Steve Wynn & The Miracle 3 / Northern Aggression
Northern Aggression Spielzeit: 45:57
Medium: CD
Label: Blue Rose Records, 2010
Stil: Rock

Review vom 07.01.2011


Markus Kerren
Steve Wynn hatte wieder mal Lust. Lust, dem im Winter bitterkalten New York zu entfliehen, Lust auf das von den Temperaturen her deutlich angenehmere Virginia und schließlich auch Lust, nach fünf Jahren mal wieder etwas mit seiner Begleitband The Miracle 3 zu machen, mit denen er in der Vergangenheit bereits zwei Alben aufgenommen hatte. Nun drehen sich die Uhren in den südlichen Staaten der USA ja im allgemeinen etwas gemütlicher und relaxter, als im hektischen, wesentlich stressigeren Nordosten der USA. Und so kam es, dass Stephen McCarthy (Pedal Steel), dem guten Steve, als er ihn am Bahnhof abholte, gleich mal den guten sowie scherzhaften Ratschlag gab, seine 'nördlichen Aggressionen' am besten vor der Studio-Tür an der Garderobe abzugeben.
Dieser Spruch (»...you better leave your northern aggression outside the door...«) entwickelte sich während der Aufnahmen dann zum Running Gag und irgendwann wurde Wynn klar, dass die zitierten Schlagworte der einzig richtige bzw. passende Titel für dieses Album sein konnten. So verschanzten sich die sechs Musiker also in einem Studio in Richmond und gaben mächtig Gas, um uns jetzt die vorliegenden elf neuen Titel präsentieren zu können.
Dass ein Mann wie Steve Wynn, der bereits seit weit mehr als 30 Jahren die Bühnen und (etwas später) Aufnahmestudios beackert, etwas verlernt hat, war sowieso nicht zu befürchten. Und mit The Miracle 3 bringt er uns nun ein furztrockenes Rock-Album ins Haus, das einmal mehr durch sehr starkes Songwriting, coole Arrangements und einen vollen, dichten Sound überzeugen kann. "Resolution" startet die Scheibe mit einem treibenden, stampfenden Rhythmus, dem Wynn dann mit seinen etwas 'hängenden' Vocals fast ein bisschen den Dampf nimmt, bevor die Band in eine fantastische Bridge übergeht. Und irgendwie schwebt (ausgelöst durch die Keyboards) auch ein Hauch Psychedelic über dem Track, der sich am Ende in einen ausgewachsenen Wahn zu steigern scheint.
Die Stücke sind abwechslungsreich und teilweise regelrecht spannend, weil man auf "Northern Aggression" nie wirklich weiß, mit welcher Überraschung die Band als nächstes um die Ecke kommt. Während es bei "Noone Ever Drowns" doch ohne Umwege ziemlich flott schnurstracks nach vorne geht, wird für "Consider The Source" einige Gänge zurückgeschaltet, um ein lethargisches Wüsten-Feeling entstehen zu lassen. Hier wird ganz starke Gitarrenarbeit geboten, die die dichte Atmosphäre noch verstärkt. Die Pedal Steel glänzt dagegen bei dem bezüglich des Tempos ebenfalls gemäßigteren "St. Millwood".
"We Don't Talk About It" kommt mit Sprechgesang zu knackigen Rockrhythmen und Wynn beweist einmal mehr, dass er auch ein großartiger Geschichten-Erzähler ist. Ein cooler wie gewinnbringender Kontrast. Klasse Gitarrenriffs beherrschen den Rocker "The Other Side" während bei "The Death Of Donnie B." eindringlich (fast schon gruselig) über die letzten Tage eines Junkies erzählt wird, der weiß, dass er nicht mehr lange hat und sich dem Ende auch geradezu entgegen sehnt. Richtig fett abgerockt (und mit einem warmen Hammond-Teppich unterlegt) wird dann noch mal bei "On The Mend", bevor das flotte "Ribbons And Chains" den Silberling nach einer guten dreiviertel Stunde auf hohem Niveau beschließt.
Steve Wynn hat mit "Northern Aggression" ein weiteres sehr starkes Album vorgelegt, bei dem man natürlich auch die hervorragende Arbeit von The Miracle 3 nicht vergessen darf. Man kann sich eigentlich nur wünschen, dass es noch viele weitere gemeinsame Alben in dieser Zusammenstellung geben wird. Zumindest, wenn das hier gebotene Niveau gehalten werden kann. Aber darum braucht man sich bei einem Musiker wie Wynn eigentlich weniger Sorgen zu machen.
Wer vor einem eventuellen Kauf zuerst mal reinhören möchte, dem würde ich "Resolution", "The Death Of Donnie B.", "The Other Side" oder "Ribbons And Chains" empfehlen. Jetzt bin ich nur noch gespannt, was Kollege Joe über das in Kürze anstehende Konzert in seiner Nähe berichten wird.
Line-up:
Steve Wynn (guitars, keyboards, lead vocals)
Jason Victor (guitars, keyboards)
Dave Decastro (bass)
Stephen McCarthy (pedal steel)
Steve Bassett (Hammond organ)
Linda Pitmon (drums & percussion, background vocals)
Tracklist
01:Resolution
02:We Don't Talk About It
03:Noone Ever Drowns
04:Consider The Source
05:Colored Lights
06:The Death Of Donny B.
07:The Other Side
08:Cloud Splitter
09:St. Millwood
10:On The Mend
11:Ribbons And Chains
Externe Links: