon" ist die Vielseitigkeit. Man kann diese Mucke gar nicht so recht in eine der vielen metallischen Schubladen stecken...
Da wären getragene Melodic-Metal-Stücke wie "Violet Loneliness" und "Fly" - von Keyboards mitgetragen, aber nicht kitschig - im Stile von Allen/Lande oder auch Masterplan. Auf einer ganz anderen Schiene fährt man zum Beispiel mit dem Up-Tempo-Kracher "Fading Shadow". Die Rhythmussektion spielt mit nahezu Ehrfurcht erregender Genauigkeit und groovt wie Hölle. Die Strophe mit Klaviereinsatz schaltet einen Gang zurück, so dass der Song einen sehr runden Gesamteindruck bekommt - ein Highlight des Albums. Das klasse Solo-Duell zwischen Keyboard und Gitarre (nicht das einzige auf dieser Scheibe!) hat etwas von Stratovarius.
Etwas aus dem Rahmen fällt "The Killing Speed Of Time", dessen anfängliche aggressive Shouts weder etwas mit klassischem Metal noch mit Rockopern zu tun haben. Hier wollte sich Fabio Lione offenbar ein wenig ausprobieren. Passt nicht so richtig, passiert als Stilmittel aber gerade noch so die Authentizitätskontrolle des zuständigen True Metal-Ministeriums, zumal von einem atmosphärisch getragenen Refrain gekonnt aufgefangen. Mit "Out In Open Space" hat die Band noch einen ganz klassischen Metal-Track im Mid-Tempo am Start, dessen Riff glatt von den Herren
Glenn Tipton/K.K. Downing stammen könnte. Es folgt ein wuchtiger, vor Kraft strotzender Call-And-Response-Chorus.
Mit epischem Bombast spielen sich Vision Divine zwischenzeitlich immer wieder in musikalische Nähe von so genannten Metal-Opern. "Letter To My Child Never Born" und "Streets Of Laudomia" könnten genau so gut auf einer Avantasia-Platte stehen: Hymnischer Metal mit Hochgeschwindigkeits-Passagen und wuchtigen mehrstimmigen Bombast-Refrains. Nix Neues, aber gut zu hören, weil gut gemacht. "Angels In Disguise" als Power-Ballade mit opulentem Pathos erinnert an Ian Parry und sein Consortium Project.
Ebenfalls ins schwermetallische Opernhaus passt der Titeltrack "9° West Of The Moon", ein Wechsel aus Spieluhr-Klängen mit wehmütigen Gesangspassagen und spacigem Keyboard-Bombast, was weniger als eigenständiger Song durchgeht, sondern eher als episches Element einen Schlusspunkt am Ende des Konzeptalbums setzt. Dieses dreht sich übrigens um den Kontakt zwischen Vater und Sohn... nur, dass es den Sohn gar nicht gibt (siehe Name des Openers), was es für den Alten etwas schwer macht, mit dem Sprössling ins Gespräch zu kommen. Es wird spacig-spirituell - etwas abgedreht, das Ganze...
Unterm Strich ist "9 Degrees West Of The Moon" ein interessantes Album, das zahlreiche Schnittstellen zwischen Heavy Metal, Speed, Power und Melodic Metal besetzt, und zwar angenehm abwechslungsreich. Der hochwertige Eindruck wird zudem noch von Timo Tolkkis einwandfreier Produktion unterstrichen. Gold wert ist bei allen Songs Sänger Fabio Lione, der mit erwähnter Ausnahme bei "Killing Speed Of Time" seinen Job am Mikro betont 'klassisch' orientiert erledigt. Der Gesang ist waschechter Heavy Metal-Style der alten Schule. Diesen beherrscht Lione ganz prächtig und präsentiert ihn ganz ohne falsche Rücksichtnahme auf Leute, denen das zu 'altmodisch' wirken mag.
Attenzione - Metal inside!
Line-up:
Fabio Lione (vocals)
Olaf Thorsen (guitar)
Federico Puleri (guitar)
Alessio "Tom" Lucatti (keyboard)
Cristiano Bertocchi (bass)
Alessandro Bissa (drums)
Tracklist
01:Letter To My Child Never Born
02:Violet Loneliness
03:Fading Shadow
04:Angels In Disguise
05:The Killing Speed Of Time
06:The Streets Of Laudomia
07:Fly
08:Out In Open Space
09:9° West Of The Moon
10:Touch Of Evil
11:Fading Shadow (demo version)
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