Christian Willisohn - Hold On
Hold On
Auf seiner Kopfbedeckung steht Blues, in großen Lettern. Blues der ganz besonderen Prägung. Piano und Vocals, Christian Willisohn gibt uns den Blues individueller Art. Einiges habe ich schon gehört in dieser Sparte, aber "Hold On" hält bis zu diesem Zeitpunkt den Status des Einmaligen.
Auch das ausgewählte Studio für die Willisohn-Aufnahmen ist etwas Besonderes: Ein Studio in der Einsamkeit der schottischen Westhighlands, wurde auserkoren und man machte sich mit Mann und Maus auf den Weg dorthin. Die komplette Glasfront des Studios bietet einen einmaligen Blick auf den Atlantik.
Die Fotos, nein Impressionen, die das ausführliche Booklet (24 Seiten) zieren, dokumentieren die Stimmung rund um das Aufnahmestudio eindrucksvoll.
Günter Pauler, 'Stockfisch'-Chef, hat produziert und "Hold On" ist als Direct-Cut-SACD erschienen. Damit spielt die CD soundmäßig in der 1A-Liga.
Willisohn spielt in der '18-Bit PCM CD'-Version auf diversen Tracks zusammen mit Thilo Kreitmeier (sax), der bereits Al Jones' Bittersweet mit seinem ausdrucksstarken Spiel prägte, Richard Hollander an den Drums, Titus Vollmer ist auf zwei Songs an der Gitarre zu hören, Matthias Engelhardt (electric bass) und Hans-Jörg Maucksch (fretless bass).
Eine der zwei Fremdkompositionen stammt aus der Feder des Italieners Lucio Dalla und Christian Struck verzaubert "Caruso" mit seiner cor anglais (English horn). Willisohn widmet diesen Song seinen Freunden in Italien, womit er den Wunsch hegt, dass sich mit deren Hilfe seine Aussprache im italienischen bestimmt noch verbessern wird. Wenn dem so ist, braucht sich Willisohn über seine ausdrucksstarke, variable Stimme (auch in italienischer Sprache) keine Gedanken zu machen.
Die passt, die sitzt, genauso wie er uns mit seinem im Blues verwurzelten Pianospiel in die unterschiedlichsten Varianten des Blues entführt und damit verzaubert.
Zusammen mit Christian leitet Thilo Kreitmeier mit seinem Saxophon, über dem Thema von "Hold On, I'm Waiting For You" variierend, den Track ein. Der Song setzt sowohl musikalisch als auch literarisch eine erste Duftmarke. Im Song entwickelt der Tieftöner einige schöne Nuancen.
Nach dem verträumten Opener entwickelt "Little Angel" sein volles Bukett durch Willisohns honky angehauchtes Piano, kongruent ergänzt durch Bass und Drums.
Haltlosigkeit, das etwas aus dem Ruder geratene Leben, erfolglose Lösungsmöglichkeiten in derartige Situationen, sucht man nach dem rettenden Strohhalm:
"Lord, I will try and find my way out again
No more sorrows, no more tears in vain".

Wieder gesellt sich das Kreitmeiersche Saxophon zum Trio. Thilo spendiert dem Track Tonfolgen, die "No More Tears In Vain" mit Blattgold überziehen.
Wie die Vorherigen ist auch "Heart Broken Man" verwoben im Beziehungsgeflecht. Vollmer spielt eine relaxt, dezente Gitarre über dem Thema und trifft den Hörer damit direkt ins Herz.
Abermals setzt Willisohn seine Stimme mit der nötigen Emotionalität ein, so als wäre das Thema auch gelebt worden.
Der Mann, seine Stimme, sein Piano…
"Black Day" könnte inhaltlich dem "No More Tears in Vain" voraus gegangen sein. Solche schwarzen Tage gibt es im Leben und der Rezensent ist froh, so etwas noch nicht durch gemacht zu haben.
Da könnte ich schon eher einiges zur Themenstellung "Blues In A Bottle", geschrieben von Christian Willisohn und Claas Vogt, beitragen.
Es ist erstaunlich, wie es Willisohn schafft, den Spannungsbogen auf der Disc nicht erschlaffen zu lassen. Höchste Anerkennung für diesen Blues…
Ohne ein Fremdkörper zu sein, fügt sich Van Morrisons "Have I Told You Lately" ins Konzept der CD ein.
Von den sehr persönlichen Themen kommt es am Ende, mit "Blues Of The World", zu den großen Aufgabenstellungen, die die Menschen rund um den Globus beschäftigen und bewegen.
Ein würdiger Abschluss einer CD, eine reife Leistung des Münchners, der beweist, dass in der Ruhe die Kraft liegt und man Dinge nicht immer mit Vehemenz hinaus posaunen muß.
Eingangs bereits geschrieben, ist mir eine derartig intensive CD, wie sie Christian Willisohn vorlegt, noch nicht untergekommen. Es verbietet sich quasi Vergleiche oder Parallelen zu anderen Künstlern zu ziehen: Christian Willisohn ist mit seinem Blues, den er gesanglich und musikalisch interpretiert, ähnlich wie das Aufnahmestudio auf einer Insel: eine Ausnahmeerscheinung.
Und bitte den letzten Satz nicht in den falschen Hals kriegen, denn das ist ausschließlich positiv gemeint…
Der Rezensent ist infiziert und hält Ausschau nach einem Tondokument, das Christian Willisohn live eingefangen hat.
Technik:
SACD mit DSD-5.1-/ DSD-Stereo-/CD-Audio-Layer
SACD DSD 5.1 und SACD DSD-Stereo Layer:
Christian Willisohn, piano, vocals
CD-Audio-Layer:
Christian Willisohn mit Begeitmusikern.


Spielzeit: 47:42 Min, Medium: SACD, Stockfisch-Records, 2005
1:Hold On, I'm Waiting For You (3:43) 2:Little Angel (3:13) 3:No More Tears In Vain (3:32) 4:Heart Broken Man (4:33) 5:Caruso (6:06) 6:Black Day (5:22) 7:Blues In My Bottle (5:34) 8:Have I Told You Lately (2:45) 9:Little Fish (2:58) 10:The Man In Your Life (5:11) 12:Blues On The World (4:40)
Joachim P. Brookes, 29.04.2006