Viva La Tia / Klassifiziert
Klassifiziert Spielzeit: 41:00
Medium: CD
Label: Noise Art Records, 2012
Stil: Deutsch Rock

Review vom 10.01.2013


Holger Schwendemann
Viva La Tia stammen aus Speyer am Rhein. Sie sind eine Deutschrock-Band im Stile der Onkelz mit der Besonderheit, dass eine Frau (Yvonne) den Gesang übernimmt.
Gegründet im Jahre 2010 konnte man schon 2011 ein Lied von Viva La Tia auf dem "G.O.N.D"-Sampler finden (G.O.N.D = Größte Onkelz Nacht Deutschlands): "Geister der Vergangenheit". Dieses Stück ist auch auf dem Erstling, den ich euch nun vorstellen will, zu finden.
Und los geht's mit: "Gib mir meine Kugel zurück". Der erste Song des "Klassifiziert"-Albums.
Als Bassist freue ich mich, dass die Scheibe mit einem treibenden Basslauf beginnt. Zehn Sekunden später ist mir schon klar, wohin die Reise geht. Kompromisslos und geradeaus geht die Band ans Werk. Ehrlich gesagt habe ich im ersten Moment die Frauenstimme nicht erkannt. Kratzend und aggressiv schreit Yvonne den grandiosen Text in die Welt. Man nimmt ihr und der Band das Thema ab:
»Du bist es nicht wert, teure Geschosse zu verschwenden.
Ich wünsch' Du würdest hier vor meinen Füßen verenden«
.
Wenn das mal nicht klar formuliert ist! Der Sound wirkt zwar etwas 'dumpf', aber er passt zum Song und macht ihn vielleicht noch etwas brutaler. Ein toller Opener, der Lust auf mehr macht.
"Klassifiziert", der Titeltrack, groovt und hat einen treibenden, stampfenden Rhythmus. Schon die ersten Textzeilen »Ich brauch Starkstrom zum Frühstück, mit Stacheldraht garniert« sind der Hammer. "Klassifiziert" ist eine abwechslungsreiche, sozialkritische Rocknummer, in der die Band zeigt, was sie drauf hat. So kann es weitergehen.
Die folgende Nummer hat mich dann umgehauen. Was für ein Stück!!!! Hier ist der Hit einprogrammiert. Ich fühle mich um Jahre zurückversetzt in die Zeit, in der die Onkelz die Welt regierten. "Mensch ohne Moral" hat das Potenzial, ein Klassiker zu werden! Wer die Onkelz liebt, vergöttert dieses Stück. Ich habe es mir glatt dreimal hintereinander angehört, bevor ich mir den Rest der Scheibe reingeföhnt habe. Schon der Titel sagt, um was es hier geht: Politiker bekommen die Meinung gesagt! Das sollten Viva La Tia mal im Bundestag spielen. Ich stell mir gerade vor, wie Yvonne am Rednerpult den "Menschen ohne Moral" in Berlin das Lied um die Ohren pfeffert. Hier stimmt alles.
Bei "Uns gehört die Nacht" wird die Geschwindigkeit etwas gedrosselt. Trotzdem eine schöne, rockige Nummer, die geradeaus und eingängig über die Boxen rüberkommt. Der Fuß wippt mit und das Lied ist optimal, um mal durchzuschnaufen.
Danach folgt "Es kann nicht immer regnen". Jetzt wird das Bremspedal ganz durchgetreten. Vollbremsung mit einer Ballade, aha. Nun kommt zum ersten Mal die sanfte oder vielleicht sogar melancholische Seite von Yvonne zur Geltung. Das hätte ich nun nicht erwartet. Aber die Stimme und auch die Musik ziehen mich in ihren Bann. Sehr abwechslungsreich, was Viva La Tia bisher geboten hat. Nach fünf Liedern habe ich schon eine unerwartet große Bandbreite der Speyerer Band genießen dürfen.
Weiter geht es mit "Geister der Vergangenheit", das einige vielleicht vom "G.O.N.D."-Sampler kennen. Das Gaspedal wird wieder durchgedrückt und ganz im Stil der Onkelz gerockt. Das Lied selbst ist eine Verbeugung vor den Onkelz:
»Die Tante liebt die Onkelz. So wird es immer sein.
Aus Fremden werden Freunde. Ich bin nicht mehr allein«
.
Ich denke mal mit 'Tante' ist Yvonne gemeint. Große Klasse!
Mit "Nimm mich mit" habe ich mich etwas länger beschäftigen müssen. Erst beim zweiten oder dritten Durchgang habe ich langsam einen Bezug gefunden. Solch eine Komposition habe ich nicht erwartet. Sehr interessant, was Viva La Tia hier aus dem Ärmel zaubern. Schön, wenn sich Lieder erst nach mehrmaligem Hören 'erschließen'. Einerseits klingt es langsam und vielleicht etwas langweilig. Andererseits finde ich es sehr interessant und die Gitarrenarbeit gefällt mir von Mal zu Mal besser. Ein erneuter Beweis der Vielseitigkeit der Band.
"Der Weg zum Glück" ist anfangs ähnlich wie "Nimm mich mit" gestrickt. Es beginnt langsam, steigert sich aber recht schnell und wird wohl live die Hymne der Band werden:
»Mit Vollgas ins Ziel... ja das sind wir... Viva La Tia.«
Knallharter Hardrock mit toller, treibender Gitarre und stampfender Rhythmustruppe. Ich seh jetzt schon die Mähnen der Fans vor der Bühne wehen.
Weiter geht es mit "Monster". Singt die schwarzhaarige Yvonne über sich selbst? Ich muss sie mal fragen. Denn »Geschaffen aus einem Haufen Asche. Einen schwarzen Engel, ein Monster.«
klingt schon sehr danach. Auch hier habe ich zwei oder drei Durchgänge benötigt. Die Gitarre von Stefan gefällt mir hier besonders gut. Er schafft hier mit seiner Gitarrenarbeit eine tolle Grundlage für den Gesang von Yvonne.
"Phantomschmerz" beginnt mit Gitarrengeschrubbe. Dann setzt der Bass mit einem tollen Lauf und kurz danach der Gesang ein. Das Lied ist eigentlich sehr geradlinig. Der Refrain kommt etwas schräg rüber, passt aber letztendlich voll ins Bild.
Danach noch einmal eine absolute Hammernummer. "Sex und Pistolen" rockt! Hier ist wieder Hitpotenzial versteckt. Bass und Gesang bilden bei der Strophe eine stramme Einheit. Wenn dann die Gitarre hinzukommt, geht das Stück noch einmal richtig nach vorne los. Live wird das bestimmt ein Kracher!!
Den Abschluss bildet dann wieder eine Ballade. "Wunden wo keine war'n". Yvonne nimmt uns auf eine musikalische Reise mit. Eben noch gerockt, zeigt sie nun erneut ihre gesangliche Vielfalt. Die Frau hat eine Hammerstimme und ist eine Allzweckwaffe der Rockmusik.
Mein Fazit: Der Erstling von Viva La Tia ist grandios und katapultiert die Band in der Deutschrockszene bestimmt auf einen Spitzenplatz. Wer die Onkelz hört, muss sich auch Viva La Tia kaufen. Textlich und musikalisch habe ich in dieser Sparte selten bei einem Erstling so eine Qualität gehört. Diese Art von Musik mit einer Frauenstimme zu präsentieren ist eine gute Idee. Damit setzen sich Viva La Tia von den anderen tollen Bands deutlich ab. Meine persönlichen Highlights sind "Mensch ohne Moral", "Geister der Vergangenheit" und "Sex und Pistolen". Ganz einfach deshalb, weil ich selbst durch und durch Rocker bin. Doch diese Lieder, gemischt mit den ruhigen Nummern machen aus der Scheibe etwas Besonderes. Ich bin überzeugt, dass Viva La Tia, wenn sie am Ball bleiben, den Durchbruch schaffen. Das Potenzial ist da. Ich empfehle diese Scheibe allen Onkelz-Fans und allen Deutschrock-Fans.
Ihr werdet begeistert sein!
Line-up:
Yvonne (vocals)
Stefan (guitar)
Balu (drums)
Jochen (bass)
Tracklist
01:Gib mir meine Kugel zurück (2:57)
02:Klassifiziert (3:07)
03:Mensch ohne Moral (3:09)
04:Uns gehört die Nacht (3:40)
05:Es kann nicht für immer regnen (4.46)
06:Geister der Vergangenheit (3:00)
07:Nimm mich mit (3:43)
08:Der Weg zum Glück (3:27)
09:Monster (3:16)
10:Phantomschmerz (2:58)
11:Sex und Pistolen (2:44)
12:Wunden wo keine war'n (5:02)
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