Charlie Winston / Running Still
Running Still Spielzeit: 45:54
Medium: CD
Label: Warner Brothers/Real World/Because Music, 2012
Stil: Pop

Review vom 21.03.2012


Wolfgang Giese
"Like A Hobo", das geisterte durch viele Köpfe - Charlie Winston, ein Newcomer, hatte einen heimlichen Hit gelandet, der jedoch erst mit Verspätung zündete. Die Platte "Make Way" aus dem Jahr 2007 enthielt diesen Titel bereits. Zwei Jahre später erschien die zweite Platte, "Hobo". Der erwähnte Song avancierte zunächst in Frankreich zu einem Hit, bevor er dann auch über dessen Grenzen hinaus bekannt wurde. Nur in seinem Heimatland England kam er nicht so richtig in Gang. Geboren wurde Winston am 14. September 1978 in Cornwall und erlernte das Spielen von Schlagzeug und Klavier. Über einen Werbespot für Automobile machte er durch ein Cover von "I'm A Man" der Spencer Davis Group in größerem Rahmen auf sich aufmerksam. Durch den Kontakt mit Peter Gabriel ging es danach voran, bis zum oben genannten Hit.
Der Opener der neuen Scheibe, "Hello Alone", erinnert mich ein wenig an diesen alten Hit. Leider klingt das etwas nach der Absicht, noch einmal mit Aufgewärmtem zu punkten. Aber nett ist er doch, der Song, was ich von "Speak To Me" nicht gerade behaupten kann. Das klingt programmiert und stampft künstlich über die Zeit. Ehrlich gesagt, nervt mich dieser Titel sogar sehr. Ähnliches gab es auch schon auf dem Vorgänger, hier hieß es "Kick The Bucket" - diesen empfand ich jedoch nicht ganz so schlimm.
Insgesamt gesehen, gefällt mir das "Hobo"-Album besser, nicht nur, weil es damals irgendwie 'neu' klang, sondern weil ich auch das Gefühl habe, dass es im Verhältnis zu "Running Still" viel unverkrampfter und nicht so bemüht erschien. Auf einer Skala bis zehn liegt das neue Werk für mich etwa drei Punkte niedriger. Ich habe den Eindruck, man habe hier einerseits versucht, an einen Stil anzuknüpfen und ihn auszubauen, und andererseits eine Anbiederung an mehr 'moderne Sounds' zu schaffen, um damit möglicherweise ein breiteres Publikum zu erreichen. So ein Hauch von Versuch, etwas bemühten Motown-Sound zu produzieren - etwa in Richtung Amy Winehouse, wie man vielleicht bei "Where Can I Buy Happiness?" nachvollziehen kann.
"Guten Abend, Herr Beethoven", diese gesprochene Einleitung führt dann in einen recht interessanten Titel, "The Great Conversation", mit Einstreuungen aus Motiven Ludwig van Beethovens - das nenne ich gut komponiert und arrangiert. Neben dem klassischen Komponisten hat meines Erachtens auch Peter Gabriel Eindruck hinterlassen, jedenfalls erinnern einige Arrangements an ihn, ohne allerdings dessen Ausdruckskraft zu erreichen.
Der Überraschungseffekt der Vorgängerplatte ist vorbei, nun ist Zeit für die harte Realität und die ist manchmal nicht so gut geraten, sodass ich die Platte zwiespältig betrachte. Einige mich sehr ansprechende, auch aus weitgehend objektiven Blickwinkel gesehen, gute Stücke sind auf jeden Fall darunter. Eines davon ist die sehr gefühlvolle Pianoballade "She Went Quietly". Der zweite Teil der Platte ist ohnehin der für mich ansprechendere, das simpel arrangierte "Unlike Me" ist trotz dessen viel stärker als die aufgeblasenen Stücke.
Es dürfte schwierig werden mit der nächsten Platte. Macht es Sinn, weiterhin auf der "Hobo"-Welle zu reiten oder will Charlie Winston den Schritt in die Moderne vollziehen? Das wäre schade, denn gerade da liegen meines Erachtens nicht seine Stärken.
Für mich persönlich ist "Running Still" ein Album mit Licht und Schatten - für Freunde des alten Sounds nur die halbe Bedienung, für Fans von Peter Gabriel möglicherweise eine Annäherung?
Mich versöhnt "Lift Me Gently" zum Schluss mit diesem leichten Anflug jener Atmosphäre, wie ich sie von Musikern wie Nick Drake liebe.
Line-up:
Mr. Winston (vocals, guitar, keys, bass, percussion)
Ben Henry Edwards (harmonicas, flutes, percussion)
Daniel Marsala (bass, electric guitar, percussion, backing vocals)
Medi (drums, percussion, backing vocals)
Patrick Warren (keyboards)
Shawn 'Shrine LeFunk' Everett (drum, percussive programming)
Elisabeth Penin (breathy vocal -#7)
Tiny Bee (guitar - #3)
Cockerel (cockerel - #2)
Tracklist
01:Hello Alone
02:Speak To Me
03:Where Can I Buy Happiness?
04:The Great Conversation
05:She Went Quietly
06:Unlike Me
07:Until You're Satisfied
08:Wild Ones
09:Making Yourself So Lonely
10:Rockin' In The Suburbs
11:Sommertime Here All Year
12:Lift Me Gently
(music and lyrics by Charlie Winston)
Externe Links: